Streiks gegen Energie- und Klimakrise statt Suppe auf Gemälden

21.10.2022, Lesezeit 8 Min.
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Foto: Mr Dasenna/ shutterstock.com

Warum Suppe auf Gemälden und ewig gleiche Forderungen an die Regierung keine Antwort auf die Klima- und Energiekrise sein können und was für eine Antwort wir auf die eskalierenden Krisen brauchen.

Vergangenen Freitag ging ein Video von zwei jungen Frauen durch die Sozialen Medien. Die beiden Klimaaktivist:innen der Gruppe “Just Stop Oil” schütteten vor der Kamera Tomatensuppe auf das weltberühmte “Sonnenblumen”-Gemälde von Van Gogh in der National Gallery in London und klebten sich dann mit Sekundenkleber an die Wand. In den letzten Wochen gab es einige Aktionen wie diese, die sich mit der Forderung der sofortigen Beendigung aller neuen Öl- und Gasprojekte an die britische Regierung wandte.

Auch andere Klimagruppen greifen immer häufiger zu solchen Aktionsformen, die meistens das Ziel haben, Aufmerksamkeit für bestimmte Forderungen an die Regierung zu generieren. So gab es in Deutschland in den vergangenen Monaten häufig gesperrte Straßen und Autobahnen, weil Klimaaktivist:innen die Straße blockierten, indem sie sich auf den Asphalt klebten. Gruppen wie “Letzte Generation” oder “Just Stop Oil”, die interessanterweise über den “Climate Emergency Fund” und damit unter anderem von Öl-Milliardären finanziert werden, versuchen mit solchen Aktionen Aufmerksamkeit für Forderungen an die Regierung zu schaffen.

Die Krise spitzt sich zu

Die Lage der Klimakrise spitzt sich immer weiter zu. Die riesigen Überschwemmungen in Pakistan, die Hurricanes in der Karibik und die krassen Dürren in Europa diesen Sommer sind nur wenige Beispiele für die ganz klaren Anzeichen: Die Klimakrise ist da und wir haben nicht mehr viel Zeit etwas zu ändern, während die Politik weltweit mehr oder weniger am Status Quo festhält.

Die Klimakrise führt global dazu, dass immer mehr Menschen ihre Heimat verlassen müssen: Greenpeace geht in einer Studie davon aus, dass bis 2040, wenn es so weitergeht, ca. 200 Mio. Menschen klimabedingt auf der Flucht sein werden. Oxfam geht sogar von 700 Mio. Menschen aus.

Besonders junge Menschen haben in den vergangenen Jahren weltweit riesige Aktionen und Proteste wie die Fridays for Future organisiert. Es sind vor allem wir jungen Menschen, die vor einer Zukunft voller Kriege, Krisen und Naturkatastrophen stehen, die wissen, wie dringend Veränderung notwendig ist.

Resignation durch reformistischen Klima Aktivismus

Jahre des Protests gegen die Klimakrise und für eine andere Klimapolitik verlaufen immer mehr im Sand. Mit der Schaffung eines breiteren Bewusstsein für die dramatische Lage des Klimas und einer Politisierung vieler junger Menschen stoßen reformistische Klimabewegungen wie FFF an ihre Grenzen. Junge Aktivist:innen, die länger in ihnen aktiv waren, merken, dass sich trotz der ständigen Forderungen an die Regierung, trotz der riesigen Proteste und nun auch trotz einer vermeintlich fortschrittlichen Regierung nichts an der Klimapolitik ändert. Im Gegenteil: Wir befinden uns mitten in einer neuen Phase des Krieges und der Krisen, in der nun infolge der Energiekrise wieder auf Kohle- und Atomenergie zurückgegriffen werden soll.

Angesichts dessen können sich die meisten Menschen in vielen Ländern aufgrund der steigenden Inflation nicht mal mehr das Essen, die Heizung oder das Dach über dem Kopf leisten. Währenddessen läuft die Rüstungsindustrie in Deutschland, die einen enormen Energieverbrauch aufweist, bei Rheinmetall und Airbus etc. auf Hochtouren.

Klar, dass man so die Hoffnung in bisherige Protestformen verliert. Die Zunahme an vermeintlich radikaleren Aktionen, wie den oben genannten spricht für eine tiefe Frustration und Verzweiflung vieler Aktivist:innen, die nun um jeden Preis versuchen einen Weg zu finden, um auf die Notlage des Klimas aufmerksam zu machen. So fragte eine Aktivistin in dem oben genannten Video: „Was ist mehr wert, Kunst oder Leben?“

Aber das Problem ist ja nicht, dass Leuten noch nicht klar wäre, dass die Klimakrise ein riesiges Problem darstellt. Seit Jahrzehnten warnt die Wissenschaft in Berichten und Forderungspapieren vor Umweltzerstörung und Klimaerwärmung durch die kapitalistische Produktionsweise.

Und das Problem ist auch nicht, dass Leute, die im Auto zur Arbeit fahren, aufgehalten werden müssen. Seit Jahren wird in Deutschland die dringend notwendige Verkehrswende durch hohe Ticketpreise und einen schlechten Ausbau des Bahnnetzes aufgehalten. Genauso wenig ist das Problem, dass Menschen ihr Konsumverhalten verändern müssen oder dass die Forderungen an die Regierung noch nicht laut genug gefordert wurden. Aber was ist dann das Problem?

