Studentenstadt München: Millionen für Luxussport – aber nicht für studentisches Wohnen

23.01.2025, Lesezeit 9 Min.
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Foto: Jule Nitsche (KGK)

In der Studentenstadt in München wird massiv abgebaut, sowohl was die studentische Mitbestimmung angeht als auch im Wohnraum. Statt Wohnheime zu renovieren, fließen nun Millionen in eine Arena für einen elitären Tennisverein.

Die Studentenstadt (StuSta) in Freimann ist mit 14 Wohnhäusern und 88.000m² die größte Wohnanlage für Studierende in ganz Deutschland. Die rund 2500 dort lebenden Studierenden wurden lange Zeit von Haussprecher:innen sowie Tutor:innen vertreten, welche von den Studierenden selbst gewählt wurden. Die Haussprecher stellten die demokratische Vertretung der Studierendenschaft dar, während die Tutor:innen für gesellschaftliche und kulturelle Angebote zuständig waren. So konnte ein gutes Miteinander garantiert und die Interessen der Studierenden umgesetzt werden. 

Das Studierendenwerk hat dieses demokratische Organ zur Selbstorganisation der Studierenden jedoch vergangenes Jahr abgeschafft und das Amt des Haussprechers vollständig aufgelöst. Die Tutor:innen werden nun durch Bewerbungsverfahren von dem Studierendenwerk eingestellt. Dagegen gab es bereits im März Protest von Seiten der Studierenden, da durch diese Änderung studentisches Engagement eingedämmt würde, was zu einer fortschreitenden Individualisierung in der Studentenstadt führe. Das System der Haussprecher:innen war bisher essentiell für die Aufrechterhaltung einer aktiven Studierendenschaft in der Studentenstadt. Die studentische Selbstverwaltung versucht deshalb, einen Ersatz für die Vertretung der Häuser zu schaffen, damit die Kommunikation zwischen den verschiedenen Häusern in der Studentenstadt nicht abreißt. Die Studierenden müssen also die vom Studierendenwerk aufgelösten Ämter, welche das gemeinschaftliche Leben in der StuSta erst möglich machen, mühsam ersetzen. 

Gleichzeitig bleiben soziale Aktivitäten, deren Organisation eigentlich den Tutor:innen obliegt, links liegen, da diese nun vom Studierendenwerk in administrative Aufgaben eingeplant werden. Mittlerweile zählen beispielsweise auch die Reinigung der Gemeinschaftsräume und die organisatorische Unterstützung bei Ein- und Auszügen zu ihren Aufgaben. So gibt es aufgrund der Umstrukturierung kaum noch Ressourcen, um ansprechende Events für die Studierenden zu planen.

Auch sonst arbeitet das Studierendenwerk in jeder Hinsicht gegen studentisches Leben in der StuSta. In den Gemeinschaftsräumen des renovierten  „Sophie-Scholl Haus” dürfen die Bewohner:innen nicht selbst dekorieren, keine Poster anbringen und keine Möbel kaufen, um es sich gemütlich zu machen. Lediglich eine sterile Couch sowie einen Fernseher pro Gemeinschaftsraum konnten sich die Studierenden erkämpfen. Auch ein kunstvoll gefertigtes Graffiti-Gemälde, welches Sophie Scholl zeigte, musste entfernt werden. Dass in solch tristen und ungemütlichen Räumen keine Gemeinschaft entstehen kann, da sich niemand gerne in ihnen aufhält, ist kaum wunderlich. Studierende ziehen sich deshalb immer mehr in ihre Zimmer zurück, die sie aufgrund von eigenen Kücheneinheiten und Badezimmern praktisch kaum verlassen müssen. Alle anstehenden Renovierungen sollen dem Konzept des  „Sophie-Scholl Haus” folgen und werden so laut den Bewohner:innen noch weiter zur Vereinsamung in der Studentenstadt beitragen. 

