System of a Down: Musikalische Vielfalt und politische Schärfe

12.11.2016, Lesezeit 4 Min.
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Seit elf Jahren warten wir nun auf ein neues Album der US-Metalband System of a Down (SOAD). Nächstes Jahr soll es nun so weit sein. „100 Prozent SOAD und 15 Songs“ kündigt der Schlagzeuger John Dolmayan im Interview an. Schon in der Vergangenheit zeichneten sich die vier Musiker mit armenischen Wurzeln durch energiegeladene Metalparts, teilweise armenische Folk-Einflüsse und hochpolitische Texte aus! Zentrale Themen sind die Politik der USA sowie der Völkermord an Armenier*innen im Jahr 1915 durch das Osmanische Reich.

„They’re trying to build a prison […] for you and me to live in.“ heißt es gleich zu Beginn des erfolgreichsten Albums der Band „Toxicity“ im „Prison Song“. Das Albumcover macht deutlich worum es hier geht. Los Angeles – die Stadt der Engel, wie es gerne heißt. Das Cover lässt die Linie des Albums allerdings schon erahnen. So wird der „Hollywood“-Schriftzug durch den Bandnamen ersetzt und vor eine vergiftete Kulisse gestellt. Auch was System of a Down in ihren Songs beschreiben, hat mit engelsgleichem Leben rein gar nichts zu tun. Über zwei Millionen Menschen waren 2011 nach Angaben der Organisation Prison Policy Initative in US-Gefängnissen inhaftiert – viele von ihnen aufgrund von „Drogendelikten“. Auch die alltägliche Polizeigewalt, der vor allem nicht-weiße Menschen alltäglich ausgesetzt sind, wird von der Band u. a. in „Deer Dance“ thematisiert. So beginnt der Refrain mit den Worten: „Pushing little children, with their fully automatics. They like to push the weak around“.

Gegen die Kriege der USA

Darüber hinaus greift die Band immer wieder in aller Deutlichkeit die Kriegspolitik der USA an. Gerade zur Entstehungszeit der meisten bisherigen Alben regierte in den USA noch George W. Bush, in dessen Amtszeit u. a. der Beginn der imperialistischen Kriegseinsätze im Irak und in Afghanistan fielen. In „B.Y.O.B.“ (Bring your own Bombs) schreien Gitarrist Daron Malakian und Frontmann Serj Tankian dem Publikum förmlich die Worte „Why don’t presidents fight the war? Why do they always send the poor?“ entgegen – um sich die Frage fast im selben Atemzug wieder zu beantworten – „For brand new spankin‘ deals“. Auch im Song „War?“ nimmt die Band Bezug auf die Ursachen von Kriegseinsätzen. In ihren jeweiligen Solo-Projekten blieb die inhaltliche Kritik an der US-Regierung erhalten. So kritisiert Tankian in seinem Song „Empty Walls“ offen die Bush-Regierung für den Einsatz im Irak. „Don’t you see their bodies burning? Desolate and full of yearning, Dying of anticipation, Choking from intoxication“, heißt im hier im Refrain. Serj Tankian gilt selbst als Unterstützer von Bernie Sanders und war u. a. Teil der „Artists for Bernie“-Kampagne.

Der Völkermord in Armenien

Der Name der Tour von SOAD im Jahr 2015 war „Wake up the Souls“. Damit erinnerte die Band an den Beginn des Völkermords des Osmanischen Reichs an Armenier*innen im Jahr 1915. Serj Tankian ist selbst sehr aktiv in dieser Frage, ist doch ein Großteil seiner Familie selbst dem Genozid zum Opfer gefallen. So schrieb er u. a. selbst den Soundtrack zum Film „1915“, der den Völkermord thematisiert. Außerdem veröffentlichte er letztes Jahr den Song „100 Years“ in Gedenken an die Opfer des Völkermords.

Im April 2015 spielten System of a Down erstmalig auch in Yerevan, der Hauptstadt Armeniens – kostenlos wohlgemerkt. 50.000 Menschen kamen für diese Show zusammen. Malakian eröffnete das Konzert damals mit den Worten. „This is not just a rock and roll show. To our murderers, this is revenge.“ Während des Konzerts unterbrach Serj Tankian immer wieder für politische Ansagen. Dabei forderte er vor allem die türkische Regierung dazu auf, den Völkermord endlich als solchen anzuerkennen.

Schon auf dem allerersten Album der Band aus dem Jahr 1998 thematisierten sie im Song „P.L.U.C.K“ (Politically Lying, Unholy, Cowardly Killers) auf ihre unnachahmliche Weise die systematische Vernichtung von über drei Millionen Armenier*innen in den Jahren 1915 und 1916. Auch im Song „Holy Mountains“ vom bisher letzten Album „Hypnotize“ aus dem Jahr 2005 heißt es: „Can you feel their haunting presence? Liar! Killer! Demon! Back to the River Aras“. Die „haunting presence“ sind hier die Millionen toten Armenier*innen. Mit „Liar! Killer! Demon!“ sind wohl die sogenannten „Three Pashas“ des damaligen Osmanischen Reichs gemeint – Premierminister Talaat, Kriegsminister Enver und Minister der Marine Djemal.

Insgesamt schaffen es System of a Down durch die Variabilität von Serj Tankians Stimme, aber auch durch den Wechsel von schnellen, harten Metalparts zu tanzbaren Folk-Rhythmen die Authenzität ihrer Songs zu unterstreichen. Auch deshalb möchte ich den Schluss dieses Artikels lieber System of a Down selbst überlassen – in Gedenken an alle Opfer des damaligen Völkermords.


(„P.L.U.C.K.“ live in Yerevan)

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