Stoppt die Kriminalisierung der Proteste am 1. Mai! Freiheit für alle Aktivist:innen!
In der bürgerlichen Presse verurteilen Politiker:innen angefangen von CDU/CSU, über die SPD, bis hin zur Spitzenkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, die Proteste. Währenddessen müssen ca. 40 Demonstrant:innen in Berlin vor Gericht, drei davon sitzen in Untersuchungshaft. Wir fordern die sofortige Freilassung von allen Aktivist:innen, sowie die Einstellung jeglicher Ermittlungen!
Einiges war anders an diesem 1. Mai, der ganz im Zeichen der Coronakrise stand und trotzdem – oder gerade deshalb – mehr Teilnehmer:innen auf den verschiedenen Protestaktionen und Demonstrationen verzeichnete als erwartet. Die Vertreter:innen der Regierungsparteien aus Bund und Ländern stellen sich auf die Seite der Polizei und stigmatisieren die Proteste.
Die Berliner Polizei trat von Anfang an mit einer harten Linie auf und verzögerte so den geregelten Start des Demonstrations-Zuges, der von Neukölln aus bis zum Oranienplatz in Kreuzberg marschieren sollte. Bereits auf der Karl-Marx-Straße griff die Polizei unter Vorwand mangelnder Sicherheitsabstände brutal ein und löste die Demonstration nach und nach auf. Hunderte Festnahmen (laut Polizei 354), Verletzungen durch Pfefferspray und Knüppel und das Verhindern von Einhaltung der Sicherheitsabstände durch das Festhalten der Polizei waren die Folge dieses unverhältnismäßigen Vorgehens gegen das Versammlungsrecht.
Laut unseren Informationen sitzen drei Menschen weiterhin in Untersuchungshaft; insgesamt werden 39 Festgenommene vor Gericht gestellt. Wir fordern die sofortige Freilassung aller Aktivist:innen, sowie die Einstellung jegliche Ermittlungen!
Pro-zionistische und bürgerliche Hetze gegen migrantischen Block
Die “revolutionäre 1. Mai-Demonstration” wurde in diesem Jahr von der Migrantifa mit einem internationalistischen und anti-imperialistischen Block angeführt, der den staatlichen Rassismus der Festung Europa und des deutschen Imperialismus anprangerte, der in der ganzen Welt an Kriegen beteiligt ist und in Deutschland selbst Migrant:innen, Geflüchtete und People of Color der Kriminalisierung, Verfolgung und Prekarisierung aussetzt.
Bereits vor der Demonstration wurde der Migrantifa-Block und die gesamte Demonstration von pro-zionistischen und anti-deutschen Kräften für seine Solidarität mit dem Kampf der Palästinenser:innen gegen Besatzung und Verfolgung angegriffen. Obwohl die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch diese Politik vor kurzem als „Apartheid“ verurteilte, diente die Palästina-Solidarität diesen Kräften einmal mehr als Vorwand, den von migrantischen Organisationen geprägten Block zu kriminalisieren.
Die Gleichsetzung der Kritik an der Besatzungspolitik des Staates Israel mit Antisemitismus erfolgte in der Aussage der Grünen-Fraktionschefin Antje Kapek: „Wir verurteilen außerdem die Israelfeindlichkeit und den Antisemitismus, den einige Demonstrant*innen gezeigt haben.“ Dabei ignoriert sie die Tatsache, dass auch verschiedene jüdische Organisationen in dem Block für die Verbindung des Kampfes gegen Antisemitismus und Rassismus im Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus eintraten.
Berliner Senat rechtfertigt Polizeigewalt
Wie selbstverständlich wurde die Polizeigewalt von der korrupten CDU/CSU und der neoliberalen FDP gedeckt. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU Berlin Burkard Dregger sprach realitätsfern von der „schlimmste[n] Nacht der Gewalt seit vielen Jahren“, als wäre der rechte Terror in Hanau und dutzende rassistische Attentate nie geschehen. Dregger machte erneut deutlich, dass sich die Union im Wahlkampf um das Rote Rathaus als „harte Hand“ gegen soziale und demokratische Proteste stilisiert. Auch der FDP-Sprecher Paul Fresdorf sprach sich für mehr Polizeigewalt aus: Die „fast folklorischen Demonstrationen und Randale“ seien „nicht hinnehmbar“.
