Studis gegen Rechts München: Vom Austauschtreffen zur Vollversammlung und Streiksolidarität

11.02.2025, Lesezeit 9 Min.
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Studis gegen Rechts auf der Großdemonstration an der Theresienwiese

Riesige Demonstrationen gegen die AfD flammen im ganzen Land auf. Gleichzeitig sehen wir eine verstärkte Repression gegen Studierende und die Meinungsfreiheit an den Münchener Unis. Es ist Zeit für antifaschistische Vollversammlungen!

Ein „studentisches Austauschtreffen“ von Studis gegen Rechts fand letzten Freitag, dem 7. Februar, an einer Münchener Uni statt. Dort haben wir uns als Studierende über die Entwicklung des Rechtsrucks, die immer stärkere Stimmung gegen Migrant:innen und Möglichkeiten des Widerstandes ausgetauscht.

In den letzten Tagen konnten wir sehen, wie die Brandmauer zerbröckelt und sich als Illusion enttarnt, da die Union gemeinsam mit der AfD und FDP letzten Mittwoch ihren Abschottungs- und Abschiebeplan im Bundestag durchsetzte. Zeitgleich sahen wir aber auch, wie Merz im erneuten Zusammenspiel mit der AfD mit seinem weiteren rassistischen „Zustrombegrenzungsgesetz“ scheiterte. Das verbreitete Märchen, dies wäre einigen wenigen CDU und FDP Abgeordneten zu verdanken, steht im Kontrast zur Realität von mehr als 500.000 Tausend Menschen bundesweit, die sich dieser Anbiederung an die AfD entgegenstellen. Es wurde sichtbar, dass es ein (erster) Sieg für eine breite Masse war und es sich zu kämpfen lohnt. Für diese und Millionen weiterer Menschen haben wir als antifaschistische Studierende eine Verantwortung, Perspektiven durch weitergehendere Beispiele der Organisierung gegen Rechts zu schaffen.

Das erste Austauschtreffen war ein wichtiger erster Schritt in Richtung einer antifaschistischen Präsenz an den Unis. Dabei konnten wir neben dieser Entwicklung auch über die großen sozialen und infrastrukturelle Probleme an der Universität sprechen, wie zum Beispiel der Wohnungsmangel und das unwürdige BaföG sowie die beschränkte Barrierefreiheit und die lächerlich geringe Zahl genderneutraler Toiletten. Darüber hinaus stellten wir fest, dass während Hunderttausende zur „Verteidigung der Demokratie“ auf die Straßen gehen, wir eine weitere Zuspitzung des Autoritarismus an unseren Unis erleben:

1. Berufsverbote: An der Universität Augsburg wurde Gabriel Bruckdorfer wegen seiner Mitgliedschaft bei der Partei Die Linke vor wenigen Tagen von seiner Stelle an der Uni Augsburg entlassen. Dies ist das dritte Berufsverbot nach den Fällen von Lisa Pöttinger und Benjamin Ruß. Diese Praxis ist ein klarer Angriff auf alle Beschäftigten an den Unis und insbesondere an linke und antifaschistische Stimmen.

2. Einschränkung der Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit: Die Hochschulleitung der LMU München untersagte kürzlich eine Veranstaltung zu „Kolonialismus, Menschenrechte und internationales Recht“ mit der UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese. Damit wurde ein neuer Präzedenzfall zur ideologischen Untergrabung eines wissenschaftlichen Diskurses geschaffen. Gegen diese und ähnliche Zensurversuche stellen sich bereits zahlreiche Profesor:innen in einer Unterschriftenliste.

3. Die direkte Repression gegen palästinasolidarische Studierende: An der TU München wurden dutzende Studierende, die ein Gesprächsangebot an Mitarbeiter:innen und an die Hochschulleitung initiierten, in eine Falle gelockt. Wie das Video von „Uni for Palestine“ zeigt, wurden unsere Kommiliton:innen einladend in einen Hörsaal begrüßt, daraufhin eingesperrt, einzeln polizeilich kontrolliert und dann mit Anzeigen wegen Hausfriedensbruch bestraft. Derartige Methoden lassen entgegen allen demokratischen Selbstverständnissen tief in das gegenwärtig autoritäre Handeln und Machtmissbrauch der Hochschulleitung blicken.

