#Striketober in den USA: Herbst der Unzufriedenheit

29.10.2021, Lesezeit 15 Min.
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Montage: Ideas de Izquierda

In den USA hat der Klassenkampf im Herbst 2021 einen neuen Aufwind erhalten: Eine Welle von Streiks, die von den Beschäftigten des Gesundheitswesens, der Kommunikationsbranche und der Unterhaltungsindustrie bis hin zum verarbeitenden Gewerbe – den traditionelleren "Blue Collar"-Branchen – reichte, machte den Oktober zum "Striketober".

Das Ausmaß der Arbeitskampfmaßnahmen ist für US-amerikanische Verhältnisse der letzten Jahrzehnte beeindruckend. 10.000 Beschäftigte in den Werken von John Deere (dem mächtigen Landmaschinenhersteller); 1.400 bei Kellogg’s; 37.000 beim Gesundheitsdienstleister Kaiser Permanente. Und der Streik von 60.000 Hollywood-Beschäftigten, der wegen der Kapitulation der Gewerkschaftsbürokratie nicht stattfand. Hinzu kommen Dutzende von Konflikten, die vom staatlichenBureau of Labor Statistcs (BLS) nicht als „Streik“ eingestuft werden, weil sie weniger als 1.000 Beschäftigte betreffen und/oder weniger als eine ganze Schicht dauern. Aber selbst nach diesen engen Kriterien ist die Tendenz steigend: Bislang hat das BLS im Jahr 2021 zwölf Streiks verzeichnet, gegenüber acht im gesamten Jahr 2020, dem Jahr der Pandemie.

Laut der von der School of Industrial and Labor Relations (ILR) der Cornell University erstellten Karte der Arbeitskonflikte, die von großen Wirtschaftsmedien wie Bloomberg zitiert wird, gab es zwischen dem 1. Januar und dem 14. Oktober 2021 178 Streiks.

Insgesamt befinden sich rund 100.000 gewerkschaftlich organisierte Arbeiter:innen bereits auf Streikposten oder haben für einen Streik gestimmt, wobei sie in vielen Fällen die unternehmerfreundlichen Haltung der Gewerkschaftsbürokratien überwinden mussten. Sie fordern höhere Löhne, kürzere Arbeitszeiten, bessere Arbeitsbedingungen und Sozialleistungen sowie mehr Ruhezeiten. Und am progressivsten, wie wir bei den Streiks bei Kellogg’s und John Deere gesehen haben, ist ihre Ablehnung des Systems differenzierter Vertragsstufen, das die Gewerkschaftsbürokratien mit den Bossen vereinbaren, wodurch neue Arbeiter:innen mit niedrigeren Löhnen und weniger Leistungen (wie schlechteren Krankenversicherungen und Rentenplänen) eingestellt werden. Diese Spaltung innerhalb der Fabriken – eine Praxis, die sich verallgemeinert hat – ist einer der zentralen Gründe für die Prekarisierung und Schwächung der Kampfkraft der Arbeiter:innenklasse.

Die Perspektive der erneuerten Macht der Arbeiter:innenklasse, die aus diesem neuen Gewerkschaftsaktivismus mit interessanten antibürokratischen Elementen hervorgeht, übersteigt bei weitem die Zahl der Streikenden – immer noch ein kleiner Bruchteil einer Arbeiter:innenklasse von 160 Millionen Beschäftigten.

Dieses Bild der „Selbstermächtigung“ wird durch ein weiteres wichtiges Phänomen verstärkt, das den Arbeitsmarkt prägt: die so genannte „Great Resignation“, eine Art individueller „Exodus“ von nicht organisierten Arbeiter:innen, insbesondere in Niedriglohnsektoren mit schlechten Arbeitsbedingungen wie dem Hotel- und Gaststättengewerbe und der Pflege. Nach Angaben des Wall Street Journal ging die Beschäftigung im Gastgewerbe zwischen Februar 2020 und September 2021 landesweit um 7,6 Prozent (930.500 Arbeitsplätze) zurück, obwohl die Stundenlöhne im gleichen Zeitraum um 12,7 Prozent stiegen. Selbst große Unternehmen wie Walmart und Amazon spüren die Auswirkungen und sind gezwungen, die Stundenlöhne geringfügig zu erhöhen oder andere Vergütungen anzubieten, um Mitarbeiter:innen zu halten oder neue zu gewinnen, da die Einkaufssaison näher rückt, wenn auch nur in geringem Umfang.

