Steht Frankreich vor einem Massenstreik, der die Regierung besiegen kann?
Millionen streiken in Frankreich gegen die Erhöhung des Rentenalters. Ein Gespräch über die Hintergründe der Bewegung, ihre Stärken und Schwächen – und darüber, wie sie zum Generalstreik werden kann.
An dieser Stelle veröffentlichen wir für die Leser:innen von Klasse Gegen Klasse ein Interview mit Romaric Godin, Wirtschaftsjournalist bei Mediapart und Autor des Buches La guerre social en France („Der soziale Krieg in Frankreich“, 2019, 2022) und Juan Chingo, Mitglied der Leitung von Révolution Permanente und Autor des Buches Gilets Jaunes. Le soulèvement – Quand le trône a vacillé („Die Gelbwesten. Der Aufstand – Als der Thron wankte“, 2019). In einem ausführlichen Gespräch, das zuerst am vergangenen Sonntag bei Révolution Permanente erschien, erörtern sie die wichtigsten Themen der aktuellen Bewegung gegen die von der Regierung Macron in Frankreich vorangetriebene Erhöhung des Renteneintrittsalters. Sie analysieren die Rolle der Gewerkschaften, den Bedarf an Organisation und Diskussion an der Basis sowie die Debatten, die in der Arbeiter:innenbewegung im Vorfeld des Generalstreiks am 7. März geführt wurden.
Das Gespräch führte Marina Garrisi für RP Dimanche am 27. Februar.
Révolution Permanente: Wie lässt sich die Unnachgiebigkeit Macrons bei der aktuellen Rentenreform erklären? Ist sie als ein „Alles-oder-nichts“-Schritt eines Präsidenten zu sehen, der weiß, dass er ohnehin nicht wiedergewählt werden kann, oder gibt es eher strukturelle Gründe?
Romaric Godin: Ich bin mir nicht sicher, ob die Tatsache, dass er sich nicht zur Wiederwahl stellt, in diesem Fall ein entscheidender Faktor ist. Was er in den letzten sechs Jahren aufgebaut hat, geht über ihn als Person an der Spitze des Elysée hinaus. Ich für meinen Teil sehe zwei Gründe.
Der erste ist wirtschaftlicher Natur. In meinem Buch La guerre sociale en France („Der soziale Krieg in Frankreich“) versuche ich genau zu erklären, warum es seit 2010 zu härteren Kämpfen der sozialen Bewegungen gekommen ist. In den Jahren 1986 und 1995 musste die Regierung jeweils vor Protesten zurückweichen. Die Rentenreform von 2003 war relativ „moderat“. Im Jahr 2010 entsprach die soziale Bewegung fast dem, was wir heute kennen, mit 1,3 Millionen Menschen auf der Straße, Verkehrsblockaden; aber die damalige Regierung Fillon-Sarkozy war entschlossen, sie trotzdem durchzusetzen. Was zwischen 1995 und 2010 geschah, war eine Evolution des französischen Kapitalismus.
Betrachtet man die Entwicklung des Neoliberalismus in Frankreich, so lassen sich zwei Etappen erkennen. In den 1970er und 1980er Jahren, der so genannten „Sparwende“, gab es Reformen, die sich auf den Finanzsektor und auf Privatisierungen konzentrierten, aber die Arbeitswelt nicht direkt betrafen. Seit 2010 wird die Arbeitswelt direkt angegriffen, durch die durchgesetzten Rentenreformen und die Arbeitsmarktreformen von 2015, 2016 und 2017. Und das trotz einer starken sozialen Mobilisierung mit Massendemonstrationen und Verkehrsblockaden. Nach der Krise von 2008 befand sich der französische und globale Kapitalismus in einer strukturellen Krise. Für die Verteidiger:innen des Lagers des Kapitals war es schwieriger, Zugeständnisse zu machen. Um es klar zu sagen: Gegenüber der Arbeiter:innenklasse haben die Kapitalist:innen in den vergangenen Jahrzehnten keine grundlegenden Rückschritte gemacht. Aber angesichts einer sozialen Bewegung haben sie verschiedene Handlungsmöglichkeiten gefunden, um die Profitrate aufrechtzuerhalten, die in den letzten fünfzig Jahren aufgrund des strukturellen Produktivitätsrückgangs unter starkem negativem Druck stand.
Der Rückgang des Produktivitätswachstums in den letzten fünfzig Jahren ist eine Tatsache. Angesichts einer solchen Situation haben die Kapitalist:innen keine 150 Lösungen. Zunächst einmal gibt es das fiktive Kapital, die Finanzialisierung und die Verschuldung, aber das System selbst hat 2008 erkannt, dass es nicht mehr so weitergehen kann. Das Wachstum der Finanzsphäre ist unabhängig von der produktiven Sphäre und hängt von der Geldpolitik ab: Es ist ein zusätzlicher Druck auf das Kapital. Hinzu kommt die Globalisierung, der die Luft ausgeht: China versucht, aus der Rolle herauszukommen, die ihm die internationale Arbeitsteilung in den Achtziger- und Neunzigerjahren gegeben hat, und es gibt auch die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Covid. Die Verlängerung der Arbeitszeit ist die dritte Lösung: Es kann sich um eine Verlängerung der täglichen Arbeitszeit, eine Verlängerung der Lebensarbeitszeit, eine Erhöhung des Arbeitstempos, eine Senkung des Stundensatzes unter Druck usw. handeln. All dies wirkt sich auf die Struktur und die Regulierung des französischen Arbeitsmarktes aus, und das war es, was die Balladur-Reform 1993 in Angriff nehmen wollte. Aber vor allem seit 2010 hat die Regierung ihre Position verhärtet und will keine Zugeständnisse mehr an die soziale Bewegung machen.
Zweitens: Warum waren die Regierungen von 1986 und 1995 politisch in der Lage, angesichts der sozialen Bewegung Kompromisse einzugehen und Niederlagen hinzunehmen? Auch wenn der Links-Rechts-Wechsel [die Abwechslung von Konservativen und Sozialdemokrat:innen an der Regierung, A.d.Ü.] weitgehend fiktiv ist, setzte er die damalige Regierung unter Druck und zwang sie, die soziale Bewegung als Bedrohung für künftige Wiederwahlen zu betrachten – auch wenn diese Zugeständnisse in den meisten Fällen Wahlniederlagen nicht verhindern konnten.
Was gibt der Regierung Macron heute, nach fünfzehn Jahren Krise, von der das Land erschöpft ist, Selbstvertrauen? Im politisch immer mehr geeinten Lager des Kapitals herrscht die Vorstellung vor, um es mit den Worten von Edouard Philippe [ehemaliger Premierminister, A.d.Ü.] zu sagen, dass „dies [die Rentenreform, A.d.Ü.] durchkommen wird“. Und warum wird sie durchkommen? Weil die Konfrontation mit der extremen Rechten bei jeder Wahl dazu führt, dass ihr die Verteidigung der Demokratie entgegengehalten wird. Das Lager des Kapitals beruft sich auf das Prinzip des kleineren Übels. Das erklärt zwar nicht das Jahr 2010, aber es änderte 1986, 1995 und 2003 die Situation: Die Gefahr eines – wenn auch fiktiven – Machtwechsels setzte den Platz des Volkes an der Macht aufs Spiel. Dies ist nun nicht mehr der Fall.
