Streikwelle in Berlin: BVG, CPPZ, TV-L – die Stadt liegt lahm
Heute morgen haben 3.000 BVG-Kolleg*innen die Arbeit niedergelegt. Das war der Gipfel einer ganz besonderen Streikwoche in Berlin.
Am Freitag morgen wirkte die Stadt gespenstisch: Die Berliner U-Bahn fuhr nicht, auch die gelben Busse und Straßenbahnen der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) waren nirgends zu sehen. Die Arbeiter*innen der BVG waren in einem Warnstreik, der von Betriebsbeginn bis 12:00 Uhr dauerte. 3.000 von ihnen protestierten vor der BVG-Zentrale in der Holzmarktstraße. „Wir bewegen Berlin“, stand auf einem selbstgemalten Transparent, „aber diesmal anders.“
Man hatte lange Staus und überfüllte S-Bahnen erwartet, doch auch die Straßen und S-Bahnhöfe wirkten leerer als sonst. Der Streik war vier Tage im Voraus angekündigt worden, und viele Berliner*innen hatten sich bei strahlender Sonne auf’s Fahrrad gesetzt oder waren gleich zu Hause geblieben. Die Hetzkampagne des BVG-Vorstandes und der bürgerlichen Presse über „unverhältnismäßige“ Kampfmaßnahmen war fehlgeschlagen. Die arbeitende Bevölkerung hatte große Sympathie für die 14.000 Menschen, die die Stadt am Laufen halten – und unter miserablen Löhnen und Arbeitsbedingungen zu leiden haben.
Nicht nur die BVG war im Ausstand. Seit Mittwoch befinden sich die Therapeut*innen der Charité im unbefristeten Streik. Manche von ihnen sind über die Tochterfirma CPPZ angestellt und verdienen deswegen deutlich weniger als ihre Kolleg*innen, die direkt beim Universitätsklinikum angestellt sind. „Gleiches Geld für gleiche Arbeit“ ist die Forderung, für die die Kolleg*innen seit Monaten kämpfen. Mit ihren hellblauen T-Shirts kamen sie zusammen zur BVG-Kundgebung – und 50 von ihnen übertönten selbst 3.000 BVGler*innen.
Ebenfalls am Freitag protestierten Arbeiter*innen des landeseigenen Krankenhauskonzerns Vivantes. Denn genauso wie bei der Charité gibt es auch bei Vivantes Töchterfirmen, die Niedriglöhne zahlen. 100 Kolleg*innen standen vor der Sitzung des Aufsichtsrates und forderten lautstark ihre Rechte ein. In diesem Aufsichtsrat sitzen Politiker des rot-rot-grünen Senats von Berlin. Am Freitag versprachen sie – wie seit Jahren – ein Ende der Tarifflucht in landeseigenen Unternehmen. Doch bis auf schöne Worte haben sie bisher nichts geliefert.
Mächtiger TV-L-Streik
Das war nur der Freitag. Schon am Mittwoch waren über 12.000 Berliner Arbeiter*innen auf der Straße. Die Gewerkschaften GEW und ver.di hatten zu einem riesigen Warnstreik für den Tarifvertrag der Länder (TV-L) aufgerufen. Vor allem Lehrer*innen und Erzieher*innen legten die Arbeit nieder. Aber auch Behörden, Universitäten, Bibliotheken und der Botanische Garten blieben dicht. Die Hauptforderung war nach sechs Prozent mehr Lohn. Aber viele Arbeiter*innen berichteten, dass sie vor allem mehr Personal brauchten.
Leider war in dem Ausstand auch die „Gewerkschaft“ der Polizei hier vertreten. Diese „Kolleg*innen“ haben gezeigt, was sie wert sind, als sie ein ver.di-Mitglied auf der Demonstration festnahmen! Dieser hatte absolut sichere und auf Demonstrationen übliche Pyrotechnik gezündet. So zeigten sie einmal mehr, dass die Polizei die Institution ist, die die Ordnung und das Privateigentum der herrschenden Klasse schützt – entsprechend geht sie mit Verhaftungen und Gewalt gegen gewerkschaftliche Proteste vor. Solche Schläger*innen des Kapitals haben in unseren Gewerkschaften nichts verloren.
