Streik der Krankenhaus-Azubis in Bayern
Wir haben die Krankenhaus-Azubis zu ihrer zentralen Streikkundgebung in Augsburg begleitet. Wofür sie kämpfen und warum ihr Streik politisch so wichtig ist, erfahrt ihr hier.
Heute streiken im Rahmen des Kampfes zum TV-L (Tarifvertrag der Länder) in Bayern etwa 300 Azubis aus unterschiedlichen Krankenhäusern. Zu den Kundgebungen in Augsburg und Würzburg haben sich dafür junge Beschäftigte vor allem aus den Universitätskliniken versammelt. Die Forderungen der Ver.di-Jugend umfassen eine Erhöhung der Ausbildungsvergütung um 100 Euro monatlich, 300 Euro mehr für alle, sowie die Fortschreibung von tariflichen Übernahmen und die Tarifierung von studentischen Beschäftigten an den Hochschulen und einen Fahrtkostenzuschuss zum Öffentlichen Nahverkehr.
Michi, der sein drittes Lehrjahr am Uniklinikum Augsburg zum Gesundheits- und Krankenpfleger macht, spricht bei der Kundgebung über seine Erfahrungen in der Pflege und betont die Notwendigkeit des Kampfes für mehr Personal. Seine Rede findet ihr hier online. Darin sagt er unter großem Beifall:
Was die Personalbesetzung der Pflegekräfte angeht, wissen wir alle, dass es einem geldgeilen profitorientierten Unternehmen egal ist, dass seine Beschäftigten seit Monaten am Limit arbeiten, Familie und Freizeit links liegen zu lassen, um bei der Arbeit halbwegs fit zu sein, oder jede Nacht schweißgebadet aufwachen, weil sie ein Beatmungsgerät pfeifen gehört zu haben glauben.
Im Rahmen der Kundgebung wurden auch politische Forderungen gestellt, wie die Abschaffung des sogenannten DRG-Systems (Fallpauschalen), das die Gesundheit und die Arbeitsbedingungen gnadenlos den Profiten unterordnet. Nico, Auszubildender vom Uni-Klinikum Regensburg, meint zu Klasse Gegen Klasse:
Man müsste das Gesundheitssystem an sich einfach verändern. Das DRG-System gehört abgeschafft. Krankenhäuser sollten nicht privatisiert werden, sondern in der öffentlichen Hand sein, und nicht gewinnorientiert laufen. (hier das ganze Interview online)
Ein großes Problem ist außerdem, dass durch die Personalnot zu wenig Zeit für die Ausbildung der Azubis ist. Im Streikaufruf von ver.di heißt es:
Dass der Fachkräftemangel insbesondere in der Pflege gravierend ist, hat der Ausbruch der Corona-Pandemie allen vor Augen geführt. ver.di erwartet deshalb, einen eigenen Verhandlungstisch für das Gesundheitswesen, an dem auch Auszubildende beteiligt werden sollen und eine Erhöhung der Löhne und Gehälter im Gesundheitsweisen um mindestens 300 Euro.
Dass die Qualität der Ausbildung leidet, hat auch Sarah feststellen müssen. Sie ist Auszubildende im dritten Ausbildungsjahr am Uniklinikum Augsburg und sprach auf dem heutigen Streik mit Klasse Gegen Klasse über den Alltag in der Pflege. Als Auszubildende würden sie oftmals mehr als Hilfskräfte behandelt statt tatsächlich ausgebildet. Sie unterstützt die Forderungen von ver.di in den Tarifverhandlungen, sagt aber auch: „Das Geld ist natürlich nicht alles. Ich möchte meine Patienten menschenwürdig behandeln können und Zeit für sie haben.“
Um die gewerkschaftlichen Forderungen durchzusetzen, aber auch um ein Gesundheitssystem zu erkämpfen, in dem tatsächlich Zeit für menschenwürdige Behandlung ist, muss der Streik weitergeführt und politisiert werden, besonders bezüglich der Frage der Personalnot an Krankenhäusern und der Corona-Politik der Regierung. In vielen der Redebeiträgen kam das Beispiel der Berliner Krankenhausbewegung zur Sprache, wo der Kampf für einen Entlastungs-Tarifvertrag (TV-E) nach wochenlangem Streik zum Erfolg geführt hat. Dort steht Beschäftigten, die auf unterbesetzten Stationen arbeiten müssen, nun beispielsweise mehr Freizeit zu. Diesem Beispiel gilt es nun aber auch tatsächlich zu folgen. Ansätze der Organisierung für einen TV-E, die zum Beispiel am Uniklinikum Augsburg bereits existieren, müssen ausgebaut werden. Nötig ist eine bundesweite Krankenhausbewegung für mehr Personal.
Die Streikenden und ihre Kolleg:innen in den Krankenhäusern wissen besser als die Politik, wie das Krankenhaus zu organisieren ist, und sollten auch darüber entscheiden können. Ein erster Schritt dahin wären Versammlungen, auf denen über den Streik und darüber hinaus politische Aktionen für das Gesundheitswesen diskutiert wird. Um mehr Kampfkraft aufzubauen, ist es dabei auch besonders wichtig, den Kampf mit Beschäftigten anderer Bereiche des Öffentlichen Dienstes gemeinsam zu führen.