Studentische Solidarität mit Inés: „Der Widerstand gegen die Kündigung zeigt, wie wir kämpfen müssen“

29.08.2023, Lesezeit 8 Min.
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Foto: Maxi Schulz (KGK)

Für die Hochschulgruppe Waffen der Kritik erklärte sich Tabea Winter mit ihrer entlassenen Kollegin Inés Heider solidarisch. In ihrer Rede bei Inés‘ Gerichtsverhandlung rief sie dazu auf, ein Solidaritätskomitee ins Leben zu rufen.

Die Kundgebung vor dem Berliner Arbeitsgericht hat eindrücklich gezeigt: Im Kampf gegen ihre Kündigung ist die Neuköllner Sozialarbeiterin und Gewerkschafterin Inés Heider nicht allein. Neben zahlreichen politischen und gewerkschaftlichen Organisationen und Initiativen überbrachte auch ihre Genossin Tabea Winter von der marxistischen Hochschulgruppe Waffen der Kritik ihre Solidarität. Wie Inés ist auch sie neben dem Studium Sozialarbeiterin und kennt deshalb aus erster Hand, was das Outsourcing dort anrichtet: „Das schwächt unsere Kampfkraft, das sorgt für schlechte Arbeitsbedingungen, für weniger Geld, für mehr Stunden.“

Gemeinsam mit Inés hat sie an der Alice-Salomon-Hochschule studiert und auch dort gab es Outsourcing. Die Reinigungskräfte waren nicht direkt an der Universität beschäftigt. „Es gab prekäre Verträge, unfassbar krasse Arbeitsbelastung und schlechte Bezahlung an so einer sozialen, angeblich feministische Hochschule“, so Tabea. Mit Kommiliton:innen und den Reiniger:innen rief sie damals ein Solidaritätskomitee ins Leben, um für bessere Arbeitsbedingungen und gegen das Outsourcing zu kämpfen. An dieser Erfahrung gilt es nun anzuknüpfen: Auch für Inés soll es ein solches Solidaritätskomitee geben. Tabea lud alle Interessierten zu einem ersten Treffen ein, das am 7. September stattfinden wird.

In ihrer Rede betonte sie den beispielhaften Charakter des Kampfs gegen Inés Kündigung: „Hier heute zu stehen, das ist für mich vor allem wichtig, weil dieser Widerstand gegen ihre Kündigung uns zeigt, wie wir alle und warum wir kämpfen müssen.“ Auch die Gewerkschaftsführungen reihten sich leider häufig ein, indem sie sich davor drückten, sich für politische Streiks einzusetzen. Umso entschiedener warb sie deshalb für „Streiks, wo wir an der Basis entscheiden, wie wir diese Streiks führen wollen und für was wir eigentlich streiken wollen.“

Die politische Reichweite des Kampfes geht aber noch weiter. Angesichts von Militarisierung, Kriegen und dem Aufstieg der Rechten sagte Tabea: „Inés‘ Kampf ist kein isolierter Kampf, sondern er ist Teil davon, was für aufbauen wollen: eine klassenkämpferische und revolutionäre Kraft der Arbeiter:innen.“ Unter großem Applaus beendete sie ihre Rede mit so bekannten wie kraftvollen Worten: „Wir haben eine Welt zu gewinnen.“

Solidaritätskomitee für Inés


Auftakttreffen am 7. September, 18:30, Mehringhof

Wir dokumentieren hier den Wortlaut der Rede:

Ich bin Tabea, ich bin von der Hochschulgruppe Waffen der Kritik von Klasse Gegen Klasse. Wie Inés und wie viele andere hier bin auch ich neben meinem Studium Sozialarbeiterin. Und ich wollte nochmal einen Punkt stark machen: Ein großer Teil der sozialen Arbeit in dieser Stadt ist in der Hand von sogenannten freien Trägern wie die tjfbg. Also anders gesagt: Grundlegende soziale Dienstleistungen, Jugendclubs, wie der, in dem ich arbeite, Suchtberatung, aber eben auch die sozialarbeiterische Arbeit an den Schulen ist outgesourct, ist privatisiert und das heißt, dass unsere Arbeit zersplittert ist. Wir sind nicht gemeinsam mit unseren Kolleg:innen, wir werden nicht zu TVL aufgerufen, obwohl das auch unsere Arbeitsbedingungen betrifft. Das schwächt unsere Kampfkraft, das sorgt für schlechte Arbeitsbedingungen, für weniger Geld, für mehr Stunden und es bedeutet auch, dass der Staat sich davor drückt, Verantwortung zu übernehmen in diesem sozialen Bereich. Die Leute, mit denen wir arbeiten, leiden unter der Politik und der Staat zieht sich einfach raus, indem er das freien Trägern, häufig sogar kirchlichen, übergibt. Wie absurd ist es eigentlich, dass das für super viele öffentliche Aufgaben gilt, für die Reinigung an Schulen, an Hochschulen, für die Servicegesellschaften an den Krankenhäusern, wie an der Charité und Vivantes, die seit fast 20 Jahren inzwischen für die Wiedereingliederung kämpfen müssen.

