Streik der Lehrer:innen in Berlin: Was denken wir Schüler:innen dazu?
Am Dienstag, den 17.10.22 gingen tausende von Lehrer:innen auf die Straßen, um für kleinere Klassen, kürzere Arbeitszeiten, und mehr Geld für Bildung statt fürs Militär zu streiken. Eine Beteiligung von Schüler:innen merkte man nur vereinzelt.
Nicht nur die Lehrer:innen sind von den überfüllten Klassen und schlecht bezahlten Stellen betroffen. Auch wir Schüler:innen merken stark die fehlende Aufmerksamkeit und brauchen Unterstützung für die Schulen von Seiten der Politik. Es ist schwer, sich in überfüllten Klassenräumen zu konzentrieren, und viele Schüler:innen werden fallen gelassen und vernachlässigt. Den Lehrer:innen ist es nicht möglich, jedem die individuelle und fördernde Bildung zu bieten, die er oder sie verdient, wenn sie selbst überarbeitet sind und sich fragen müssen, wie sie im Zuge der Inflation über die Runden kommen sollen. Genau deswegen, weil Schüler:innen und Lehrer:innen gleichermaßen von den Problemen im Schulsystem betroffen sind, sollten auch Schüler:innen sich dem Streik anschließen. Es muss eine Stimme für alle geben, die in diesem Schulsystem feststecken. Damit wir alle nicht nur widerwillig zur Schule oder Arbeit kommen und es nicht als stetige Belastung in unserem Alltag wahrnehmen. Auch für Mitschüler:innen, die keinen sicheren Halt in der Familie haben, sollte die Schule einen Ort der Unterstützung darstellen.
Durch die vielen Krisen, die unseren Alltag prägen, nimmt die psychische Belastung von Schüler:innen zu. Die Corona-Pandemie, der Ukrainekrieg, die Energiekrise, der Klimawandel und vieles mehr belasten alle Kinder oder Jugendlichen. Sozialarbeiter:innen sind zunehmend überfordert mit der Menge an Schüler:innen, die Hilfe dringend benötigen. So werden psychische Krankheiten oft gar nicht bemerkt oder ansonsten totgeschwiegen. Unter solchen Bedingungen kann Bildung nicht optimal übermittelt werden, und sie betreffen alle, die in der Schule arbeiten, seien es die Lehrer:innen, Schüler:innen, Sozialarbeiter:innen oder auch Putzkräfte und Sekretär:innen. Deswegen fordern wir: Es braucht einen gemeinsamen Kampf mit und für alle, die unter dem Schulsystem leiden!
Dieser Kampf kann allerdings nicht stattfinden, wenn alle getrennt voneinander streiken. Am 17.10 waren beispielsweise gar nicht alle Bereiche in den Streik der GEW eingebunden und zum Streik aufgerufen, da sie z.B. outgesourced und bei einem anderen Unternehmen angestellt sind. Wir Schüler:innen können und wollen als Jugend die Streiks unterstützen und mit anführen, um unsere Stimme laut zu machen.
Dabei geht es nicht nur darum, unsere Bildung zu sichern, die momentan zu großen Teilen aus der Schulung profitorientiert und leistungsorientiert zu denken und stupider Arbeit besteht. Die Bildung ist aktuell lediglich die Vorbereitung auf das Berufsleben im Kapitalismus. Wir brauchen ein Schulsystem, welches sich nach den Bedürfnissen von uns Schüler:innen orientiert, uns unterstützt und dazu befähigt, selbst wählen zu können, was wir lernen wollen.
Denn auch wenn die optimalen Bedingungen für jeden – Stichwort Chancengleichheit – zum Lernen bestehen würden, wären die politischen Krisen unserer Zeit nicht gelöst. Deswegen dürfen Streiks im Erziehungswesen sich nicht auf Forderungen nach den optimalen Lernbedingungen beschränken. Es braucht eine Politisierung des Kampfes im Erziehungssektor – für einen Kampf gegen die Inflation, Klimakrise und Krieg. Diese Krisen und Konflikte, die sich aktuell abspielen, lassen sich nämlich nicht trennen von der Arbeits- und Lebensrealität der Lehrer:innen und Schüler:innen. Wir sollen für unsere Arbeiten lernen, in dem Wissen, dass wenn wir nichts ändern, der Klimawandel große Teile der Menschheit und auch uns auslöschen könnte. Wir sollen Hausaufgaben machen, obwohl wir wissen, dass unsere Eltern (und unsere Lehrer:innen) Angst haben vor dem Winter und den explodierenden Energiepreisen. Wir sollen Vokabeln auswendig lernen, während der deutsche Staat weiter Waffen in alle Welt verschickt, mit denen Kinder getötet werden. Der Streik für bessere Arbeitsbedingungen und für ein besseres Bildungssystem hängt mit all diesen Krisen zusammen. Und anstatt uns die Mittel zu geben für kleinere Klassen, für mehr Personal, für bezahlbare Wohnungs-, Energie-, und Lebensmittelpreise, rüstet die Koalition aus SPD, FDP und den Grünen die Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro auf. Wir wollen aber keine neuen Panzer, sondern ein gutes Leben und eine gute Arbeit für uns und unsere Lehrer:innen.
Dafür gehen wir auf die Straße, nicht nur als Schüler:innen, sondern auch als Jugend, als Teil der Arbeiter:innenbewegung, die sich die hohen Preise nicht mehr leisten kann. Wir wollen gemeinsam mit ganz vielen anderen Teilen der Arbeiter:innenklasse gegen die Krise kämpfen. Wir glauben, dass es einen gemeinsamen Kampf verschiedener Sektoren braucht, in dem wir uns mit einem Programm gegen Krieg, Inflation und Krise gegen die Politik der Ampel stellen. Wenn Lehrer:innen, Schüler:innen, Gesundheitsarbeiter:innen, Metallarbeiter:innen und viele weitere gemeinsam auf die Straße gehen, können wir eine Kraft aufbauen, die die Angriffe von Regierung und Bossen auf uns abwehrt und endlich die Reichen und Konzerne für die Krise bezahlen lässt.