Die Spaltungstaktik der Gewerkschaftsführung
Warum haben die Streiks am Mittwoch und am Freitag getrennt stattgefunden? Schließlich ging es bei allen Protesten um den öffentlichen Dienst in Berlin, und auch um die gleiche Gewerkschaft, nämlich ver.di. Für den ver.di-Apparat wäre es ein Leichtes gewesen, einen gemeinsamen Streiktag mit zehntausenden Streikenden auf die Beine zu stellen. Dann würde man auch die unvergleichbare Kraft der Arbeiter*innenklasse in der Stadt sehen. Doch dieser Apparat ist voll von gut bezahlten Bürokrat*innen, die oft ein Parteibuch von einer der Regierungsparteien haben. Sie wollen die „Regierbarkeit“ der Stadt nicht in Frage stellen, und opfern dafür die Kampfkraft der Kolleg*innen.
Bei der BVG-Kundgebung sprach der Busfahrer Lothar-Erich Kurth. Er verdient weniger Geld und zukünftig auch weniger Rente, weil er über Jahre für die BVG-Tochterfirma BT beschäftigt war. Er kritisierte das Outsourcing, das nur dazu dient, die Löhne zu senken. Gleich im Anschluss konterte ein ver.di-Sekretär, dass die Gründung der BT „notwendig“ gewesen sei. Kein Wunder: Ver.di-Bürokrat*innen haben die Ausgliederung der BT genauso wie den Absenkungstarifvertrag von 2005 absegnet. Diese stolzen Sozialpartner*innen haben die aktuelle Misere bei der BVG mitgestaltet.
Unfreiwillig komisch wirkten die Reden der ver.di-Bürokrat*innen. Sie wiesen darauf hin, dass die Löhne und die Arbeitsbedingungen schlechter sind als bei fast jedem anderen öffentlichen Nahverkehrsunternehmen in Deutschland – und im gleichen Atemzug lobten sie sich selbst dafür, für die Rechte der Kolleg*innen zu kämpfen.
Der BVG-Streik am Freitag hat gezeigt, dass die BVGler*innen sehr viel Sympathie in Berlin genießen. Mit einem richtigen – d.h. unbefristeten – Streik könnten sie all ihrer Forderungen durchsetzen. Doch die Bürokratie wartet lieber auf die nächste Verhandlungsrunde in zweieinhalb Wochen. Währenddessen werden die einzelnen Arbeitskämpfe getrennt gehalten.
Die Kämpfe zusammenführen!
Die Initiative zur Zusammenführung der Kämpfe kommt von unten. Es waren die beispielhaften Aktivist*innen der CPPZ, die dafür sorgten, dass sie zuerst bei Vivantes und dann bei der BVG ihre Solidarität bekundeten. Ihr Vorbild muss für alle gelten: Wo eine Belegschaft streikt, müssen alle gemeinsam streiken.
Es gibt auch ganz konkrete Gelegenheiten für große Streiks. Wenn Ende Februar erneut zehntausende Kolleg*innen für die TVL-Tarifrunde auf die Straße gehen, könnten Beschäftigte an allen landeseigenen Tochterfirmen zu einem Solidaritätsstreik aufgerufen werden. Und am 8. März findet der internationale Frauenstreik statt. Da könnten BVG und Landesbeschäftigte und alle Arbeiter*innen in Berlin gemeinsam streiken.
Doch eine solche Initiative wird nicht von den hochbezahlten Funktionär*innen in der Gewerkschaftszentrale kommen. Kämpferische Kolleg*innen müssen sich an der Basis organisieren und sich vernetzen. Unter anderem dafür kämpft die Basisgewerkschaftsgruppe ver.di aktiv.