Allein im August kündigten 4,3 Millionen Arbeiter:innen oder kehrten nicht an ihren alten Arbeitsplatz zurück, was 3 Prozent der Erwerbsbevölkerung entspricht.

Aufgrund seines Ausmaßes und seiner Auswirkungen beunruhigt das Phänomen die Bosse. Das Magazin Forbes ging sogar so weit, von einer „Revolution der Arbeiter:innen“ zu sprechen. Und Robert Reich, der frühere „progressive“ Arbeitsminister in der Clinton-Regierung, verglich den Striketober hinsichtlich seiner Auswirkungen mit einem „unausgesprochenen Generalstreik“.

Es ist zwar eine Sache, in organisierter Form zu kämpfen, und eine andere, individuell oder aufgrund familiärer oder persönlicher Umstände zu kündigen. Doch haben „Great Resignation“ und „Striketober“ einen objektiven Kontext gemeinsam, der es den Arbeiter:innen ermöglicht, sich selbst als diejenigen wahrzunehmen, die das Rad des kapitalistischen Profits zum Drehen bringen („ohne die Arbeiter:innen gibt es kein Kellogg’s“, so das Fazit eines Streikenden). Wie das Time Magazine titelte, ist es der „perfekte Zeitpunkt für einen Streik“.

Wird Striketober ein Wendepunkt in den Machtverhältnissen sein, oder ist er – wie die Bosse, die Gewerkschaftsbürokratie und die demokratische Regierung selbst hoffen – nur ein vorübergehendes Phänomen? Es ist noch zu früh, um das zu sagen, denn noch deutet nichts darauf hin, dass der „Ansteckungseffekt“ des Kampfes seinen Höhepunkt erreicht hat, erst recht nicht vor dem Hintergrund der steigenden Inflation, die den Lohnkampf vorantreibt. Entscheidend ist, ob es zu einem Kampf der Arbeiter:innenklasse als Ganzes wird, um dem dauerhaften gewerkschaftsfeindlichen Erbe der jahrzehntelangen neoliberalen Offensive ein Ende zu setzen.

Die Motoren des Herbstes der Unzufriedenheit

Striketober ist teilweise die Fortsetzung eines Trends, der sich bereits vor der Pandemie abzeichnete. Erinnern wir uns daran, dass sich 2018 und 2019 fast eine halbe Million Arbeiter:innen an Streiks beteiligt haben (die höchste Zahl in den letzten drei Jahrzehnten), darunter auch der 40-tägige Streik der 48.000 Beschäftigten von General Motors.

Eine Kombination von Faktoren hat zu diesem Herbst der Unzufriedenheit und des Arbeiter:innenaktivismus geführt. Einige schwelen seit Jahrzehnten. Andere sind fast ein direktes Produkt der Folgen der Pandemie. Eine davon ist die Verlängerung des Arbeitstages. Nach Angaben des Arbeitsministeriums beliefen sich die durchschnittlichen Überstunden im verarbeitenden Gewerbe im September auf 4,2 Stunden pro Woche, verglichen mit 2,8 Stunden im April 2020.

Es gibt natürlich objektive Faktoren: die Erholung der Wirtschaft nach der Coronavirus-Depression; die Inflation, die bereits bei 5,4 Prozent pro Jahr liegt; der Engpass in den Versorgungsketten; der Rückgang der offiziellen Arbeitslosenquote auf 4,8 Prozent im September 2021 (im April 2020 lag sie noch bei 14,8 Prozent), obwohl die tatsächliche Arbeitslosenquote bekanntlich höher ist, da die Statistiken nur die aktiv Arbeitssuchenden zählen. Generell ist die derzeitige „industrielle Reservearmee“ jedoch nicht in der Lage, ihre klassische Rolle als Angstmacherin zu spielen, die in Krisenzeiten dazu führt, dass unannehmbare Bedingungen akzeptiert werden. Im Hintergrund herrschte in den ersten Monaten der Regierung von Joe Biden, der sich selbst als „Gewerkschaftler“ bezeichnete, ein gewisses „reformistisches“ Klima, obwohl alle gewerkschaftsfeindlichen Gesetze noch in Kraft sind, und im Laufe der Monate ist diese „reformistische Illusion“ verblasst.