Wenn man heute in der Opposition ist, kann man leicht in der zentralen Mehrheit recycelt werden, die, um es kurz zu machen, der Macronismus ist. Nicht umsonst ist es der Arbeitsminister Olivier Dussopt [bis 2017 Mitglied der Sozialistischen Partei, A.d.Ü.], der dem Projekt der Rentenreform sein Gesicht gibt. Er kommt aus einem Sektor, der 2012 eine schwere Niederlage erlitten hat und im Lager der Gewinner recycelt wurde. Diese Art von Zentralität gibt die Gewissheit, dass sie immer fortbestehen wird, während sie mit dem nicht mehr geringen Risiko spielt, dass die extreme Rechte an die Macht kommt. Neu ist, dass die soziale Bewegung genutzt wird, um alles zu verteufeln, was links von Olivier Dussopt steht, und das ist eine ganze Menge. Selbst die eher reformorientierte Linke hat das republikanische Lager verlassen, was den Macronist:innen die Möglichkeit gibt, sich direkt der extremen Rechten gegenüberzustellen. Das ist die perfekte Situation für sie. Alle fünf Jahre müssen sie sich nur zwei Wochen lang als republikanisches Bollwerk präsentieren, und so geht es endlos weiter. Natürlich besteht das Risiko, dass es schief geht, aber das ist ihre Strategie.
Juan Chingo: Ich teile die strukturelle Erklärung von Romaric. Ich mache die gleiche Analyse. Mit der Krise 2008 wurden wir Zeuge einer Radikalisierung der bürgerlichen Klasse in Frankreich. Während der Chiraquismus [von Jacques Chirac, Präsident 1995-2007, Vertreter der klassischen gaullistischen Rechten, A.d.Ü.] für die eifrigsten Sektoren der Bourgeoisie gleichbedeutend mit Unbeweglichkeit und dem Ausbleiben von Reformen war, können wir davon ausgehen, dass das erste Moment dieses ökonomischen Bruchs und der Hinwendung zu einem eher bonapartistischen Regime Nicolas Sarkozy war. Dies zeigt Stathis Kouvelakis in seinem Buch La France en révolte, mouvements sociaux et cycles politiques („Frankreich in der Revolte. Soziale Bewegungen und politische Zyklen“). Der Bruch ist dort entstanden.
Trotz dieser Radikalisierung der Bourgeoisie muss festgestellt werden, dass es ihr noch nicht gelungen ist, ihren neoliberalen Plan bis zum Ende durchzusetzen. Die französische Bourgeoisie würde gerne mehr erreichen und sieht sich im Vergleich zu anderen imperialistischen Ländern (insbesondere Deutschland) im Rückstand. Im Rahmen eines bonapartistischen Regimes ist es kein Zufall, dass eine der ersten Maßnahmen von Nicolas Sarkozy darin bestand, das Streikrecht zu „regulieren“, indem er Mindestdienstleistungen vorschrieb. In der Zeit von Chirac wirkte neben der Links-Rechts-Abwechslung auch die Tendenz zur Mobilisierung, die wir 1995 oder 2006 mit dem CPE [Gesetzentwurf zur Flexibilisierung der Arbeit, A.d.Ü.] gesehen hatten, wie eine Art Erinnerung an das Trauma von 1968. Mit der Verhärtung des eigenen Lagers geht die Bourgeoisie nicht nur das Risiko der extremen Rechten ein, sondern auch das einer größeren Gewalt zwischen den Klassen. Das Auftauchen der Gelbwesten, ihre Radikalisierung und die Verschärfung der Repression sind kein Zufall. Wenn wir auf 1968 zurückblicken, gab es noch die Angst vor der Straße. Das war 2003 nicht mehr der Fall, denn die CFDT-Gewerkschaftszentrale bremste die Bewegung aus. Diese Niederlage war sehr kostspielig für die Arbeiter:innen des Bildungssektors, die immer noch darüber sprechen. Es ist faszinierend zu sehen, dass nach dem Tod von Chirac alle um diese „Sympathiefigur“ des französischen Kapitalismus trauerten. Obwohl er korrupt und offen neoliberal war, neigte er dazu, soziale Konflikte nicht ausufern zu lassen. Unter Sarkozy wurde die neoliberale Wende härter und tiefer. Raymond Soubies [ehemaliger Berater von Ex-Präsident Sarkozy, A.d.Ü.] Rat an Marcon, der auf seinen erfolgreichen Erfahrungen im Jahr 2010 beruht, ist klar: Stell dich den Mobilisierungen auf der Straße entgegen.
Was die aktuelle Krise betrifft, so findet sie in einem internationalen Kontext verschärfter Konkurrenz statt, die den französischen Kapitalismus in Schwierigkeiten bringt. In diesem Sinne glaube ich, dass der Krieg in der Ukraine auch eine Rolle bei der Verhärtung der französischen Bourgeoisie spielt. Im Gegensatz zu einer früheren Periode, in der es die Illusion einer friedlichen Entwicklung zwischen den imperialistischen Mächten gab, zeigt die Erhöhung des Verteidigungshaushalts, dass dies nicht mehr der Fall ist. Dies ist in ganz Europa zu beobachten, auch in Deutschland, und der Druck auf Frankreich nimmt zu. Wir bewegen uns also auf einen Kapitalismus zu, der die Militarisierung verstärkt – die in Frankreich bereits sehr stark ausgeprägt ist –, wie die Reform des UNS [Freiwilliger Zivil- und Wehrdienst, der für Jugendliche wieder verpflichtend werden könnte, A.d.Ü.] zeigt.
Der wirtschaftliche und geopolitische Kontext verändert sich: Dies ist offensichtlich in den strategischen Überlegungen des Staates präsent, auch in finanzieller Hinsicht (man bedenke, dass Frankreich ein hoch verschuldetes Land ist). Der internationale Status Frankreichs ist mit der Frage verknüpft, ob es sich reformieren wird oder nicht. In einer Zeit des verschärften Wettbewerbs mit Deutschland, das kürzlich auch eine militärische Wende vollzogen hat, ist die französische Bourgeoisie international destabilisiert. Diese Elemente sind wichtig, weil sie zeigen, dass die Radikalisierung des Macronismus nicht nur eine ideologische Frage ist. Wäre dies der Fall, dann gäbe es einen möglichen Kompromiss. Außerdem sind die Gewerkschaftsführer:innen der Meinung, dass es immer noch möglich ist, über ein Thema wie die Renten eingehend zu verhandeln, was aus ihrer Sicht ihre Strategie rechtfertigt. Ich für meinen Teil glaube – und ich denke, in diesem Punkt sind wir uns einig –, dass die Radikalisierung der Macht strukturelle Ursachen hat und dass wir aus strategischer Sicht die Konsequenzen daraus ziehen müssen.