Kapitalismus und Klimakrise

Viele Menschen, die die Notwendigkeit von drastischen Maßnahmen gegen die Klimakrise sehen, können sich diese Maßnahmen aber in Form von Reformen im kapitalistischen System vorstellen. Aber auch wenn sie zur Abwechslung mal durchgesetzt werden würden, würden keine Reformen der Welt, die im Kapitalismus durchsetzbar sind, die Klimakrise überwinden können. Der Kapitalismus als globales Wirtschaftssystem, das sich auf Kolonialismus und Umweltzerstörung zur Kapitalschöpfung aufgebaut hat, kann nicht umweltfreundlich oder grün werden, genauso wenig wie es gerecht und frei werden kann.

Ein globales Wirtschaftssystem, das auf immer weiteren Wachstum ausgelegt ist und dabei an allen möglichen Stellen absichtlich einen enormen Überschuss an Gütern produziert nur um die Profite Weniger zu erhalten und Unternehmen durch Profitzwang “zwingt” so billig und damit umweltschädlich wie möglich zu produzieren, kann die Klimakrise niemals überwinden. Messungen des Klimawandels bzw. der Erderwärmung gehen nicht zufällig vom Beginn des industriellen Zeitalters, also der Durchsetzung kapitalistischer Produktionsverhältnisse durch die industrielle Revolution aus.

Inzwischen hat sich dieses umweltzerstörerische Wirtschaftssystem so “weit” entwickelt, dass etwa 100 Konzerne für 70% der Emissionen verantwortlich sind. Gleichzeitig ist es in Deutschland besonders deutlich, dass es vor allem die wenigen reichsten Prozent sind, die so viele Emissionen wie die ärmsten 50% der Bevölkerung verursachen.

Der Kapitalismus im Zeitalter des Imperialismus führt in halb-/kolonialen Ländern, bereits seit Jahrzehnten zu Klimawandel-bedingten Umweltkatastrophen, während die Natur und der Boden dort weiter geplündert werden. Zur Not auch mithilfe von Kriegen und Militärinterventionen, beispielsweise um an Öl zu kommen.

Systemwechsel – Aber wer kann ihn durchsetzen

Vielen Menschen ist inzwischen bewusst, dass es nicht mehr weitergehen kann, wie bisher. Viele von ihnen sprechen sogar wie der letzte IPCC-Bericht von der Notwendigkeit eines “Systemwandels”. Aber was für ein System brauchen wir? Und wer kann es durchsetzen und ein neues System organisieren?

Umweltgruppierungen wie die “Letzte Generation” versuchen ihren Forderungen durch Aktionen des zivilen Ungehorsams, wie das Festkleben auf der Autobahn Ausdruck zu verleihen. Doch die vermeintlich “radikalen” Aktionen bedeuten weder Druck auf die Regierung, noch eine Stärkung der Klimabewegung. (Für viele Menschen die in den Autos zur Arbeit, nach Hause, ins Krankenhaus etc. wollen, ist das vielmehr einfach deplatziert)

Die einzigen, die realistisch durch ihre Rolle im Produktionsprozess die Macht haben, eine Durchsetzung von Maßnahmen zu erzwingen, sind die Arbeiter:innen, die nichts an der Aufrechterhaltung des status quo und alles in einer bedürfnisorientierten, umweltfreundlichen Produktionsweise zu gewinnen haben. So können Arbeiter:innen an den zentralen Stellen beispielsweise der Energiewirtschaft enormen Druck auf die Regierung auswirken, wie es gerade in Frankreich der Fall ist, wo Beschäftigte der Raffinerien nun seit einem Monat im Streik sind und die Regierung nun versucht hat unter Androhung von bis zu 6-monatiger Haftstrafe den Streik zu beenden.

Wenn die Klimabewegung eine Verbindung zu den Arbeitskämpfen im öffentlichen Nahverkehr suchen würde, wäre es möglich, gemeinsam mit den Beschäftigten ihre Lohnforderungen und eine bezahlbare Verkehrswende durch Streiks zu erkämpfen. Das könnte eine Entwicklung sein, die einen sozialen Kampf gegen den Klimawandel anschlussfähig machen kann.

Streiks gegen die Folgen der Energiekrise und für eine Umstellung des Energiesektors!

Die Inflation und die explodierenden Energiekosten stellen für große Teile der Bevölkerung bereits jetzt eine riesige Belastung dar. Viele von uns haben bereits Briefe über eine drastische Erhöhung der Energiepreise bekommen. Während Energiekonzerne Milliardengewinne machen, werden diese Kosten auf uns abgewälzt. Die “Entlastungspakete” der Regierung sowie der Gaspreisdeckel bedeuten für die meisten, insbesondere für Arbeitslose, Renter:innen, junge Menschen, alleinerziehende Mütter etc. beinahe keine Entlastung angesichts des Umfangs der Krise. Wie kann es sein, dass die Energiekonzerne Übergewinne machen und die Rüstungs- und Automobilindustrie fleißig Energie verbrauchen dürfen, während hunderttausende Haushalte nicht wissen, wie sie diesen Winter heizen sollen. Und wie kann es sein, dass die Bundesregierung so tut, als “müssten wir einfach alle den Gürtel bisschen enger schnallen.”

In einer Situation, wo die Rohstoffe knapp sind und die Energieversorgung alle Menschen nicht sichergestellt werden kann, sollte doch als allererstes die extrem energieaufwendigen, nicht essentiellen Produktionsbereiche der Wirtschaft bei vollem Lohnausgleich ausgesetzt werden, oder nicht?

Streiks gegen Inflation, wie am Hamburger Hafen haben es vorgemacht: Es braucht Streiks im Energiesektor gegen die Energie- und die Klimakrise. Es braucht die entschädigungslose Enteignung der Energiewirtschaft unter Arbeiter:innenkontrolle, damit in dieser Situation und auch zukünftig bedarfsgerecht und ökologisch produziert werden kann.

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