Aber vielleicht ist das gemeinsame Element die sich vertiefende Ungleichheit. Arbeiter:innen, die als „unentbehrlich“ gelten – Krankenpfleger:innen, Lebensmittelarbeiter:innen oder Beschäftigte im elektronischen Handel –, die auf dem Höhepunkt der Pandemie 16- und sogar 20-Stunden-Tage hatten, mussten feststellen, dass ihre Löhne nach jahrzehntelanger Lohnstagnation fast auf Armutsniveau verharren, während ihre Bosse und die Handvoll Milliardär:innen ihre Gewinne und ihr persönliches Vermögen vervielfacht haben.

Wie ein Kolumnist des New Yorker darlegt, verdient ein Facharbeiter am Fließband von John Deere 40-60.000 Dollar im Jahr, während das Unternehmen in diesem Jahr bereits 4,7 Milliarden Dollar verdient hat (ein Plus von 69 Prozent gegenüber dem Vorjahr), die Vergütung des CEO um 160 Prozent gestiegen ist (mehr als 16 Millionen Dollar) und die Aktionär:innen 761 Millionen Dollar an Dividenden erhalten haben.

Im Fall von Kellogg’s stieg der Absatz von Frühstücksflocken (wer erkennt nicht den niedlichen Tiger auf der Verpackung?) während der zeitweiligen Lockdowns im Jahr 2020 um mehr als 8 Prozent, was dem Vorstandsvorsitzenden ein Einkommen von fast 12 Millionen Dollar einbrachte.

Diese enorme Kluft, die in anderen Branchen sogar noch größer ist, ist das übliche Muster in den USA seit Reagan. Nach Angaben des BLS stiegen die höchsten Gehälter zwischen 1979 und 2019 um 41 Prozent, während die niedrigsten um nur 7 Prozent zunahmen. Und der Anteil des Kuchens, der über Löhne und Gehälter an die Arbeiter:innen geht, fiel von 66 Prozent – dem Höchststand im Jahr 1960 – auf 59 Prozent im Jahr 2019.

Laut einer Analyse von Americans for Tax Fairness (ATF) und dem Institute for Policy Studies Program on Inequality (IPS), die auf von Forbes veröffentlichten Daten beruht, haben die Reichsten ihr Vermögen während der Pandemie um 70 Prozent vermehrt. Sie stiegen von fast 3 Billionen Dollar im März 2020 auf 5 Billionen Dollar im Oktober 2021. Dieses Vermögen, so der Bericht weiter, ist „zwei Drittel größer als das Vermögen von 50 Prozent der US-amerikanischen Haushalte, wie es von der Federal Reserve Board geschätzt wird“. An der Spitze der Liste der Reichen und Berühmten steht der „Anarcho-Kapitalist“ Elon Musk, CEO von Tesla, mit einem persönlichen Vermögen von 204 Milliarden Dollar (ein Anstieg um 751 Prozent während der Pandemie), gefolgt von Amazon-CEO Jeff Bezos (192 Milliarden Dollar).

Der Kampf gegen den „US-amerikanischen arbeiter:innenfeindlichen Exzeptionalismus“

Steven Greenhouse, ein Journalist, der sich seit Jahrzehnten auf die US-amerikanische Arbeiter:innenbewegung spezialisiert hat, erklärt in seinem neuesten Buch Beaten Down, Worked Up. The Past, Present, and Future of American Labor, was seiner Meinung nach als „US-amerikanischer arbeiter:innenfeindlicher Exzeptionalismus“ bezeichnet werden kann: Damit meint er, dass das, was die Vereinigten Staaten zu einer „einzigartigen“ Nation machen würde, nicht der „Republikanismus“ ist, wie die Idee des „US-amerikanischen Exzeptionalismus“ behauptet, sondern der zutiefst arbeiter:innenfeindliche Charakter des imperialistischen Staates. Theoretisch könnte man zwar argumentieren, dass es keinen solchen „Exzeptionalismus“ gibt, da jeder bürgerliche Staat per definitionem ein Feind der Arbeiter:innenklasse ist, aber das Ausmaß hängt von den Kräfteverhältnissen ab. Mit der Niederschlagung des Fluglotsenstreiks von 1981 durch die Reagan-Regierung und dem anhaltenden „PATCO-Syndrom“ (so lautete das Akronym der besiegten Gewerkschaft), das die Arbeiter:innenklasse jahrzehntelang in der Defensive hielt, haben sich die gewerkschaftsfeindlichen Gesetze in den USA qualitativ weiterentwickelt, mehr noch als im Großbritannien von Margaret Thatcher, Reagans neoliberalem Partner. Dieser „Exzeptionalismus“ bedeutet laut Greenhouse, dass „die Vereinigten Staaten die einzige Industrienation sind, in der Arbeiter:innen keinen gesetzlichen Anspruch auf bezahlten Krankenurlaub haben (…) keinen Anspruch bezahlten oder unbezahlten Urlaub (…) und kein Gesetz, das bezahlten Mutterschaftsurlaub garantiert“. Wie der „bidenistische“ Wirtschaftswissenschaftler Paul Krugman in einer Meinungskolumne mit dem suggestiven Titel The Revolt of the American Worker schrieb, „sind die USA ein reiches Land, das ihre Arbeiter:innen sehr schlecht behandelt“. Er führt unter anderem lange Arbeitszeiten, niedrige Löhne und flexible Arbeitszeiten an. Und er kommt zu dem Schluss, dass die USA eine „Nation ohne Ferien“ sind.