Godin: Ja, wenn die Macht radikalisiert ist, dann nicht, weil ein Verrückter an der Spitze steht. Das ist nicht die Frage. Wir müssen wissen, warum die Regierung sich radikalisiert und warum sie sich weigert, Kompromisse einzugehen oder eine Niederlage zu akzeptieren. Das ist der Unterschied zu 1986 und 1995: Damals waren in der wirtschaftlichen und sozialen Geschichte Frankreichs noch Kompromisse möglich.
RP: In euren jeweiligen Artikeln sprecht ihr beide von einer strategischen Sackgasse, um die aktuelle Situation der Bewegung zu charakterisieren. Könnt ihr erklären, was ihr damit meint, und was eurer Meinung nach die aktuelle Bewegung von den jüngsten Erfahrungen des Klassenkampfes unterscheidet?
Chingo: Wenn wir es allgemein betrachten, müssen wir uns daran erinnern, dass Frankreich seit 1995 immer an der Spitze des Widerstands gegen die neoliberale Offensive der Thatcher- und Reagan-Linie stand. Zu dieser Besonderheit des französischen Klassenkampfes kommt die gerade erwähnte Radikalisierung der Bourgeoisie hinzu, die den neuen Zyklus der Klassenkämpfe, der 2016 begann, besonders interessant macht. Seitdem hat sich das Repertoire des Klassenkampfes in Frankreich zu einem Laboratorium des Klassenkampfes entwickelt, wie es im 19. Jahrhundert und später der Fall war. Wir können also kurz die Etappen dieses neuen Zyklus durchgehen, um zu verstehen, wie wir zur aktuellen Situation gekommen sind:
Im Jahr 2016 hatten wir die Entwicklung der „cortèges de tête“ [spontane und teils gewaltsame Demonstrationsblöcke außerhalb der Kontrolle der Gewerkschaftsführungen, A.d.Ü.] und ein Gefühl der Müdigkeit gegenüber diesen klassischen Demonstrationen vom Place de la Nation bis zur Bastille beobachtet. Die Nuit-Debout-Bewegung drückt den Wunsch aus, „nicht nach Hause zu gehen“, und wir sehen, wie eine Art Antikapitalismus Gestalt annahm. Anasse Kazib zum Beispiel spricht oft darüber, wie er sich zu dieser Zeit radikalisiert hat.
2018 war die große Schlacht der Eisenbahner:innen. Ich erinnere mich, dass es unter den Eisenbahner:innen große Aufregung und Entschlossenheit gab, aber die „Perlenstreiks“ [an denen die Streiktage stets von Arbeitstagen unterbrochen wurden, A.d.Ü.], die Arbeit nach Vorschrift – die Strategie, die von den Gewerkschaftsführungen, insbesondere von Laurent Braun von der CGT, vorgeschlagen wurde – führten zur Niederlage.
In den Jahren 2018 und 2019 erlebten wir den Aufstand der Gelbwesten. Die Bewegung war nicht mehrheitlich und die wichtigsten Bataillone der Arbeiter:innenbewegung, die CGT und die CFDT, stellten sich gegen die Bewegung, bis hin zur Unterstützung des Staates gegen die Gelbwesten. Die Bewegung war spontan und passte nicht in die offiziellen Organisationen. Der Staat reagierte auf sie mit extremer Gewalt, was zu einer Radikalisierung der Gelbwesten führte, nicht nur in ihrem politischen Bewusstsein, sondern auch in ihren Aktionsmethoden. Und dieses Gespenst ist auch heute noch präsent, nicht nur für die Massen, sondern auch für die Machthaber:innen.
Im Jahr 2019 konnten wir einige Phänomene der „Gelbwestisierung“ der Arbeiter:innenklasse beobachten: zum Beispiel bei der RATP [der städtischen Verkehrsgesellschaft von Paris und Umgebung, A.d.Ü]. Es sei daran erinnert, dass es die Belegschaft der RATP war, die den 5. Dezember 2019 zum Beginn eines unbefristeten Streiks machte, der mehrere Wochen andauerte. In diesem Kampf um die Renten im Winter 2019/2020 haben wir einige Elemente der Selbstorganisation gesehen, wie die Koordinierung zwischen den Beschäftigten der RATP und denen der SNCF, die die Bewegung während der Weihnachtsferien gegen den von den Gewerkschaftsführungen verteidigten „Waffenstillstand“ aufrechterhalten hat. Aber auch wenn wir den längsten verlängerbaren Streik in der Geschichte des Transportsektors hatten, konnte er, von einigen Ausnahmen abgesehen, nie auf andere Sektoren verallgemeinert werden.
In jüngerer Zeit haben wir eine Reihe von Lohnstreiks erlebt. Diese Phänomene sind wichtig, bestehen weiter und könnten mit dem laufenden Kampf um die Renten verbunden werden.
Indem wir den Verlauf dieses Kampfzyklus nachzeichnen, zeigen wir einen Prozess der Festigung und des Aufbaus einer neuen Subjektivität der Arbeiter:innen auf, zumindest in Bezug auf die Methoden des Kampfes. Dies ist ein enormer Stützpfeiler, der es uns ermöglicht, die heutige Entschlossenheit und das Bewusstsein zu verstehen, dass wir „alles geben“ müssen, um zu gewinnen. Die heutige Massenbewegung zieht, mehr oder weniger bewusst, die Lehren aus den Bewegungen der letzten Jahre. Darüber hinaus ist es interessant festzustellen, dass, auch wenn die Regierung nach vier historischen Tagen der Mobilisierung unnachgiebig bleibt, es keine Demoralisierung gibt, sondern vielmehr das Bewusstsein, dass es notwendig ist, für alles zu kämpfen. Und unter diesem Gesichtspunkt wird der 7. März ein historischer Tag sein.
Der Artikel, den du, Romaric, in Mediapart geschrieben hast, ist unter diesem Gesichtspunkt interessant, weil er zeigt, dass die Perspektive des Generalstreiks nicht nur Gegenstand einer Diskussion unter Intellektuellen oder Journalist:innen ist, sondern in erster Linie von der Bewegung selbst ausgeht. Auf indirekte Weise und trotz der Schwäche der revolutionären Linken zieht die Massenbewegung Lehren aus den Kampferfahrungen der letzten Jahre. Das ist überraschend und birgt ein großes Potenzial. Nach dem 7. März werden wir sehen, ob die Bewegung einen weiteren Schritt nach vorne macht und ob eine neue Dynamik in Gang kommt.
