Streiks bei Bahn und Nahverkehr: Unternehmensverbände erheben skandalöse Forderung
Am Freitag streikten die Beschäftigten im Nah-, und Fernverkehr. Auch an den Flughäfen geht der Arbeitskampf weiter. Die Unternehmen versuchen indes die Streiks zu delegitimieren.
Am Freitag streikten die Beschäftigten bei der Deutschen Bahn sowie in 50 weiteren Bahn- und Busunternehmen nach Aufruf der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Zwischen 3 Uhr morgens und 11 Uhr standen vor allem Regional- und Fernverkehr sowie S-Bahnen im ganzen Land still, mit Auswirkungen bis in den Nachmittag hinein. Die zentrale Forderung der Gewerkschaft ist die nach 12 Prozent mehr Lohn, mindestens aber 650 Euro.
Am Freitag und Samstag gibt es auch an den Flughäfen Köln/Bonn, Düsseldorf, Hamburg, Stuttgart und Karlsruhe/Baden-Baden Streiks nach Aufruf durch ver.di. Die Tarifauseinandersetzungen bei den Flughäfen ziehen sich bereits seit Monaten, ohne dass ein Abschluss in Sicht wäre. Ver.di fordert unter anderem höhere Zuschläge für Arbeit in der Nacht, an Wochenenden und Feiertagen.
Schon am 27. März streikte der gesamte Verkehrssektor, zusammen mit Teilen des öffentlichen Dienstes (TVöD). Seit mehr als 30 Jahren hatte es keinen Streik mehr dieser Größenordnung und mit derart massiven Auswirkungen auf die Infrastruktur gegeben. Dies zeigt, dass die Beschäftigten angesichts der Inflation nicht bereit sind, sich mit Reallohnverlusten abzufinden.
Die Unternehmensverbände sind aktuell aber nicht bereit, auf die Forderungen einzugehen. Im öffentlichen Dienst legte die Schlichtungskommission einen Vorschlag vor, der für die vergangenen beiden Jahre Reallohnverluste und für dieses Jahr eine Nullrunde vorsieht. Skandalöserweise rief nun der Unternehmensverband AGV MOVE die EVG auf, für den Nah- und Fernverkehr den Schlichtungsvorschlag aus der TVöD-Runde zu übernehmen. Darin heißt es:
„Sie haben gemeinsam mit ver.di zu Tariflösungen aufgefordert und danach gemeinsam mit ver.di einen massiven Streik mit erheblichen Folgen durchgeführt. […] Wir sind bereit und darauf vorbereitet, im Rahmen unserer Tarifverhandlungen am 25. April 2023 mit Ihnen einen bahnspezifischen Abschluss zu vereinbaren, der sich in seiner materiellen Wirkung in wesentlichen Punkten am Schiedsspruch des öffentlichen Dienstes orientiert. Dies obwohl unsere Abschlüsse in den letzten zehn Jahren oberhalb des öffentlichen Dienstes lagen.“ (der ganze Brief findet sich unten)
Mit diesem Schreiben versuchen die Unternehmen, das Streikrecht zu delegitimieren und einen Abschluss deutlich unterhalb der von der EVG geforderten 12 Prozent zu erreichen. Die EVG darf sich nicht auf derlei Spielchen einlassen. Es ist notwendig, dass Nah- und Fernverkehr, Flughäfen und öffentlicher Dienst gemeinsam die Streiks fortsetzen, bis für alle Branchen ein Inflationsausgleich durchgesetzt wird. Es wäre ein fatales Signal, wenn die Gewerkschaftsführungen sich auf übereilte Abschlüsse einlassen und die anderen Sektoren isoliert weiter kämpfen müssten. Gerade angesichts der Forderung aus dem Finanzministerium von Christian Lindner, Einsparungen in Höhe von 20 Milliarden Euro an Ausgaben für Arbeit, Soziales und Familien vorzunehmen, braucht es eine koordinierte Gegenwehr der Gewerkschaften über die verschiedenen Bereiche hinweg. Es braucht Versammlungen in den Betrieben und von Streikdelegierten, um demokratisch über die weiteren Verlauf der Arbeitskämpfe zu entscheiden, damit die Gewerkschaftsführungen keine faulen Kompromisse eingehen.