Syrienkrieg: Das dreckige Spiel der NATO

05.02.2016, Lesezeit 8 Min.
Gastbeitrag

Die Eskalation des Syrienkrieges beruht auf den weltpolitischen Kämpfen verfeindeter Machtblöcke: Die NATO versucht mit der Unterstützung reaktionärer Konfliktparteien ihren Einfluss in der Region gegenüber Russland zu stärken.

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Als George W. Bush nach den Anschlägen vom 11. September den „War on Terror“ erklärte, leitete er damit neue Machtkämpfe im Nahen und Mittleren Osten ein. Die USA hatten bereits in den 1980er Jahren die Mudschaheddin unterstützt, um die pro-sowjetische Regierung in Kabul unter Druck zu setzen. Afghanistan entwickelte sich in diesen Jahren zu einer Ausbildungsstätte für Dschihadist*innen aus der gesamten islamischen Welt – bewaffnet durch die USA. So entwickelten sich das Taliban-Regime und die Terrororganisation Al-Qaida, die sich nach der Vertreibung der Sowjets gegen ihre früheren Förderer wandten. Bush nutzte die Panik nach dem 11. September um nach innen polizeistaatliche Maßnahmen wie den „Patriot Act“ durchzubringen und um eine neue Offensive im Mittleren Osten zu starten.

Konfrontation mit Russland

2001 wurde Afghanistan besetzt, wodurch der Iran – einer der bedeutendsten Verbündeten Russlands – ein US-Marionettenregime vor die Haustür gesetzt bekam. Komplementiert wurde dies durch die Besatzung des Iraks 2003: Das Mullah-Regime in Teheran war nun von US-Truppen umringt, die so gleichzeitig den Zugang zu den Erdölvorkommen sicherten. In den folgenden Jahren entwickelten sich in Afghanistan und dem Irak blutige Bürger*innenkriege. Bedeutende Teile der Infrastruktur wurden zerstört und korrupte Pro-US-Regime installiert. Im Irak kamen bis zum Ende der Besatzung 2011 mehrere Hunderttausend Menschen ums Leben.

In der Ukraine versuchte die NATO einen weiteren Regimewechsel. Schon lange waren nationalistische Kräfte durch USA und Deutschland hofiert worden. Mit der wirtschaftlichen und politischen Krise des pro-russischen Janukowitsch-Regimes tat sich die Möglichkeit eines Machtwechsels auf. Doch Russland hielt dagegen: Putin ließ die Krim-Halbinsel besetzen und schickte Truppen um pro-russische Oligarchen in den Volksrepubliken militärisch gegen die vorrückenden neuen Kiewer Machthaber zu verteidigen. Es ergab sich eine Patt-Situation, der Krieg in der Ostukraine ist vorerst eingefroren. Zeit für die NATO, um an anderer Front den Druck gegen Russland wieder zu erhöhen: Ab in den Nahen Osten.

Der Konflikt mit Russland wird hier insbesondere über die Unterstützung von verbündeten Staaten und den Zugang zu Öl ausgetragen. Das autoritäre Putin-Regime ist in hohem Maße vom Ölexport abhängig. Der Sturz des Ölpreises auf etwa 30 $ pro Barrel trifft die russische Wirtschaft schwer. Forciert wurde der Preisverfall durch den Einsatz der umweltzerstörenden Fracking-Methode in den USA. Hinzu kommt das Hochhalten der Fördermenge der OPEC-Staaten, insbesondere Saudi-Arabiens und nun die Aufhebung von Handelshindernissen mit dem Iran, wodurch dieser weitere große Mengen Öl auf den Weltmarkt schmeißen wird. In den Kriegen im Irak und Syrien geht es letztlich auch um den Zugang zum Öl aus dem Nahen Osten, durch die Kontrolle von Förderanlagen und Pipelines. Grund genug, um mit den übelsten Diktaturen zusammenzuarbeiten

Der arabische Frühling: Erstickt durch Waffenlieferungen

Bereits zu Beginn des arabischen Frühlings unterstützten die imperialistischen Mächte USA, Frankreich, Großbritannien und Deutschland autoritäre Regime in der Region, um einen demokratischen Wandel zu verhindern, der ihren eigenen Profit- und Machtinteressen in die Quere kommen könnte. Saudi-Arabien, ein despotischer Kriegstreiber in der Region, wurde von der Bundesregierung zum „Stabilitätsanker“ erklärt. Direkt zu Beginn des arabischen Frühlings 2011 genehmigte der Bundestag den Verkauf von 200 „Leopard 2“-Kampfpanzern an Saudi-Arabien. Bis heute werden Waffen im Wert von hunderten Millionen Euro geliefert, darunter Kleindrohnen, Panzermunition und Handfeuerwaffen. Neben der Einmischung in Syrien, führt Saudi-Arabien mit diesen Waffen direkt Krieg im Jemen gegen die Huthi-Milizen, um den Einfluss des Irans zurückzudrängen. Das Blut von 5.000 toten Jemenit*innen klebt damit mittelbar an den Händen der Bundesregierung.