Godin: Ich finde es interessant, dass du diese Entwicklung der Massenbewegungen so hervorhebst. Was das Neue an dieser Bewegung im Vergleich zu früheren Erfahrungen angeht, so denke ich, dass das erste Element die Radikalisierung der Macht ist, wie bereits gesagt wurde. Im Jahr 2010 gab es große Demonstrationen, aber sie schlugen keine Wurzeln, sie kamen nicht voran, die Reform wurde verabschiedet und die Bewegung kam zum Stillstand. Jetzt haben wir das Gefühl, dass etwas anders ist. Man kann sich vorstellen, dass es Hoffnung auf eine Art Kompromiss gibt, solange das Parlament die Reform nicht verabschiedet. Aber wir sehen, dass es eine natürliche Verhärtung nach einer Phase der Massenmobilisierung gibt. Andererseits denke ich nicht, dass wir diese erste Phase geringschätzen sollten, die zweifellos notwendig war, um die Mobilisierung der öffentlichen Meinung zur Kenntnis zu nehmen und diese allgemeine Opposition umzusetzen. Jetzt haben wir das Gefühl, dass die Menschen zu dem Schluss gekommen sind, dass dies nicht ausreicht und dass mehr getan werden muss. Das ist etwas ganz Neues, das in den Rahmen dessen fällt, was du unterstrichen hast, Juan, nämlich dass wir uns seit 2016 in dieser Bewegung des Massenkampfes befinden, wie Rosa Luxemburg sagen würde.
Einer der interessanten Punkte ist die Organisation der sozialen Bewegung, das heißt der Gewerkschaften. Sie haben zu diesen Mobilisierungen aufgerufen und die soziale Bewegung hat auf diese Aufrufe reagiert. Und auf dieser Ebene ist die große Neuheit diese starke gewerkschaftliche Einheit. Bisher war die Einheit der Gewerkschaften nicht sehr deutlich, aber jetzt sehen wir, dass es nur sehr wenige Mittel gibt, um Gewerkschaften wie die CFDT, aber auch die CGC, die CFTC, die in der sozialen Bewegung sind und die sich für eine Form der Verhärtung einsetzen, aus dem Bild zu verdrängen. Man kann ihre Linie unterschiedlich interpretieren und zum Beispiel die Ansicht vertreten, dass sie keine andere Wahl haben, weil sie sonst von ihrer Basis überrollt werden würden. Unter diesem Gesichtspunkt muss man an das denken, was während der Weihnachtsferien passiert ist: ein wilder Streik der SNCF-Kontrolleur:innen, der die Gewerkschaften überwältigt hat und den sie noch im Gedächtnis haben. Mit anderen Worten, es gibt eine Dynamik in dieser Bewegung, die die Gewerkschaftsorganisationen dazu bringt, die Bewegung nicht aufzugeben und nichts anderes tun zu können als weiterzumachen. Das ist wichtig genug, um berücksichtigt zu werden. Ich bin mir nicht sicher, ob die CFDT-Führung zu Beginn der Bewegung bereit war, zu den Blockaden aufzurufen, aber sie wurde durch die interne Dynamik der Bewegung dazu gezwungen. Und da die Macht auf der anderen Seite in keiner Weise nachgibt, muss man eine Stufe höher gehen, wenn man will, dass sie sich bewegt. Das ist kein Vorgriff auf das, was am Ende passieren wird, aber es ist eine Besonderheit dieser Bewegung. Und das ist auch verständlich, wenn man bedenkt, was du gesagt hast, insbesondere im Hinblick auf die Bewegung der Gelbwesten. Sie war damals keine Bewegung, die sich aus der Organisation der Arbeit, der Lohnabhängigen, entwickelt hat, aber sie markierte einen Punkt im Klassenkampf in Frankreich durch die Repression, die sie erlitten hat, durch ihre Organisation, durch die Tatsache, dass die Menschen in der Bewegung politisiert wurden, durch die Tatsache, dass sie eine eigene Dynamik hatte und dass sie die Macht erschreckte. Trotz aller Niederlagen der Vergangenheit ist es eine ziemlich komplexe Alchemie: Die Menschen sind von allen Niederlagen der Vergangenheit gezeichnet, aber gleichzeitig zeigt die Erfahrung der Gelbwesten, dass etwas möglich ist, wenn wir unsere Stimme erheben.
Der letzte Punkt zu den Besonderheiten der Bewegung betrifft die Frage der Arbeit. Im Jahr 2019 wandte sie sich gegen eine umfassendere Rentenreform, die in mancher Hinsicht fast noch heftiger war als das aktuelle Projekt. Der Unterschied besteht heute darin, dass die Menschen angesichts von zwei weiteren Jahren bis zum Renteneintrittsalter fragen: „Warum?“ Dies führt unmittelbar zu Überlegungen wie: „Warum arbeite ich, was ist der Sinn meiner Arbeit, wie kann ich weiter arbeiten, wie werde ich es tun? Ich leide im Moment unter meiner Arbeit, kann ich noch zwei Jahre durchhalten?“ Das wirkt sofort ansteckend. Diese Reform entfacht das Feuer, indem sie eine Frage zur Lohnarbeit aufwirft, die völlig verschwunden war. Und hinter dieser Frage verbirgt sich, wenn wir ein wenig nachhaken, die Frage „Wie produzieren wir, warum, für wen?“ Und dahinter stellen sich andere Fragen. Die Klimakrise zum Beispiel ist auch eine Frage der Produktion. Diese Bewegung hat also die Fähigkeit, eine viel breitere Kritik zu üben als nur eine Abwehrbewegung gegen einen Angriff auf den Wohlfahrtsstaat. Was ich heute interessant finde, ist dieses Potenzial, die Bewegung zu erweitern. Diese Alchemie kann mit all den Überraschungen stattfinden, die soziale Bewegungen mit sich bringen können.
Chingo: In der Tat müssen wir feststellen, dass die Radikalisierung der Bourgeoisie und der Regierung mit einer Radikalisierung der Demonstrant:innen einhergeht. Um auf das zurückzukommen, was du über die Gewerkschaften gesagt hast: Es stimmt, dass die CFDT nicht zum ersten Mal an der Intersyndical [einer Koordinierungsinstanz der Gewerkschaftsführungen, A.d.Ü.] teilnimmt, aber was neu ist, ist ihre zentrale Stellung und ihr enormer Einfluss. Das ist bezeichnend für die Abläufe: Die Tatsache, dass eine Persönlichkeit wie Laurent Berger [Generalsekretär der CFDT, A.d.Ü.], der zum sozialen Dialog neigt, gezwungen werden kann, zu einer Blockade in Frankreich aufzurufen, wenn auch nur für 24 Stunden, sagt etwas über die Situation aus. Wir müssen diese Situation ernstnehmen, vor allem im Hinblick auf bestimmte Sektoren, die in der Vergangenheit Probleme hatten und heute zu Recht misstrauisch sein können. Ich denke da zum Beispiel an die Eisenbahner:innen, die RATP-Beschäftigten oder die Raffineriearbeiter:innen, die in den letzten Jahren an der Spitze der Bewegungen gestanden haben. Die positive Seite ist, dass sie nicht die Einzigen sein wollen, die streiken. Die negative Seite ist, dass man die Entschlossenheit haben muss, zu streiken. Aber Tatsache ist, dass Berger und die Intersyndical gezwungen sind, zum Streik aufzurufen, gezwungen von oben durch die Radikalisierung von Macron und der Bourgeoisie, aber auch gezwungen von unten, durch den Druck der Massenbewegung. Dies ist der stärkste und gleichzeitig schwächste Punkt der Bewegung. Denn ein Generalstreik erfordert mehr als jede andere Form des Klassenkampfes eine klare, entschlossene Führung, um es kurz zu sagen, eine revolutionäre Führung. Und von einer solchen Führung ist in der französischen Arbeiter:innenklasse im Moment keine Spur, und sie wird auch nicht sofort gebildet werden.
