Streikabbruch der GDL

21.05.2015, Lesezeit 7 Min.
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// BAHN: Nach dem längsten Streik der Geschichte der Deutschen Bahn AG vor zwei Wochen begann am vorgestrigen Dienstag der nächste Ausstand. Am heutigen Donnerstag wurde der Streik jedoch abgebrochen: Bis zum 17. Juni findet ein Schlichtungsprozess mit Friedenspflicht statt. //

Nach zunächst gescheiterten Verhandlungen zwischen der Deutschen Bahn (DB) und der Gewerkschaft Deutscher Lokführer (GDL) am vergangenen Wochenende begann am Dienstag im Güterverkehr und am Mittwoch im Personenverkehr die nächste Arbeitsniederlegung der LokführerInnen und des gesamten Zugpersonals. Die Gewerkschaft fuhr dabei schwere Geschütze auf: Zwar war der Streik nicht als unbefristet angekündigt, ein Ende des Ausstands wurde aber auch nicht festgelegt. Zudem erhöhte die GDL das Streikgeld auf 100 Euro pro Tag, um die Streikteilnahme noch einmal zu steigern.

Am heutigen Donnerstag kam aber wie aus heiterem Himmel die Ankündigung, dass der Streik ausgesetzt werde. Stattdessen werde nach Pfingsten ein Schlichtungsprozess beginnen, der bis zum 17. Juni angesetzt ist. Als Schlichter nominierte die Bahn den ehemaligen brandenburgischen Ministerpräsident und SPD-Vorsitzenden Matthias Platzeck, die GDL den thüringischen Ministerpräsidenten und hochrangigen Linkspartei-Politiker Bodo Ramelow. Während der Schlichtung gilt eine Friedenspflicht – weitere Streiks sind damit erstmal verboten.

Diese Ankündigung traf die Basis der GDL völlig unvorbereitet. Gemäß der schon immer intransparenten Verhandlungsführung der GDL-Spitze um Claus Weselsky erfuhren die streikenden KollegInnen die Neuigkeit der Schlichtung erst, nachdem die Entscheidung schon feststand. Ein kämpferischer Kollege sagte dazu, dass die Streikenden die Schlichtung für falsch hielten und die Entscheidung nicht nachvollziehen könnten. Einfluss auf die Verhandlungsführung haben sie aber nicht. Nun werden sie bis zum 17. Juni auf eine harte Geduldsprobe gestellt.

Ein historischer Streik

Dabei haben die KollegInnen der GDL bisher mit voller Entschlossenheit gekämpft. Vor Kurzem endete der längste Streik der 21-jährigen Geschichte der Deutschen Bahn AG, der fast eine Woche dauerte. Dem Unternehmen nach fuhr nur jeder zweite Zug, was einen großen ökonomischen Schaden nicht nur für die DB, sondern auch für die großen Automobil- und Chemiekonzerne bedeutete. Diese mussten auf andere Transportmittel umsteigen, auch wenn die Produktion nicht gestoppt werden musste und eine besondere Wichtigkeit auf die Einhaltung der Just-in-time-Produktionsketten gelegt wurde.

In seiner Härte ist der Kampf dabei einer der fortgeschrittensten Ausdrücke der aktuellen Streikwelle in Deutschland, gemeinsam mit dem Kampf der ErzieherInnen und dem Kampf bei Amazon. De facto verbinden sich dabei die wirtschaftlichen Forderungen wie Lohnerhöhungen und die Arbeitszeitverkürzung mit dem klar politischen Konflikt um das Streikrecht, das von der Regierung gemeinsam mit den KapitalistInnen und den regierungsnahen DGB-Gewerkschaften angegriffen wird. Die GDL-Führung hat sich jedoch bisher geweigert, diesen Konflikt auch genauso politisch zu führen und den Streik direkt und offensiv mit der Frage der Verteidigung des Streikrechts zu verbinden – eine Strategie, die auch eine tatsächliche Mobilisierung einer breiten Front gegen die Einschränkung des Streikrechts bedurft hätte.

Die Medien, die bürgerlichen Parteien und die KapitalistInnen allerdings haben diese politische Dimension von Anfang an in den Mittelpunkt gestellt. Nur so ist ihre große reaktionäre Kampagne zu erklären, welche die GDL und ihren Chef Claus Weselsky zu dämonisieren versuchte: von der Beschuldigung, dass „eine kleine Gruppe ein ganzes Land als Geisel nimmt“ bis zu Hitler-Vergleichen war so ziemlich jede Verleumdung und Beleidigung zu lesen.