Vollversammlungen und die demokratische Verteidigung 

Diese unter dem Deckmantel der universitären „Enthaltung von allgemeinpolitischen Meinungskämpfen“ durchgeführten Angriffe sind nicht nur ein Feigenblatt einer demokratischen Debatten- und Bildungskultur. Sie sind fester Bestandteil des Rechtsrucks. Dementsprechend müssen wir uns als Studierende wehren und für eine wirklich demokratische Bewegung eintreten, die in der Praxis die Verbindung zwischen der Verteidigung unserer Rechte und unserer gesellschaftlichen Zukunftsvision herstellt.

In diesem Sinne müssen wir die Ernsthaftigkeit der Stunde erkennen, in der die Rechten auf dem Vormarsch sind und ihr autoritäres und diskriminierendes Weltbild sich auch an unseren Unis breitmachen. Der Kampf gegen Rechts wird weder mit dem Semesterende noch den Wahlen am 23. Februar ein Ende finden. Aus diesem Grund müssen wir politische Verbindungen herstellen und diskutieren. Ein Beispiel dafür ist die Einführung von Studiengebühren für unsere Kommiliton:innen aus Nicht-EU Ländern an der TU München, deren Kehrseite im rassistischen Überbietungsdiskurs für mehr Abschiebungen verankert ist. Ebenso verhält es sich mit der sogenannten „Antisemitismus-Resolution“ für die Hochschulen, die die Möglichkeit von politischen Exmatrikulationen von Studierenden aufmacht. Dieser Angriff richtet erstmals gegen diejenigen von uns, die sich dem Genozid in Gaza und der Verwicklung unserer Unis entgegenstellten, aber künftig gegen andere Studierendenbewegungen.

Derartige Maßnahmen sind Spaltungsversuche, die bestimmte Maßnahmen bzw. Angriffe erstmals gegen bestimmte Gruppen richten, wie auf gesamtgesellschaftlicher Ebene bei Bürgergeldempfänger:innen oder queeren Menschen. Wenn der Widerstand gegen solche Maßnahmen geschwächt ist, weil sie erfolgreich durchgesetzt wurden, können Landes- und Bundesregierungen weitere Angriffe gegen weniger marginalisierte Gruppen starten und sie werden das auch tun. Als Mittel, um uns dagegen zu verteidigen, sind Vollversammlungen für die Studierendenbewegung immer von außerordentlicher Bedeutung gewesen.

Dieses Mittel, das in Bayern aufgrund der extremen undemokratischen Strukturen an den Hochschulen weitestgehend unbekannt ist, bildet ein fester Bestandteil von Studis gegen Rechts in anderen Teilen der Bundesrepublik und der Studierendenbewegung international: In Leipzig versammelten sich 500 Studierende und in Berlin sogar mehr als 1500. Die letzte große Welle einer massiven Studierendenbewegung in Deutschland, die sich 2009 gegen die Einführung von Studiengebühren richtete, zeigte bereits ihre Funktion. Vollversammlungen, in denen über die politische Lage, die Folgen solcher Angriffe sowie die Ideen zum Widerstand diskutiert wurden, waren ein fundamentaler Bestandteil, um die Bildungsstreiks und Hörsaalbesetzungen, die das Vorhaben abwehrten, vorzubereiten. 

Unsere Kommiliton:innen auf der internationalen Bühne


Es gibt dutzende Beispiele für den Nutzen von Vollversammlungen, so auch in den letzten Monaten: In Argentinien haben Studierende, die durch Versammlungen organisiert waren, Ende letzten Jahres landesweit zu Hunderttausenden die Straßen geflutet und konnten somit Sparmaßnahmen des rechtsextremen Javier Milei abwehren. Ebenso taten es Studierende in Kenia wenige Monate zuvor und brachten damit auch weitere Teile der arbeitenden Bevölkerung zu Aufständen gegen die Erhöhungen von Steuer im Interesse der Reichen.

Wie wir sehen, bieten Vollversammlungen die Möglichkeit, eine breite Verteidigung gegen Angriffe auf demokratische Rechte und soziale Errungenschaften zu organisieren. Die politischen Diskussionen und unerwartete Erfolge zeigen allerdings auch, dass wir nicht nur in einer untergeordneten Position sind, sondern eigene Visionen entwickeln und auf unsere eigene Organisierung und Kraft setzen können.