Nach dem 7. März wird es einen starken Druck von Seiten der Intersyndical und insbesondere von Berger und den versöhnlicheren Sektoren geben, die derzeitige Dynamik der Politisierung der Forderungen zu stoppen, die Forderungen nicht zu erweitern, sich darauf zu beschränken, sich nicht mit der Reform zu befassen, usw. Die Herausforderung wird sein, ob es möglich ist, diese Situation zu überwinden. Um noch einmal auf Luxemburg zurückzukommen: Der Generalstreik kann nicht angeordnet werden. Er ist ein historischer Moment und eine Explosion der Massenbewegung, die auf niemanden wartet. In diesem Sinne legen die Situation und die Subjektivität nahe, dass es zu einem Massenstreik kommen könnte. Aber wir müssen sehen, dass es Elemente gibt, die dieser Dynamik entgegenstehen. In dem Maße, in dem die soziale Bewegung gestählter ist, in dem Maße, in dem die Zivilgesellschaft eine wichtigere Rolle spielt, kann die Bürokratie der Gewerkschaftsorganisationen trotz der neoliberalen Offensive und der Krise der zwischengeschalteten Stellen ein Hindernis für diese Dynamik sein.
RP: Könnt ihr näher erläutern, was ihr mit „Politisierung“ der aktuellen Bewegung meint und welche Schlussfolgerungen ihr daraus in Bezug auf die Strategie zieht?
Chingo: Das ist in der Tat eine Besonderheit der aktuellen Bewegung. In dem ersten Artikel, den ich über den Prozess geschrieben habe, habe ich diesen Charakter der Bewegung hervorgehoben, der eher eine politische Konfrontation als eine konkrete Forderung aufweist und der meiner Meinung nach ein großes Potenzial besitzt.
Eine der Grenzen des Kampfes um die Renten 2019/2020 war die Schwierigkeit für die mobilisierten Sektoren, die den Streik fast zwei Monate lang aufrechterhielten, den Kampf auf diejenigen auszuweiten, die nicht direkt von der Abschaffung der Sonderrentenregeln betroffen waren. Dies ist in der Tat eine entscheidende Frage, mit der eine Reihe von Bewegungen bisher konfrontiert war: Wie kann man, ausgehend von den strategischen Sektoren, eine breitere Front in Bezug auf Forderungen und mobilisierte Sektoren aufbauen? Es ist kein Zufall, dass zum Beispiel die Gelbwesten einen langen Forderungskatalog hatten.
Wenn wir heute mit den prekärsten Sektoren sprechen, stellen wir fest, dass diese Arbeiter:innen gegen die Anhebung des Rentenalters sind, aber sie sprechen auch über Inflation, Armutslöhne usw. Diese Themen sind ein integraler Bestandteil dessen, worüber in vielen Sektoren diskutiert wird. In diesem Sinne ist es interessant zu sehen, wie die Intersyndical sie politisch behandelt. Sie benutzen die Inflation als Ausrede, um zu sagen, dass die ärmsten Sektoren nicht streiken können, und schlagen stattdessen Demonstrationen an Samstagen vor. Ich denke, dass diese Strategie ein Fehler ist und dass die Frage eher lauten sollte, wie man die Forderungen ausweiten und einen Massenstreik vorbereiten kann, der alle erreicht. Wenn die derzeitige Bewegung auf die Lohnfrage ausgeweitet würde, wäre die proletarische Front stärker. Warum sollten wir uns auf die Frage der Reformen beschränken und nicht die Frage der Lohnskala ansprechen, die Gegenstand vieler aktueller Lohnkonflikte ist? Wir sehen, dass es diese Dynamik der Ausweitung gibt und dass einige sich darauf vorbereiten, am 7. März zu streiken, um die Rente mit 60 für alle zu fordern, 55 für die härtesten Jobs, und um sektorale Forderungen zu den Löhnen hinzuzufügen. Das sagen zum Beispiel die Müllarbeiter:innen von Sète.
Um aus einer defensiven Bewegung herauszukommen, bedarf es eines Kampfplans und breiter angelegter Forderungen, die die Klasse vereinen. Das ist es, was die Gewerkschaftsführungen um jeden Preis vermeiden wollen. Im Gegensatz zu dem, was Berger sagt, glaube ich, dass die am meisten verarmten Teile unserer Klasse streiken können, wenn sie sehen, dass etwas auf dem Spiel steht und eine Perspektive besteht. Wenn sie sehen, dass es auch nur den Ansatz einer Dynamik gibt, die die Situation verändern kann, könnten sie in den Kampf eintreten, auch mit der Methode des Streiks. Die am schlechtesten bezahlten und prekärsten Beschäftigten werden sich nicht an einer zaghaften Bewegung beteiligen, aber sie können in einen großen Kampf eintreten, wenn sie eine ernsthafte Entschlossenheit erkennen. Die strategische Logik, die ich vertrete, ist also das Gegenteil der von Berger (und der Intersyndical) vertretenen.
Godin: In der Tat, diese Politisierung ist bereits vorhanden. Ich denke, die Frage ist heute nicht wirklich diese Reform, sondern wie sich diese Bewegung entwickeln wird und was wir danach mit ihr machen werden. In dieser Hinsicht stimme ich dir zu: Die Gewerkschaften befinden sich aus dem einen oder anderen Grund – weil die einen die gewerkschaftliche Einheit wahren wollen, weil die anderen an der Trennung zwischen sozialer Bewegung und Politik festhalten – in einer Logik der Nicht-Politisierung. Sie konzentrieren sich ausschließlich auf die Rentenreform. Aber sie werden sich rechtfertigen müssen. Wenn die Forderung nach Rücknahme der Reform aufrechterhalten wird und die Reform trotzdem nicht zurückgezogen wird, werden sie erklären müssen, wie wir mit einer so starken sozialen Bewegung, mit einer Dynamik, die sich ausweitet, wie du gerade erklärt hast, mit einer Bewegung, die sich mit dem vermischt, was von den Gelbwesten übriggeblieben ist, vereint mit der Bewegung für die Löhne, wie wir mit all dem nichts erreichen konnten. Sie sind diejenigen, die diese Strategie anführen. Irgendwann werden wir also Bilanz ziehen müssen.
Die Schwierigkeit der gegenwärtigen Bewegung besteht im Gegensatz zu anderen großen Momenten in der Geschichte der Arbeiter:innenbewegung darin, dass es keine Partei gibt, die die Bewegung organisiert, die Massen politisch anführt und zu ihrer Ausbreitung beiträgt. In gewisser Weise ist die soziale Bewegung sich selbst überlassen, was eine enorme Schwäche darstellt. Wir wissen, dass wir die Rücknahme dieser Reform nicht erreichen werden, indem wir einfach die Rücknahme dieser Reform fordern. Die Bourgeoisie ist so radikalisiert, dass sie nicht nachgeben wird, selbst wenn sie im ersten Quartal 2023 0,2 Prozentpunkte des BIP verlieren sollte. Das ist nicht so, oder nicht mehr so. Die Bourgeoisie ist bereit, diese 0,2 BIP-Punkte zu verlieren, sogar 0,3 oder 0,5, denn es steht mehr auf dem Spiel: alle Formen des Widerstands zu brechen und die Arbeitswelt zu disziplinieren und danach viel mehr zu gewinnen und ihre Macht zu erhalten. Das ist es, was wir verstehen müssen, und ich denke, dass heute eine wachsende Zahl von Menschen beginnt, dies zu tun.