Die Propaganda der Medien hat tatsächlich eine gewisse Abneigung in der Bevölkerung gegenüber dem Bahnstreik geweckt. Auf der anderen Seite gibt es aber eine mindestens genauso große Unterstützung, besonders aus den kämpfenden Sektoren der ArbeiterInnen und der Linken, die vollkommen verschwiegen wird. Auch innerhalb der Konkurrenzgewerkschaft EVG gibt es unter der Basis ein breites Verständnis für die Kampfmaßnahmen, da auch sie sich in den Tarifverhandlungen der Unnachgiebigkeit der DB gegenübergestellt sehen.

Was bringt die Schlichtung?

Die DB setzt auf Unnachgiebigkeit als Verhandlungsstrategie, um die GDL für die Streiks und die dadurch verursachten Probleme für die ArbeiterInnen und Jugendlichen verantwortlich zu machen. Sie hoffen auf die Erschöpfung der Streikenden und das Inkrafttreten des arbeiterInnenfeindlichen „Tarifeinheitsgesetzes“, das kleineren Gewerkschaften in einem Unternehmen das Streiken verbietet. Gerade vor dem Hintergrund ist die nun vereinbarte Schlichtung gefährlich, da sie eine weitere Mobilisierung der streikenden GDL gegen das „Tarifeinheitsgesetz“ verunmöglicht, welches am morgigen Freitag im Bundestag beschlossen werden soll.

Und auch die verantwortlichen Schlichter sollten skeptisch machen: Platzeck stand als brandenburgischer Ministerpräsident einer Kürzungsregierung vor und führte als SPD-Vorsitzender das „Erbe“ der Agenda 2010 weiter. Seine Parteigenossin Andrea Nahles ist federführend für das Tarifeinheitsgesetz verantwortlich. Und der Linkspartei-Ministerpräsident Bodo Ramelow, von vielen Linken in Deutschland aktuell mit großen Hoffnungen bedacht, schießt zwar verbal scharf gegen DB und gegen die Regierung. Doch im Bundesrat enthielt sich seine Regierung der Stimme in der Abstimmung um das Tarifeinheitsgesetz, um den Koalitionsfrieden mit der SPD zu wahren. Bei den Streiks im Öffentlichen Dienst und aktuell bei den ErzieherInnen äußerte er sich wiederholt kritisch gegenüber den „überzogenen“ Forderungen der KollegInnen.

Die Führung der GDL hat diesen Konflikt bisher nur so kämpferisch geführt, weil ihre eigene Existenz als Spartengewerkschaft auf dem Spiel steht. Doch die intransparente Verhandlungs- und Streikstrategie, die nun die KollegInnen mit der erzwungenen Schlichtung überrumpelt hat, wirkt bremsend. An der Basis der GDL wird die Notwendigkeit eines unbefristeten Streiks und der Zusammenführung der Kämpfe breit diskutiert.

Ungeachtet des aktuellen Schlichtungsprozesses ist es deshalb notwendig, nicht nur passiv abzuwarten, welche „Lösung“ vereinbart wird oder nicht, sondern die Solidaritätsaktionen fortzusetzen und somit Druck auf die VerhandlungspartnerInnen auszuüben. Die ArbeiterInnen müssen „Gewehr bei Fuß“ bleiben, wie es im Berliner Streiklokal hieß. Denn die KollegInnen der GDL haben nicht nur um ihre Forderungen gekämpft, sondern stellvertretend auch für das Streikrecht aller ArbeiterInnen in der BRD. Damit dieser Kampf nicht umsonst war, müssen nun weitere Aktionen nicht nur trotz, sondern gerade wegen der Friedenspflicht forciert werden.

Chronologie des Warnstreiks

1. Warnstreik am 1. September: drei Stunden im Personen- und Güterverkehr

2. Warnstreik am 6. September: drei Stunden im Personen- und Güterverkehr

1. Streik nach Urabstimmung am 7./8. Oktober: neun Stunden im Personen- und Güterverkehr

2. Streik am 15./16. Oktober: 14 Stunden im Personen- und Güterverkehr

3. Streik vom 17. bis 20. Oktober: 50 Stunden im Personenverkehr und 61 Stunden im Güterverkehr

4. Streik vom 6. bis 8. November: 64 Stunden im Personenverkehr und 75 Stunden im Güterverkehr

5. Streik vom 21. bis 23. April: 43 Stunden im Personenverkehr und 66 Stunden im Güterverkehr

6. Streik vom 4. bis 10. Mai: bislang längster Streik in der Geschichte der Deutschen Bahn AG – 127 Stunden im Personenverkehr und 138 Streikstunden im Güterverkehr

7. Streik vom 19. bis 21. Mai: 52 Stunden im Güterverkehr und 41 Stunden im Personenverkehr

21. Mai: Verkündung des Schlichtungsprozesses: Friedenspflicht bis 17. Juni.

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