Ein Element, das diese Verschärfung des „arbeiter:innenfeindlichen Exzeptionalismus“ erklärt, ist die Schwächung der Gewerkschaften. Auf dem Höhepunkt erreichte der gewerkschaftliche Organisationsgrad im Jahr 1954 fast 35 Prozent der arbeitenden Bevölkerung. Heute vertreten die Gewerkschaften nur 10,8 Prozent der Lohnabhängigen und nur 6,3 Prozent der Beschäftigten im privaten Sektor (einer von 16). In absoluten Zahlen sind etwas mehr als 14 Millionen Beschäftigte des öffentlichen und privaten Sektors gewerkschaftlich organisiert. Die Situation ist relativ widersprüchlich, denn während der niedrige gewerkschaftliche Organisationsgrad die Tarifverhandlungsmacht qualitativ geschwächt hat, behalten die Gewerkschaften ihre Feuerkraft, weil sie weiterhin strategische Sektoren der Arbeiter:innenklasse in der Logistik (z. B. die Teamsters, denen die UPS-Beschäftigten angehören) und in den Häfen (ILWU) organisieren, die jetzt im Fadenkreuz der Versuche stehen, Engpässe in der Lieferkette zu beseitigen.

Der Krieg der Bosse gegen die Gewerkschaften hat Gesetzeskraft. Wie der gescheiterte Versuch einer gewerkschaftlichen Organisierung bei Amazon (Alabama) gezeigt hat, hat die Unternehmensleitung das Recht, Beschäftigte davon zu „überzeugen“, sich nicht gewerkschaftlich zu organisieren, wozu auch Schikanen, Bespitzelungen, die Androhung von Betriebsschließungen oder der Entzug von Leistungen gehören. Nach Untersuchungen des Economic Policy Institute (einer progressiven Denkfabrik für Wirtschaft und Arbeit) gaben Unternehmen im Jahr 2019 340 Millionen Dollar für Verträge mit Anwälten und anderen „Berufen“ aus, die darauf spezialisiert sind, gewerkschaftliche Organisierungsversuche zu vereiteln.

Darüber hinaus ist es eine legale Praxis der Bosse, Streikbrecher:innen einzustellen, um streikende Arbeiter:innen zu ersetzen, und sie zahlen natürlich nicht für die Streiktage.

Obwohl die Bürokratie, die die Gewerkschaften und den Gewerkschaftsverband AFL-CIO leitet, die Haupttriebkraft für die Zusammenarbeit mit den Bossen ist, welche die Rechte der Arbeiter:innenklasse erheblich ausgehöhlt hat, verdienen gewerkschaftlich organisierte Arbeiter:innen immer noch mindestens 14 Prozent mehr als nicht gewerkschaftlich organisierte Arbeiter:innen und genießen zusätzliche Leistungen wie Krankenversicherung und Altersvorsorge, die von den Bossen bezahlt werden.

Dies erklärt, warum der gewerkschaftliche Organisationsgrad in den letzten Jahren so niedrig ist wie nie zuvor, die Zustimmung zu den Gewerkschaften aber so hoch ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Eine aktuelle Gallup-Umfrage zeigt, dass die Zustimmung zu den Gewerkschaften bei 68 Prozent liegt, dem höchsten Wert seit 1965. Bei den 18- bis 34-Jährigen sind es 77 Prozent und bei denjenigen, die bis zu 40.000 Dollar im Jahr verdienen, 72 Prozent.