Aber wenn wir mit einer Machtfrage konfrontiert sind, dann deshalb, weil wir mit einer politischen Frage konfrontiert sind. Die Intersyndical wird mit diesem Widerspruch konfrontiert sein: Wir kämpfen für eine politische Frage, ohne die Bewegung politisieren zu wollen. Entweder akzeptieren wir also die Niederlage, weil wir nicht wollen, dass es so weit kommt – oder wir spielen das Spiel, was nicht heißt, dass wir nicht verlieren können, aber wir können auf jeden Fall gewinnen und vor allem etwas aufbauen. Die große Schwierigkeit ist, dass dieser Aufbau der sozialen Bewegung innerhalb der sozialen Bewegung selbst erfolgen muss. Und wir haben einen weiten Weg zurückgelegt: Viele von denen, die bereit sind, am 7. März in den Streik zu treten, haben an früheren sozialen Bewegungen nicht teilgenommen oder sind desillusioniert gegangen, einige haben vielleicht an François Hollande, Emmanuel Macron oder sogar Nicolas Sarkozy geglaubt. Diese Menschen können vor Ort und im Kampf lernen, und genau in diesem Sinne hat die Bewegung ein großes Potenzial. Aber wir müssen den Weg zu diesem Kampf öffnen. Denn wenn es nur einen Tag des Kampfes am 7. März gibt, wird er begrenzt sein… Die Herausforderung besteht darin, ihn fortzusetzen.
RP: Ihr beide vertretet den Generalstreik als strategische Hypothese für den Sieg. Wie unterscheidet sich diese Perspektive von Vorschlägen wie dem „unbefristeten selektiven Streik“ oder Aufrufen zur „Blockade der Wirtschaft“?
Godin: Ich denke, wir müssen der Logik des Stellvertretertreiks ein Ende setzen, das heißt einer Logik, in der es den Sektoren, die die Wirtschaft blockieren können, obliegt, zu streiken, während die anderen sie unterstützen, ihnen im Fernsehen zusehen oder Geld in ihre Streikkasse einzahlen. Wir gehen von einer Bevölkerung aus, die in Bezug auf das Protestgefühl vor dieser Reform fast bei Null anfängt und wo alles noch aufgebaut werden muss. Das Schlimmste wäre, diesen Teil der aktiven Bevölkerung in einer passiven Position zu halten, in der sie nur zusieht, wie andere für sie streiken. Wir unterstützen die Streikenden in den Meinungsumfragen, aber irgendwann gehen sie uns „auf die Nerven“: Da wir keinen Strom, kein Benzin und keine Züge mehr haben, können wir nicht in den Urlaub fahren oder die U-Bahn benutzen. Das ist die Strategie einer alten Welt.
Die Frage ist nun: Wie können wir die Subjektivität aufbauen, von der Juan spricht, eine große soziale Bewegung, die nicht rein defensiv ist? Indem wir aus der Passivität herauskommen, indem wir ein Akteur in der sozialen Bewegung und im Streik sind und indem wir darüber nachdenken, was wir jeden Tag tun. Man kann einen Teil der Lohnabhängigen verunglimpfen, indem man meint, dass es sich um „Bullshit-Jobs“ handelt, die zu nichts taugen. Das mag sein, aber diese Jobs haben im derzeitigen kapitalistischen Wirtschaftssystem eine Funktion. Wenn die Menschen aufhören zu arbeiten, werden sie darüber nachdenken, was ihre Funktion in der globalen Wirtschaft ist. Wir stellen also fest, dass nicht nur Raffineriearbeiter:innen oder Eisenbahner:innen eine Funktion in der Wirtschaft haben. Vor allem, weil die so genannten essentiellen Sektoren eine wirtschaftliche Auswirkung haben, die vom System zurückverfolgt werden kann. Wir müssen also die Bewegung innerhalb der Lohnabhängigen verbreitern, die Forderungen ausweiten. Wir können uns den Luxus eines Stellvertretertreiks nicht leisten.
Vor allem, weil es die Frage der Macht ist, nicht des Geldes, die das System bedroht. Dies ist ein Aspekt, über den wir uns in der sozialen Bewegung oft etwas vormachen. Wir selbst befinden uns in dieser Art von Wirtschaftsfetischismus, der darin besteht, zu sagen: „Wir werden die Wirtschaft lahmlegen und alles wird stillstehen“. Aber im März 2020 haben wir die Wirtschaft lahmgelegt und nichts ist still gestanden. Und als sie wieder anlief, ging alles wieder los wie vorher. Natürlich haben die Produzent:innen Macht. Aber nur, wenn wir die Macht über die Produktion übernehmen. Ansonsten sind wir nur entfremdete Produzent:innen in unserer eigenen Produktion. Damit bewegen wir uns auf grundlegende Fragen zu: die Trennung zwischen dem Produzenten und seinem Produkt. Der Streik ermöglicht eine Reflexion über diese Frage der Trennung.
Diese Bewegung ist großartig, weil sie uns erlaubt, auf die Radikalisierung des gegnerischen Lagers zu reagieren. Ich denke, dass du zu Beginn unserer Diskussion sehr gut darauf hingewiesen hast: Der Generalstreik, der Massenstreik, ist nicht das Ergebnis einer Laune, sondern geht von einer objektiven Realität aus, von einer allgemeinen Unzufriedenheit. Die objektiven Bedingungen dieser sozialen Bewegung haben heute ein interessantes Potenzial für den Aufbau von etwas Größerem. Vielleicht wird dieses Potenzial in der gegenwärtigen Bewegung nicht verwirklicht werden. In diesem Fall kann die gegenwärtige Bewegung ein Grundstein für die Zukunft sein. Vorausgesetzt, wir hören auf, die Strategie der Passivität zu akzeptieren, die die Strategie der früheren sozialen Bewegungen war.
Chingo: Ich stimme dir zu, dass wir keine binäre Alles-oder-Nichts-Vision haben sollten. Mit der derzeitigen Führung der Bewegung können wir nicht darauf wetten, dass wir die Widersprüche der Massenbewegung auf einmal lösen werden. Aber selbst im Falle einer Niederlage der Forderungen kann diese Bewegung eine Rolle für die Zukunft spielen, und das ist der Punkt, an dem wir eine Rolle spielen können – ich spreche aus meiner Position als Aktivist in einer revolutionären politischen Organisation. Wir können eine Rolle spielen in dem Sinne, dass wir die entschlossensten Elemente der Subjektivität maximal entwickeln, so dass sie konkret werden, wenn auch nur an einigen Stellen. Zum Beispiel durch die Organisation echter Vollversammlungen am 7. März, damit die Arbeiter:innen die Kontrolle über den Streik übernehmen und den Gewerkschaftsführer:innen die Entscheidung entreißen. Das könnte entscheidend sein, zumal der Mangel an Selbstorganisation eine der größten Schwächen der Bewegung ist.
