Kita-Streiks: Wir brauchen Streikdemokratie statt Schlichtung!

14.06.2015, Lesezeit 5 Min.
1

// SOZIAL- UND ERZIEHUNGSDIENST: Nachdem die Beschäftigten vier Wochen gestreikt hatten, stimmten die Gewerkschaftsbürokratien am 4. Juni einer Schlichtung zu. Die KollegInnen befinden sich nun in der Friedenspflicht. Trotzdem geht der Kampf weiter, zum Beispiel bei Kundgebungen in Dresden, Hannover, Nürnberg und Köln am gestrigen Samstag. //

Vier Wochen waren sie im Streik, die ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen bei kommunalen Einrichtungen – dann stimmten die GewerkschaftsbürokratInnen einer Schlichtung zu und zwangen so die KollegInnen in die Friedenspflicht. Die ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen fordern nichts weniger als gesellschaftliche Anerkennung für ihre Arbeit.

Doch die GewerkschaftsbürokratInnen selbst verweigerten den Streikenden die ihnen zustehende Anerkennung – nämlich die der Entscheidungen der bundesweiten Streikdelegiertenversammlung. Die hatte bei ihrem ersten Zusammentreffen beschlossen, den Streik nicht auszusetzen, bis es nicht ein annahmefähiges Verhandlungsergebnis gäbe. Die Entscheidung zum Schlichtungsverfahren wurde dann sogar noch vor dem Zusammentreffen der Streikdelegiertenversammlung in Frankfurt getroffen – die versammelten KollegInnen erfuhren es aus den Medien oder wurden erst vor Ort informiert. Sie erkannten den Verrat auch als solchen an und machten unter anderem mit einem Plakat mit der Aufschrift „Wortbruch“ ihrem Ärger Luft.

Dabei ist das Angebot, mit der die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeber (VKA) auf die Forderungen der Gewerkschaften ver.di, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und des Beamtenbundes (dbb) reagierte, als solches im Grunde nicht ernst zu nehmen. Verbesserungen werden nur für ein paar wenige der rund 50 verschiedenen Tätigkeiten geboten – und selbst dort reichlich dürftige. In einem Blogeintrag schreibt eine Sozialarbeiterin: „Das ist kein Angebot, das ist freche Kackscheiße“.

Gerade die Bereiche, in denen es schwer ist, Druck durch Streik zu erzeugen, werden einfach außen vor gelassen: Street-WorkerInnen, BeraterInnen von Suchtkranken, SchwangerschaftskonfliktberaterInnen usw. bekommen überhaupt keine Verbesserungen angeboten. Und gerade deshalb wäre es wichtig gewesen, weiter zu streiken, um die Solidarität zwischen den verschiedenen Bereichen des Sozial- und Erziehungsdienstes zu demonstrieren. Entsprechend dem miserablen Angebot der „Arbeitgeber“ drückten am Rande der gestrigen Kundgebung in Dresden viele KollegInnen ihre Erwartung aus, dass nach der Schlichtung weiter gestreikt werden würde. Es bleibt also spannend, wenn die Schlichtungskommission am 22. Juni ihre Ergebnisse präsentiert.

Während in der Woche zuvor der ver.di-Vorsitzende Bsirske die Schlichtung noch mit der sinkenden Solidarität der betroffenen Eltern begründet hatte, wurde auf der Kundgebung die große Solidarität der Eltern immer wieder betont. Dabei ist Solidarität keine Naturgewalt, die man so oder so hinnehmen müsste, sondern sie muss aktiv organisiert werden. Um weiterhin streikfähig zu bleiben, müssen gerade jetzt Anstrengungen unternommen werden, die Forderungen der ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen bekannt zu machen und Unterstützung für sie zu sammeln – von den KollegInnen, aber auch von linken und gewerkschaftlichen Organisationen, in Universitäten, Schulen und Betrieb und vor allem bei betroffenen Eltern.

An der Kundgebung in Dresden nahmen auch die streikenden ArbeiterInnen von der Post und aus dem Einzelhandel teil. Denn sobald die ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen aufgehört hatten zu streiken, traten die ArbeiterInnen bei der Post in den Ausstand und wenige Tage später begannen Streiks im Einzelhandel. Für die Schlichtung mit „Arbeitgebern“, die sich kaum einen Millimeter bewegten, gab die Gewerkschaft also die Möglichkeit auf, Streiks in drei riesigen Sektoren zusammenzuführen, die den Alltag vieler betreffen.

Natürlich ist es zu begrüßen, wenn Streikende aus anderen Sektoren zu der Kundgebung der sich in Friedenspflicht befindenden KollegInnen des Sozial- und Erziehungsdienst mobilisiert werden. Aber eine gemeinsame Streikgelderfassung bedeutet noch keine Zusammenführung von Streiks. Es ginge vielmehr darum, gemeinsame Interessen auszumachen und einen gemeinsamen Kampfplan zu entwickeln. Daran hat die Gewerkschaftsbürokratie aber ganz offensichtlich kein Interesse, denn dies würde sich möglicherweise in eine Herausforderung der Regierung entwickeln – gerade bei dem sich immer noch zu 21 Prozent in Staatshand befindenden Konzern Deutsche Post und dem vom Staat finanzierten Sozial- und Erziehungsdienst.

Was es braucht, ist eine antibürokratische, kämpferische Strömung an der Basis der Gewerkschaften, die diesen Interessengegensatz offen kritisiert und die Bürokratie herausfordert. Mit der Entscheidung zur Schlichtung wurde sichtbar, wie schnell simulierte Streikdemokratie in offenen Verrat umschlagen kann. Wenn zu erwarten steht, dass die KollegInnen sich anders entscheiden würden, als von der Bürokratie erwünscht, entzieht sie ihnen einfach die Entscheidungskompetenz. Und damit zeigt sich einmal mehr die Notwendigkeit, eine echte Demokratisierung des Streiks gegen die BürokratInnen durchzusetzen.

Die ErzieherInnen und SozialarbeiterInnen bleiben weiterhin kämpferisch. Das ist ihnen hoch anzurechnen. Gerade jetzt brauchen sie unserer aller Unterstützung und Solidarität, um uns gemeinsam auf die Kämpfe, die da kommen vorzubereiten. Gemeinsam können wir der Gewerkschaftsbürokratie zeigen, dass die KollegInnen nicht durch einen faulen Kompromiss abzuspeisen sind.

Mehr zum Thema