Ich habe wie viele andere hier an der ASH, der Alice-Salomon-Hochschule studiert, gemeinsam mit Inés damals, und auch da war die Reinigung outgesourct, an dieser ach so sozialen Hochschule – wir kennen‘s, haben es gerade schon gehört – haben sie sich dafür entschieden, die Reinigerinnen eben nicht direkt an der Uni anzustellen, nicht nach TVL zu bezahlen, sondern outgesourct, über ein anderes Unternehmen. Das heißt, es gab prekäre Verträge, unfassbar krasse Arbeitsbelastung und schlechte Bezahlung an so einer sozialen, angeblich feministische Hochschule. Es ist kein Zufall, dass Outsourcing immer wieder Jobs trifft, wo vor allen Dingen Frauen und vor allen Dingen migrantische Menschen beschäftigt sind, sondern das hat ein System, diese Arbeit abzuwerten.

Damals haben wir an der ASH mit Kommiliton:innen, von denen etliche heute auch hier sind, ein Solidaritätskomitee mit den Reiniger:innen ins Leben gerufen, um gemeinsam mit ihnen für bessere Arbeitsbedingungen und gegen ein Outsourcing zu kämpfen, weil eben das auch Teil von dieser Einschüchterung ist. So wie es auch das Union Busting ist, von dem Inés jetzt betroffen ist, dient Outsourcing dazu, mundtot zu machen und ruhig zu stellen. Wir haben damals schon gesagt, Studierende, Lehrkräfte, Reiniger:innen, wir müssen alle zusammen für die Verbindung der Kämpfe gegen Outsourcing und Befristung kämpfen. Und ich denke, das ist das, was auch immer noch zentral ist, und dass Inés, gekündigt wurde liegt daran, dass sie sich gegen genau solche Verhältnisse organisiert hat.

Deshalb will ich euch alle dazu einladen, dass wir ein Solidaritätskomitee auch für Inés aufbauen. Wir haben uns mit verschiedenen Akteur:innen, die in dieser Kampagne jetzt schon aktiv sind, einen Termin überlegt, das ist der 7. September, Donnerstag um 18:30 Uhr im Mehringhof, für ein allererstes Treffen für ein Solidaritätskomitee für Inés.

Hier heute zu stehen, das für mich vor allem wichtig, weil dieser Widerstand gegen ihre Kündigung uns zeigt, wie wir alle und warum wir kämpfen müssen. Wir sollen ruhig sein, wir sollen bloß die Klappe halten und unter schlechten Arbeitsbedingungen Arbeit machen, die wir wirklich gerne machen wollen. Und die Moves der Gewerkschaftsführungen reihen sich leider häufig ein darin, wenn es schlechte Tarifverträge gibt, wenn die Gewerkschaften sich davor drücken, politische Streiks aufzurufen, sich zumindest dafür einzusetzen, dass das möglich ist, dann sehen wir, dass unsere Probleme aber auch politische und nicht einfach ökonomische Probleme sind. Das Outsourcing, der Personalmangel, die Arbeitsbedingungen, nicht zuletzt die Kürzungen sind politische Entscheidungen, gegen die wir auch so kämpfen müssen.

Aber Inés hat selber gesagt, statt sich einschüchtern zu lassen und auf eine Abfindung einzulassen, will sie kämpfen – nicht nur für sich selber, sondern für uns alle. Wir sollten alle mit Inés kämpfen und auch mit und für die Kids, mit denen wir arbeiten, weil die sind diejenigen, die betroffen sind von den Kürzungen und von dem ganzen Missmanagement der Regierung. Wir brauchen gemeinsame Streiks, wo wir an der Basis entscheiden, wie wir diese Streiks führen wollen und für was wir eigentlich streiken wollen.

Die kommenden Jahre werden nicht leichter. Wir sehen mehr Kürzungen und wir sehen mehr innere und äußere Militarisierung. Wir sehen mehr Kriege, den Aufstieg der AfD und dagegen müssen wir uns organisieren, als Frauen, als Arbeiter:innen, als queere Menschen, als Jugend gegen die Bosse, gegen die Regierung, gegen den Aufstieg der Rechten und für eine kämpferische Studierendenbewegung und kämpferische Arbeiter:innenbewegung, die Seite an Seite vor allen Dingen an der Basis der Gewerkschaften unsere Interessen durchsetzen kann. Inés‘ Kampf ist kein isolierter Kampf, sondern er ist Teil davon, was für aufbauen wollen: eine klassenkämpferische und revolutionäre Kraft der Arbeiter:innen. Wir müssen uns den Bossen entgegenstellen und klar sagen: Wir haben eine Welt zu gewinnen.

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