Auch aus diesen Gründen bin ich gegen die Aussicht auf einen Stellvertreterstreik: In Wirklichkeit wird an dem Tag, an dem sich diese verarmten Sektoren in Bewegung setzen, das heißt die am stärksten Betroffenen, die vom kapitalistischen System unterdrückt werden, die politische und sogar potenziell revolutionäre Energie der Bewegung aufgrund ihrer Wut und ihrer Kreativität notwendigerweise um das Zehnfache zunehmen. Dies ist ein strategisches Problem für diesen Streik, aber auch für die Überlegungen zur Revolution in Frankreich. Allein die Tatsache der neoliberalen Reformen und der Verhärtung der letzten dreißig Jahre zwingt uns dazu, das Trennende in unserer Herangehensweise zu überwinden. Heute machen die Eisenbahner:innen zum Beispiel zehn Prozent des Güterverkehrs aus. Unter diesem Gesichtspunkt ist es unmöglich, das Land zu blockieren, ohne sich an die Lastwagenfahrer:innen zu wenden. In ähnlicher Weise wird viel über die Raffinerien gesprochen, über ihre strategische Rolle, was auch richtig ist, aber das reicht nicht aus, weder aus politischer Sicht noch aus rein taktischer und pragmatischer Sicht, wenn wir die Wirtschaft wirklich blockieren wollen. Andererseits gibt es einige Schlüsselsektoren wie die Telekommunikation und die Postdienste, die 1995 eine Schlüsselrolle spielten, die heute durch Abwesenheit glänzen. Es ist eine Herausforderung, sie wieder auf Kurs zu bringen.
Aus all diesen Gründen ist die „Taktik“ des stellvertretenden Streiks gefährlich für die Zukunft der Bewegung, denn sie ist nicht nur unzureichend, um das Land wirklich zu blockieren, da sie sich mit den so genannten „traditionellen“ Sektoren begnügt und andere ignoriert, sondern sie ist auch unzureichend in der Perspektive einer massiven und vor allem explosiven Mobilisierung. Um die routinemäßige Dynamik der Gewerkschaften zu verändern, muss man sich auf die Suche nach neuen Bataillonen der Arbeiter:innenklasse machen, insbesondere nach den am meisten Ausgebeuteten, und sich damit gegen die Slogans der Gewerkschaftsführungen stellen. Die am stärksten konzentrierten Sektoren des Proletariats stehen vor der Herausforderung, Verbindungen zu diesen Sektoren herzustellen. Wenn sie die Bedeutung dieser Verbindungen verstehen, sind die Möglichkeiten enorm. Im Gegenteil wird ein Generalstreik, der nicht in die Breite geht und sich auf einige wenige Sektoren beschränkt, die Flanke für die Propaganda der Bourgeoisie öffnen und, selbst wenn er das normale Funktionieren der Wirtschaft stört und Auswirkungen auf das tägliche Leben hat, keinen Sieg erringen können. Vergessen wir nicht, dass sich die Intersyndical 2010 nicht gegen die sektoralen Streiks gestellt hat, sondern sie stattfinden ließ, ohne zu versuchen, sie zu stärken, und sie schließlich mangels einer Alternative aussterben ließ.
Es geht also nicht nur um die Frage der „Wirksamkeit“ des Streiks, sondern auch um die Frage, wie man die Massen dazu bringen kann, den Staat und die Bosse zu unterwerfen, und zwar im Sinne einer politischen Strategie. Der Generalstreik kann sich nicht nur auf einige wenige Bataillone stützen, insbesondere wenn er mit einer radikalisierten Bourgeoisie konfrontiert ist. Im Klassenkampf ist es die Masse, die zählt, und diese Masse gewinnt man, indem man zeigt, dass dieser Kampf die Lebens- und Arbeitsbedingungen aller tiefgreifend verändern kann. Heute sind die Voraussetzungen dafür gegeben, dass eine große Bewegung stattfinden kann. Es bleibt abzuwarten, inwieweit sich dieses Potenzial mit der derzeitigen Führung und angesichts der Schwäche einer alternativen Führung entfalten kann.
Godin: Ich finde die Situation in der Tat besonders interessant, gerade weil die so genannten strategischen Sektoren nicht alleine kämpfen wollen, und die anderen, die am stärksten von der kapitalistischen Ausbeutung betroffen sind, nicht alleine kämpfen können. In gewisser Weise ist dies eine Chance. In diesem Zusammenhang wäre der beste Weg, die Bewegung zu brechen, zu behaupten, dass wir nur eine Handvoll Sektoren brauchen. Außerdem ist zu bedenken, dass 80 Prozent der französischen Wirtschaft im tertiären Sektor angesiedelt sind und dass es sich bei den meisten dieser Dienstleistungen um so genannte marktbestimmte Dienstleistungen handelt, das heißt um solche, die dem entsprechen, was allgemein unter dem Begriff „Bullshit-Job“ verunglimpft wird. Dieser Sektor, der im Allgemeinen ignoriert wird, wenn von Streiks die Rede ist, ist jedoch in Wirklichkeit massiv und sogar hauptsächlich an der Wertschöpfung auf dem Markt beteiligt. Daher können wir nicht so tun, als gäbe es ihn nicht, und wir müssen diese Veränderungen in der heutigen Organisation des französischen Kapitalismus berücksichtigen. Ich glaube, dass wir dem Kapitalismus am wirksamsten entgegentreten können, wenn wir die Besonderheiten dieser Organisation verstehen.
Chingo: Ich stimme dir zu, aber das sollte uns nicht vergessen lassen, dass es immer noch eine Reihe von eminent strategischen und industriellen Sektoren gibt, die im Kampf gewonnen werden müssen, wie zum Beispiel Airbus und alle Zulieferer der großen Konzerne. Es handelt sich zwar nicht um das Renault der 1960er Jahre, aber diese Sektoren haben dennoch ein erhebliches Gewicht, das nicht vernachlässigt werden darf. Heute wird der Luftfahrtsektor von der Gewerkschaftszentrale FO angeführt, die in diesem Fall fast ein Arbeitgeberverband ist. Aber wenn wir diese Sektoren in den Kampf einbeziehen könnten, sähe die Sache anders aus. Wenn Dassaut, Safran und die gesamte französische Luftfahrtindustrie, der militärische Komplex, sich dem Kampf anschließen würden, würde dies bedeuten, dass sich die Situation grundlegend ändert. Ich betone dies, um zu zeigen, dass das, was wir gewöhnlich als strategische Sektoren bezeichnen, in Wirklichkeit nur zwei Sektoren (die Raffinerien und die Eisenbahn) unter vielen anderen sind, die vernachlässigt werden und deren Eintritt in den Kampf dennoch einen echten Schock darstellen würde.