Der Leerstand der StuSta und die drohende Iphitos Arena 

Ein einschneidender Wendepunkt in der Geschichte der Studentenstadt stellte der Brand im Roten Haus im Jahre 2021 dar, durch den eine Studentin ihr Leben verlor. Nach diesem schrecklichen Vorfall wurden die Häuser der Studentenstadt auf Brandsicherheit geprüft, woraufhin hunderte Studierende ausziehen mussten, da einige Gebäude als gefährdet eingestuft wurden. Dies stellte eine große Belastung für die Studierenden dar, welche während der Klausurenphase innerhalb kürzester Zeit ausziehen und teilweise in Hotels unterkommen mussten. Seit mehr als drei Jahren stehen rund 60% der Studentenstadt nun leer. Bei einem Spaziergang über das Gelände wirkt die StuSta teilweise wie ein lost place. Obwohl die Wartelisten des Studierendenwerks immer länger und länger werden und Wohnmöglichkeiten für Studierende dringend gebraucht werden, zieht sich die Renovierung der Häuser in die Länge. Das Studierendenwerk setzt dabei auf stückweise Renovierungen, anstatt so schnell wie möglich alle Häuser wieder bewohnbar zu machen, da das Studierendenwerk scheinbar nicht genug Geld dafür mobilisieren kann.

Als wäre die Qualität des studentischen Lebens in der StuSta nicht bereits genug eingeschränkt, möchte nun auch noch der Münchner Tennisverein MTTC Iphitos seine Finger zum benachbarten Tennisplatz der StuSta ausstrecken. Der Elite-Club möchte eine neue Arena für 7.200 Zuschauer:innen bauen, um ein großes Turnier auszutragen und somit den Spitzentennis nach München zu holen. Bisher steht noch nicht fest, wo diese neue Arena gebaut werden soll. Es finden jedoch bereits Verhandlungen zwischen dem Studierendenwerk und Iphitos statt, da die Möglichkeit besteht, zwei Tennisplätze in der Studentenstadt hierfür an Iphitos zu übergeben. Der SV Studentenstadt Freimann, welcher die Tennisplätze bisher genutzt und gewartet hat, sieht seine Zukunft von Iphitos stark bedroht. Die Spielmöglichkeiten für die Bewohner:innen der Studentenstadt würden durch den Platzverlust stark eingeschränkt werden, da die Tennisflächen bereits jetzt schon überlastet sind. 

28,7 Millionen Euro würde diese Arena des Iphitos kosten – 50% werden vom Freistaat Bayern bezahlt, 30% von der Stadt München. Besonders empörend ist hierbei, dass der Münchner Stadtrat dafür auf Gelder zurückgriff, die eigentlich für den Wohnungsbau gedacht waren. Während Wohngebäude in der Studentenstadt also nicht schneller renoviert werden können, da das Studierendenwerk hierfür nicht genug Geld zur Verfügung hat, unterstützt Oberbürgermeister Reiter (SPD) das Bauprojekt eines Elite Tennisvereins mit Wohngeldern. 7,4 Millionen Euro, welche eigentlich für den Wohnungsbau vorgesehen waren, dienen nun dem Bau einer Luxus-Sportanlage. Würde man Oberbürgermeister Reiter hierzu befragen, würde er wahrscheinlich antworten, dass dieses Geld natürlich auch wieder zurückgebucht wird, um schließlich wieder im Topf für den Wohnungsbau zu landen. Außerdem würde er vermutlich sagen, dass die Renovierung der Wohnheime der Studentenstadt nicht der Stadt München obliegt, da diese auf Landesebene finanziert werden. Hier zeigt sich klar, wie Bürokratie als Barriere wirkt. Anstatt schnellstmöglich alle Wohnhäuser der Studentenstadt zu renovieren, um Studierenden eine kostengünstige Unterkunft anbieten zu können, wird das Projekt wegen des scheinbaren Mangels an Ressourcen nur langsam angegangen, während die Stadt München problemlos mehrere Millionen Euro für einen Tennisclub übrig hat. Eine schnelle Renovierung aller Wohnhäuser könnte für hunderte Studierende eine echte Verbesserung ihrer Lebensumstände bedeuten und der weitgehend leerstehenden Studentenstadt wieder Leben einhauchen – aufgrund der Finanzierungsfrage ist dies jedoch nicht möglich. 