Auch wenn diese Parteien in Berlin keine direkte Verantwortung für das Vorgehen der Polizei haben, bereiten sie mit derartigen Aussagen das Klima für mehr Repression vor und stehen in Bund und Ländern für die Ausweitung der Kompetenzen der Polizei zur Kontrolle und Verfolgung. Nicht ohne Grund gingen die Aussagen der Polizeipräsidentin Barbara Slowik und des stellvertretenden Bundesvorsitzenden der rechten Vereinigung „Gewerkschaft der Polizei“, Jörn Radek, in die gleiche Richtung.
In der klassischen Manier der Spaltung der Proteste argumentierte der Berliner Innensenator Andreas Geisel (SPD), der für die Räumung zahlreicher linker Kneipen und die Schikane gegen die Anwohner:innen der Rigaer Straße verantwortlich ist, „die hässlichen Bilder aus Neukölln dürfen nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Menschen in Berlin insgesamt friedlich und verantwortungsbewusst demonstriert haben.“ Dass die ihm unterstehende Polizei für die „hässlichen Bilder“ der Gewalt selbst verantwortlich war, ignorierte Geisel und stellte die 20.000 Demonstrierenden unter Generalverdacht: „Es hat Abends bei dieser Demonstration vom Hermannplatz beginnend von Anfang an den Willen gegeben, gewalttätig zu sein.“
Zudem unterstellt Geisel den Teilnehmer:innen der Demonstration, die Corona-Auflagen nicht erfüllt zu haben, obwohl es die Polizei war, welche die Demonstrierenden auf dem Hermannplatz festhielt und später in einer Straßenenge mit Repression begann. Im Gegensatz zur Polizei hielten sich jedoch alle Protestierenden an die Maskenpflicht. Von Seiten der Organisator:innen gab es ständige Hinweise auf die bestehenden Sicherheitsvorschriften. Doch während sich die Polizei bei Corona-Leugner:innen immer wieder gegen ein hartes Eingreifen entschied, wurde beim Protest von Migrant:innen, Arbeiter:innen und Jugendlichen keinen Augenblick gezögert.
Ähnlich ihrem Koalitionspartner äußerten sich auch die Grünen und verteidigten die Polizeirepression. Die Grünen-Fraktionschefin im Berliner Abgeordnetenhaus, Antje Kapek, diskreditierte den Protest mit der Aussage: „Wer glaubt, mit brennenden Mülltonnen auf der Sonnenallee für eine bessere Welt zu kämpfen, irrt.“ Auch die Spitzenkandidatin der Grünen, Annalena Baerbock, schwieg zur Polizeigewalt und verurteilte die Protestierenden: „Barrikaden anzuzünden und gewaltsam auf Polizistinnen und Polizisten loszugehen, ist kriminell und in keinster Weise akzeptabel.“
Die Repression der Polizei macht erneut deutlich, wie der rot-rot-grüne Senat seit Jahren gegen soziale Proteste für bezahlbaren Wohnraum, gegen Abschiebungen und gegen Zwangsräumungen vorgeht. Die Aussagen von Baerbock und Co. zeigen, dass sich daran auch mit einer grün-schwarzen oder grün-rot-roten Regierung auf Bundesebene nichts ändern wird. Im Gegenteil stehen alle Parteien des Regimes für eine Stärkung des Repressionsapparates.
Im Gegensatz zu ihren Koalitionsparteien im Berliner Senat schwieg die Führung der Berliner Linkspartei bisher zu Polizeigewalt und der brutalen Beendigung der 1. Mai Demonstration. Ihnen ist die Regierungsbeteiligung und die Posten im Senat scheinbar wichtiger als eine Verurteilung der Repression. Diese Kapitulation macht deutlich, dass durch eine Regierungsbeteiligung der Linkspartei keine Abkehr von Polizeigewalt und -schikane zu erwarten ist.
Wir fordern die Freilassung aller Aktivist:innen, die Einstellung aller Ermittlungen und Gerichtsverfahren und die Bildung eines unabhängigen Untersuchungsausschusses seitens migrantischer Organisationen, antirassistischer Initiativen und Gewerkschaften. Dieser Ausschuss soll ein Organ der Selbstorganisierung sein und sich unabhängig von dem Staat und der Regierung bewegen. Alle Einsatzpläne der Polizei müssen im Vorfeld offengelegt werden. Die politische Verantwortung für die brutale Polizeigewalt liegt beim Rot-Rot-Grünen Senat. Wir fordern, dass die Verantwortlichen zurücktreten!