Eine dritte Partei der Arbeiter:innen und Unterdrückten

Das Besondere an diesem neuen Gewerkschaftsaktivismus ist, dass er starke antibürokratische Elemente enthält, die in den Medien, die der Demokratischen Partei inahestehen, m Allgemeinen ignoriert werden.

Die Bürokratie der IATSE, der Gewerkschaft für die 60.000 Beschäftigten Hollywoods, sah sich einer Rebellion der Basis gegenüber, weil sie den Streik vor seinem Beginn abgebrochen hatte.

Der Streik bei John Deere wurde von den Arbeiter:innen an der Basis erzwungen, die mehrheitlich die Vereinbarung ablehnten, die die Bürokratie der Automobilarbeitergewerkschaft (UAW) mit den Bossen unterzeichnet hatte und die bis zur letzten Minute versuchte, den Konflikt zu vermeiden. Diese Bürokratie ist nicht nur deshalb in Verruf geraten, weil sie Streiks wie bei General Motors verraten hat und an den neuen flexiblen Verträgen beteiligt war, sondern auch, weil zehn ihrer Spitzenfunktionär:innen, darunter zwei Vorsitzende, wegen eines Korruptionsskandals um Gewerkschaftsgelder zu Haftstrafen verurteilt wurden, in den auch Spitzenmanager:innen von Fiat Chrysler verwickelt waren. Diese Revolte gegen die Bürokratie erstreckt sich auch auf die Teamsters gegen die bürokratische Führung von James Hoffa.

Die AFL-CIO-Bürokratie ist einer der Hauptbestandteile des Wahlbündnisses, das Joe Biden ins Amt brachte und der Demokratischen Partei die Stimmen der abgehängten und am meisten vernachlässigten Sektoren der Arbeiter:innen zurückbrachte, die 2016 für Donald Trump und seine protektionistische Demagogie gestimmt hatten. Wie andere Demokrat:innen, die das Weiße Haus innehatten, hat Biden versprochen, sich für den so genannten Protecting the Right to Organize Act (PRO Act) einzusetzen – ein Gesetz, das die gewerkschaftliche Organisierung erleichtern würde –. Dieses Versprechen kostet die Demokratische Partei wenig, denn sie weiß, dass ein solches Gesetz nicht verabschiedet werden wird, solange Republikaner:innen (und „gemäßigte“ Demokrat:innen) im Senat sitzen. Dabei geht es nicht einmal darum, das gesamte Gerüst der gewerkschaftsfeindlichen Gesetze in Frage zu stellen.

Eher früher als später zeigte Biden, dass er weniger ein „Gewerkschafter“, sondern immer ein „Unternehmer“ war. In einem Interview mit CNN erklärte er, er sei bereit, die Nationalgarde einzusetzen, um Container aus den Häfen der Westküste zu transportieren. Und nach den ungewöhnlich langen „Flitterwochen“ der Biden-Regierung werden die Reformversprechen immer weniger greifbar. Und aufgrund einer Reihe von Faktoren, die vom Truppenabzug aus Afghanistan bis zur Inflation reichen, ist seine Zustimmungsrate auf 43 Prozent gesunken und liegt damit nur noch wenige Punkte über der von Trump.

Die US-amerikanische Arbeiter:innenklasse hat eine lange Tradition gewerkschaftlicher Militanz, wurde aber politisch der Demokratischen Partei, einer der beiden großen Parteien der imperialistischen Bourgeoisie, untergeordnet. In einem Klima der Polarisierung, in dem rechtsextreme Phänomene fortbestehen (Trump hat die Wahlen verloren, aber der Trumpismus behält einen harten Kern), belebt diese Welle von Streiks und Arbeiter:innenmilitanz, zusammen mit früheren Erfahrungen wie Black Lives Matter, die Perspektiven einer Radikalisierung nach links. Die gescheiterte Strategie der Democratic Socialists of America, sich innerhalb der Demokratischen Partei zu „akkumulieren“, verbunden mit der Kandidatur von Bernie Sanders und dem „aufständischen“ Flügel von Alexandria Ocasio Cortez, die schließlich von dieser Partei wie viele andere fortschrittliche Bewegungen in der Geschichte kooptiert wurde, verdeutlicht die Notwendigkeit einer dritten Partei der Arbeiter:innenklasse und der unterdrückten Sektoren, die antikapitalistisch, antiimperialistisch und sozialistisch ist, was an sich schon ein Fortschritt für die Ausgebeuteten in der ganzen Welt wäre.

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