Als in Syrien während der demokratischen und sozialen Proteste des arabischen Frühlings die Demonstrant*innen den Sturz des Despoten Bashar Al Assad forderten, ließ dieser Panzer auffahren und Aktivist*innen in Folterkellern verschwinden. Wieder tat sich ein neuer geopolitischer Herd auf: Assad stand damit in einer Achse mit Russland und dem Iran.

Um ihn zu stürzen, hofierten NATO und die Golfmonarchien die reaktionärsten Kräfte. So entstand in den illegalen US-Foltergefängnissen im Irak der Islamische Staat (IS). Die Dschihadist*innen warteten nur auf ihre Chance: Den Abzug der US-Streitkräfte und die Militarisierung des syrischen Bürger*innenkrieges. Finanziert und bewaffnet von Saudi-Arabien und Katar, mit dem Wohlwollen der USA, führte dies zum Aufstieg des IS. Wie schon bei Al-Quaida, wurde eine dschihadistische Terrororganisation unterstützt, um den russischen Einfluss zu bekämpfen. Und wieder wandte sich diese gegen ihre früheren Förderer.

Mit der Einmischung des Imperialismus gewann der syrische Bürger*innenkrieg eine neue Qualität der Grausamkeit. 250.000 Menschen wurden getötet. Die Hälfte der Bevölkerung und somit ca. 12.000.000 Menschen sind auf der Flucht,. In dieser Situation maßen sich nun die Mächtigen der Welt, ob in Washington, Paris, Berlin oder Moskau an, mit noch mehr Bomben eine Entscheidung herbeizuführen. Der Aufstand gegen Assad war ursprünglich für soziale und demokratische Rechte entstanden. Die Imperialismen können diese Bedürfnisse nicht befriedigen. Damit treiben sie die Menschen in die Hände des IS, der mit seiner lukrativen Kriegswirtschaft aus Ölexporten, Lösegelderpressungen und Plünderungen seinen Kämpfern überdurchschnittlich hohe Gehälter bezahlt. Gegen die Kriegstreiber der NATO kann er sich als antiimperialistische Kraft verkaufen.

Der heroische Kampf der Kurd*innen

Eine politische Kraft, die eine wirkliche Perspektive bietet, muss sich sowohl gegen Assad und den IS, als auch gegen die imperialistischen Strippenzieher wenden, die den Konflikt immer weiter anheizen. Die kurdische Bewegung leistet in Rojava einen heroischen Widerstand gegen den IS. Sie hat mit ihren Selbstverwaltungsstrukturen und der Ausweitung der Frauenrechte progressive Ansätze, die es zu verteidigen gilt. Doch steht sie vor schwierigen strategischen Herausforderungen: Sie wird vom türkischen Staat bekämpft, der die Entstehung eines eigenständigen kurdischen Staates verhindern will. Um den Krieg an zwei Fronten – in Syrien und der Türkei – zu gewinnen, muss sie eine soziale Perspektive bieten. Dafür ist die Vergesellschaftung der Betriebe und Ölförderanlagen unter Kontrolle der Arbeitenden und die Verteilung des Landes an die armen Bäuerinnen*Bauern nötig. Damit kann sie sowohl dem IS den Boden entziehen, als auch im Bündnis mit der türkischen Arbeiter*innenklasse gegen den türkischen Präsidenten Erdogan siegen.

Damit wird die kurdische Bewegung die offene Feindschaft der Imperialismen auf sich ziehen, die eine sozialistische Perspektive in der Region nicht dulden werden. Doch schon jetzt unterstützt die EU die Türkei mit 3 Milliarden Euro, um gegen Geflüchtete vorzugehen. Mit den Geldern veranstaltet die türkische Armee momentan Massaker in den kurdischen Gebieten. Wieder fördern die Imperialist*innen die dunkelsten Kräfte mit katastrophalen Folgen. Unbeeindruckt hofiert Bundeskanzlerin Angela Merkel die höchsten türkischen Staatsvertreter – während ihre kriminelle Politik einen neuen Krieg in Kurdistan entfacht hat und die Türkei zu einem Gefängnis für Geflüchtete wird.

Die Waffen und Bomben der NATO treiben Millionen Menschen in die Flucht. Die EU lässt sie im Mittelmeer ertrinken und schickt sie mit Abschiebungen zurück in das Elend. Währenddessen nutzt die Regierung die rassistische Stimmung, um die Unterstützung von Diktaturen und ihre Rüstungsexporte zu rechtfertigen. Eine Antikriegsbewegung in Deutschland kann nur gemeinsam mit den Geflüchteten aufgebaut werden. Sie hat die Aufgabe, die Unterstützung der despotischen Regime des türkischen Staates, Saudi-Arabiens und Katars zu konfrontieren. Hinter Flucht, Krieg und Terror stehen die imperialistischen Mächte, die sich mit Russland einen rücksichtslosen Kampf um Machtsphären in der Region liefern. Jegliche Perspektive für die Menschen im Nahen Osten kann nur im Kampf gegen den Imperialismus aufgebaut werden.

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