Derzeit sieht es schlecht aus für die Bewohner der Studentenstadt. Markus Söder (CSU) persönlich befürwortete den Bau der Iphitos Arena und sprach die Zusicherung zur Finanzierung im vergangenen April beim BMW-Open Turnier aus. Das Studierendenwerk versuchte bereits, die studentische Selbstverwaltung zu einer Zustimmung zum Bau der Iphitos Arena zu bringen. Für diese würde die Arena jedoch eine aktive Verschlechterung der Lebensbedingungen in der gesamten Studentenstadt bedeuten, nicht zuletzt, da sich damit eine weitere Baustelle in die Unmengen der langfristigen Baustellen der StuSta einreihen würde. Trotzdem ist es sehr wahrscheinlich, dass sich hier abermals gegen die studentischen Interessen entschieden und die Arena auf dem Gelände der Studentenstadt gebaut wird.

Ein Bewohner äußerte sich auf Nachfrage zur Situation in der Studentenstadt: „Demokratie, Mitbestimmung und gesellschaftliche Teilhabe spielen leider keine Rolle mehr. Es geht auch hier im studentischen Wohnen und Leben nur noch um Profit.”

Studierendenwerk entmachten, Iphitos stoppen, StuSta retten!

Während es den Studierenden in der Studentenstadt immer schlechter geht, da studentische Teilhabe aktiv abgebaut wird, die Vereinsamung voranschreitet und die Mieten steigen, zeigt sich erneut, wessen Interessen von Stadt und Landesregierung tatsächlich vertreten werden. Anstatt die Bedürfnisse der Studierenden zu berücksichtigen, werden Oberbürgermeister Reiter und die Leitungen des Studierendenwerks zum Erfüllungsgehilfen elitärer Interessen. Die Entscheidung, öffentliche Gelder, die eigentlich für den Wohnungsbau vorgesehen sind, in ein Prestigeprojekt wie die Iphitos Arena zu investieren, zeigt, wie der Staat als Instrument der herrschenden Klasse agiert. Er schützt Eigentums- und Machtverhältnisse, statt der breiten Bevölkerung zu dienen. Während Tausende Studierende unter prekären Bedingungen leben, werden Ressourcen bereitgestellt, um ein luxuriöses Projekt zu finanzieren. Wir sprechen uns klar gegen den Bau der Iphitos Arena auf dem Gelände der Studentenstadt aus. Die Möglichkeiten des studentischen Sports dürfen auf keinen Fall eingeschränkt werden, um einem Luxus-Verein Platz zu machen. Wir sprechen uns außerdem gegen den bereits stattgefundenen Abbau der studentischen Selbstorganisation in der StuSta aus. Die stetige Zurückdrängung der studentischen politischen Teilhabe und Selbstorganisation an der Universität und in allen Einrichtungen des studentischen Lebens muss bekämpft werden. Dafür braucht es eine organisierte Studierendenschaft, welche sich mit der Arbeiter:innenklasse verbündet, um gemeinsam für eine Welt ohne Grenzen, Krieg und Ausbeutung zu kämpfen. Die Studierenden und Beschäftigten der Studentenstadt sollten die vollständige Kontrolle über ihren Wohn- und Arbeitsplatz erhalten, da sie selbst am besten wissen, wie sie sich untereinander organisieren müssen, um ihr Miteinander zu gestalten. Das Studierendenwerk handelt eindeutig nicht im Interesse der Studierenden und verschlechtert deren Lebensumstände immer weiter. Die Studentenstadt könnte ein Ort sein, an welchem Studierende kostengünstig in Gemeinschaft leben, sorgenfrei studieren und demokratisch organisieren können. Es wird höchste Zeit, dass ihr volles Potential ausgeschöpft wird, im Sinne der Studierenden!

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