Stoppt der SPD-Zwergenaufstand die GroKo?

17.01.2018, Lesezeit 4 Min.
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Ein Teil der SPD um die Jusos rebelliert gegen die neuerlich bevorstehende Große Koalition. Sollten sie sich durchsetzen, hätte das unabsehbare Folgen. Wie wahrscheinlich ist es, dass sie damit durchkommen?

Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt ist selten um polarisierende Worte verlegen. Nach seiner Forderung einer „konservativen Revolution“ bezeichnete er die ablehnende Haltung eines Teils der SPD gegen ein neue GroKo als „Zwergenaufstand“, den der SPD-Chef Martin Schulz in den Griff bekommen müsse. Seine despektierlich formulierten Worte treffen einen Kern: Eine kleine Minderheit stellt sich gegen den Parteiapparat der SPD. Dieser versucht die Rebellion im Keim zu ersticken, um die Neuauflage der GroKo nicht zu gefährden.

Die Kräfteverhältnisse stehen für Schulz

An vorderster Front der GroKo-Gegner*innen stehen der Jugendverband Jusos mit ihrem Vorsitzenden Kevin Kühnert sowie einige etwas linkere Teile der SPD wie die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis. Die Landesverbände Berlin und Sachsen-Anhalt haben sich bereits gegen die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen eingesetzt, wobei diese Abstimmungen keinen bindenden Charakter für den Parteitag am 21. Januar haben werden. Schon 2013 wollten die Jusos eine schwarz-rote Bundesregierung verhindern – mit geringem Erfolg. Beim Mitgliederentscheid stimmten 76 Prozent für die Regierungsbildung. Von den 475.000 Mitgliedern hatten 78 Prozent ihre Stimme abgegeben. Damals war der SPD-Vorstand um Sigmar Gabriel gestärkt aus der Abstimmung hervorgegangen.

Auch diesmal scheinen die Kräfteverhältnisse gegen die GroKo-Gegner*innen zu laufen: Der wichtigste Landesverband kommt aus Nordrhein-Westfalen mit 144 von 600 Delegierten. Dessen Landesvorsitzender Michael Groscheck steht hinter der GroKo. Der Niedersächsische Landesverband mit 81 Delegierten, der von Stephan Weil angeführt wird, stimmte bereits für die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Die ebenfalls wichtigen Verbände in Hessen und Bayern wollen Nachbesserungen. Eine grundlegende Opposition ist aber nicht zu erwarten. Dagegen bleiben die 60 bis 90 Delegierten der Jusos sowie die beiden Verbände aus Sachsen-Anhalt (sechs Delegierte) und Berlin (23 Delegierte), bisher deutlich in der Minderheit.

Und trotzdem gab es damals entscheidende Unterschiede. 2013 konnte die SPD in den Verhandlungen mit dem Mindestlohn durchaus ein Zugeständnis erwirken, von dem sie diesmal ein gutes Stück entfernt ist. So hat sie in den Sondierungen ein paar Euro mehr für Pflege, Bildung oder für Angestellte bei der Krankenversicherung rausgeholt. Zudem die Möglichkeit für Arbeiter*innen von Betrieben mit mehr als 45 Angestellten, für eine befristete Zeit die Arbeitszeit verkürzen zu können. Ein paar soziale Korrekturen, aber kein echtes Vorzeigeprojekt. Die neue Regierung wäre eine in weiten Teilen unveränderte Fortsetzung der Merkelschen Politik.

SPD-Apparat setzt auf Passivität der Basis

Ein weiterer Unterschied zu 2013: Damals saß die SPD-Führungsriege etwas fester im Sattel. Die Nominierung von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten, die noch nicht einmal ein Jahr her ist, war ein Versuch des Apparates, mit einem neuen Gesicht die Zweifel aus Basis und Wähler*innenschaft zu besänftigen, ohne dafür eine andere Politik zu fahren. Der kurzzeitige Schulz-Hype war ein Ausdruck davon, der sich aber mit dessen Lüge, für eine GroKo nicht zur Verfügung zu stehen, mittlerweile in sein Gegenteil verkehrt hat. Das schon länger bestehende Problem der SPD, das Fehlen von glaubwürdigen Führungsfiguren, vertieft sich weiter.

Mit dieser Schwierigkeit sind aber auch die parteiinternen Gegner*innen der GroKo konfrontiert. Bisher gelang es ihnen nicht, prominente Gegenspieler*innen zur Führung von Schulz, Gabriel und Steinmeier aufzubauen. Der Jusos-Vorsitzende Kevin Kühnert, der aktuell als Sprachrohr der No-GroKo-Kampagne eine große mediale Präsenz erfährt, hat noch nicht die nötigen Verbindungen knüpfen können, um die Stimmung ernsthaft herumzureißen. Zudem hat er das Problem, keine Alternative präsentieren zu können: Ein Nein zur GroKo und dann? Neuwahlen könnten der SPD umso mehr schaden und die AfD profitieren lassen.

Ein Argument, das auch die Mehrheit bei der SPD-Mitgliederbefragung, die am Ende der wahrscheinlichen Koalitionsverhandlungen per Briefwahl vorgenommen wird, überzeugen könnte. Die Passivität der Basis machte es 2013 der Parteiführung ein leichtes, sie auf ihre Seite zu ziehen. Auch wenn die Mehrheit ein vages Unbehagen gegen ein weiteres Mal Schwarz-Rot empfindet, so hat sie doch keine Stimme und keine Führung, die dieses Gefühl vertiefen könnte. Das wahrscheinlichste Szenario bleibt daher, dass auch dieses Mal die GroKo wieder durchkommt, einhergehend mit einer weiteren Demoralisierung und Passivierung der Basis – eine Strategie, die dem Parteiapparat vorübergehend die Macht sichert, aber dessen Grundlage stetig weiter erodieren lässt.

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