In Serbien zeigte sich dies zuletzt am deutlichsten, als eine an den Unis begonnene Bewegung gegen die tragischen Folgen der Korruption durch Versammlungen die Regierung von Miloš Vučević zu Fall brachte. Wie das Zentrum für Osteuropa und internationale Studien zeigte, spielten dort auch Vollversammlungen eine zentrale Rolle, die daraufhin einen Generalstreik auslöste: „In den besetzten Universitäten halten die Studierenden Vollversammlungen ab, bei denen alle Teilnehmenden wählen können. Diese basisdemokratische Strategie hat der Bewegung Glaubwürdigkeit und Authentizität verliehen und maßgeblich dazu beigetragen, dass sie sich in ganz Serbien ausgebreitet hat.“

Die Liste könnte fortgesetzt werden, der Punkt ist jedoch klar: Um unsere demokratischen Rechte zu verteidigen und die extreme Rechte erfolgreich zu bekämpfen, müssen wir auf unsere eigenen Kräfte auf der Straße setzen und das Mittel der Vollversammlung spielt dafür eine zentrale Rolle.

Diese Beispiele sollen uns allerdings nicht nur als Inspiration für das Mittel von Vollversammlungen dienen, sie sollen unserer Perspektive gegen den aufsteigenden deutschen Nationalismus einen internationalistischen Inhalt verleihen. Das geteilte Schicksal, inmitten einer Pandemie, Wirtschaftskrise und Kriege aufzuwachsen, erfordert unseren Widerstand ebenso wie Perspektiven zu ihrer Überwindung. Die Normalisierung des Militarismus durch skandalöse „Kooperationsgebote“ oder Militärübungen auf unserem Campus wie an der TU München müssen wir entschieden entgegentreten. Deshalb sollten wir auch als Studis gegen Rechts gegen die „Sicherheitskonferenz“ der Kriegstreiber am kommenden Wochenende auf die Straße.

Musks Anbiederung an die AfD und seine ebenso wie Zuckerbergs und Bezos Unterstützung für Donald Trump zeigt uns, wie die Reichen der Reichsten der extremen Rechten einen Vorschub leisten. Da wir offenkundig nicht  „alle zusammen gegen den Faschismus“ einstehen können, müssen wir uns im Gegensatz dazu in Richtung derjenigen richten, die ihnen entgegenstehen, den Arbeiter:innen.

Von der Verteidigung in die Offensive: Selbstorganisierung und Einheit mit Beschäftigten


Mithilfe einer Vollversammlung, in der wir unsere Prioritäten diskutieren, wie zum Beispiel die zentralen politischen Themen, unsere Forderungen und Aktionsformen, können wir uns auch an unsere Lehrenden und weiteren nicht-wissenschaftlichen Beschäftigten wenden. Sie leiden nämlich ebenfalls unter dem Druck und der Angst gegenüber den autoritären Maßnahmen der Hochschulleitung sowie den Kürzungen der Regierung, egal ob unter der ehemaligen Ampel, einer neuen GroKo oder Schwarz-grün, die allesamt die akademische Prekarität nur weiter verschärfen. Die Beschäftigten an der Uni können zudem mittels von Arbeitsniederlegungen noch stärkere Kampfmittel an den Tagen legen, weshalb eine Einheit von Studierenden und Beschäftigten umso dringender ist.

Eine solche Einheit aufzubauen ist unsere Aufgabe. Sie darf jedoch nicht auf die universitären Räumlichkeiten beschränkt werden: Aktuell laufen Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst, was bundesweit unter anderem die Beschäftigten in Krankenhäuser, Kitas und ÖPNV zu Streiks bewegen wird. Es gilt unsere Solidarität mit den Beschäftigten auf der Straße auszudrücken. Dadurch können wir den Kampf gegen die Rechte mit einem Kampf zur Verbesserung unserer Leben führen mit Forderungen wie bezahlbaren Wohnraum, ein lebenswürdiges BAfög oder eben auch für eine nachhaltige Wirtschaft, in der nicht die Profite, sondern würdige Arbeitsverhältnisse im Einklang mit der Natur die oberste Priorität sind. Deshalb lasst uns gemeinsam als Studis gegen Rechts am kommenden Donnerstag an der Seite der Beschäftigten der Kinderbetreuungseinrichtungen auf die Straßen gehen.

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