Der Raffineriestreik im vergangenen Herbst hat einige Grenzen aufgezeigt, die man verstehen sollte. So streikten beispielsweise nicht alle Zulieferer, obwohl sie organisch zum Erdölsektor gehören. Auch die Forderungen außerhalb der Raffinerien, die aber Teil der Produktionsmaschine Total sind, z.B. im kommerziellen Bereich, wurden nicht mit dem Streik in Verbindung gebracht. Um Total zu brechen, ist es jedoch notwendig, den gesamten Sektor der Zulieferer zu vereinheitlichen. Genau dasselbe Problem stellt sich bei der SNCF, wo im Allgemeinen nur die „Eisenbahner:innen“ zum Streik aufgerufen werden, nicht aber die Hunderte und Tausende von Outgesourcten, die in den Bahnhöfen und auf dem Eisenbahnnetz arbeiten. Aber die Stärke des Proletariats zeigt sich immer dann, wenn es sich in seiner Gesamtheit und in einer nicht-korporativen Form manifestiert.
RP: Wie weit könnte eurer Meinung nach die Dynamik eines Massenstreiks gehen?
Godin: Ich glaube, dass das, was wir heute aufbauen, in erster Linie ein erster Moment des Wiederaufbaus nach Jahrzehnten der systematischen Zerstörung ist. Die Situation sollte uns zu einer gewissen Form der Demut anspornen. Ich halte einen Massenaufstand nicht für die wahrscheinlichste Hypothese, auch wenn die Bewegung notwendigerweise ihre eigenen Möglichkeiten zeigt, die uns überraschen können. Meines Erachtens geht es um den Aufbau einer nachhaltigen und gefestigten sozialen Bewegung, die aus ihrer defensiven Haltung herauskommt. Und deshalb geht es nicht so sehr um die Lähmung der Wirtschaft als solche, sondern um den Aufbau der Bewegung der Zukunft. Unter diesem Gesichtspunkt teile ich nicht den anarcho-syndikalistischen Bezugsrahmen, wonach der Generalstreik sofort zur Revolution führen würde, und zwar auf relativ magische Weise, da er der Bourgeoisie auf einen Schlag die Macht entreißen soll, die als Folge der allgemeinen Lähmung der Arbeit „fallen“ würde.
Chingo: Die Situation ist nicht revolutionär, ich stimme dieser Feststellung zu. Allerdings stehen wir an der Schwelle zu einem möglichen Massenstreik. Wenn er trotz der erwähnten Widersprüche zustande kommt, würde er meines Erachtens ein noch nie dagewesenes revolutionäres Potenzial eröffnen, das wir sehr ernst nehmen müssen. Im Gegensatz zu den Vorstellungen des revolutionären Syndikalismus oder der Erinnerung an den Generalstreik von 1968, der, wenn man sein Ausmaß berücksichtigt, kein so bedeutendes Ergebnis gebracht hat, wäre ein Massenstreik eine der gewalttätigsten Formen des Klassenkampfes. Ich weiß nicht, wozu der 7. März führen wird, aber wenn wir in einen Moment der Verallgemeinerung des Streiks eintreten, sollten wir ernsthaft darüber nachdenken, zum Beispiel Streikposten aufrechtzuerhalten. Deshalb müssen wir die Idee eines aktiven Streiks vermitteln und nicht die eines „gelähmten Frankreichs“, wie Laurent Berger behauptet. Im Moment hat die Regierung noch keine Angst, aber das könnte sich ändern. Wenn es zum Generalstreik kommt, muss man bereit sein, die Gelegenheit zu ergreifen und in die Offensive zu gehen. Das Potenzial ist auf jeden Fall vorhanden und wir müssen versuchen, es bestmöglich zu nutzen.
RP: Was könnt ihr uns abschließend über eure Vorstellung von der Verbindung zwischen der Massenbewegung und der parlamentarischen Aktion sagen? Was habt ihr aus den Debatten in der Nationalversammlung mitgenommen?
Godin: Die Debatten in der Nationalversammlung haben auf den ersten Blick gezeigt, dass im Plenarsaal nichts passiert. Deshalb ist die Nationalversammlung genau genommen zu einem Zirkus geworden, denn das, was dort stattfindet, ist größtenteils ein Spektakel ohne Inhalt. Die Linke sollte darüber nachdenken, dass das Parlament in diesem System keine Macht hat. Daran ändert auch das Fehlen einer absoluten Mehrheit nichts, wenn man bedenkt, welche Rolle verschiedene Verfassungsartikel wie 49.3 [Artikel, der dem Präsidenten die Möglichkeit der Durchsetzung von Dekreten ohne parlamentarische Mehrheit gibt, A.d.Ü.] spielen, der sogar im Zusammenhang mit einem Gesetzentwurf zur Änderung der Finanzierung der sozialen Sicherheit verwendet wird, und zwar ohne jegliche politische Konsequenzen. Das Parlament ist also weitgehend disqualifiziert. Ohne so weit zu gehen, eine radikal antiparlamentarische Position einzunehmen, kann man sagen, dass das Parlament, wenn überhaupt, nur als Echo der sozialen Bewegung genutzt wird. Aber selbst in diesem Sinne ist es sehr demobilisierend, da es den Menschen weiterhin vorgaukelt, dass sich dort etwas tut. Die Regierung argumentiert ohnehin nur mit den Republikanern [der Partei Sarkozys, A.d.Ü.]. Außerdem haben die Blockadeanträge keinen Zweck und lenken sogar von der eigentlichen Bewegung ab. Noch einmal: Dort steht nichts auf dem Spiel.
Es bleibt insofern interessant, als es uns erlaubt, die Frage nach der Artikulation zwischen der parlamentarischen Linken und der sozialen Bewegung zu stellen, aber ich bin etwas überrascht, dass wir uns in einer so tiefen und breiten Bewegung immer noch in einer Logik des parlamentarischen Guerillakriegs befinden. Die Spielregeln stehen von Anfang an fest: Es wird entweder mit den Republikanern abgestimmt oder der Artikel 49.3 wird angewendet. Was spielt also die parlamentarische Linke gegenüber der sozialen Bewegung, wenn die Vereinbarung von Anfang an feststeht? Die Leere des parlamentarischen Spektakels scheint mir ein charakteristisches Merkmal der Fünften Republik zu sein, die immer darauf besteht, so zu tun, als ob dort etwas passiere, während sich die Hauptsache im Büro am Boulevard Saint Honoré 55 [dem Präsidentenpalast, A.d.Ü.] abspielt, wo ein Mann alles entscheidet. Auch wenn sich die parlamentarische Linke etwas vormacht: Seit 1958 ist niemandem entgangen, dass Frankreich keine „große parlamentarische Demokratie“ ist. Andererseits muss man feststellen, dass im wahrsten Sinne des Wortes etwas auf der Straße passiert. Wir werden also in diesem Bereich nicht durch Änderungsanträge vorankommen; so zu tun, als ob, ist ein Ablenkungsmanöver.
Chingo: Ich stimme dem zu, was Romaric gerade gesagt hat. Es ist offensichtlich, dass das Parlament nicht der Ort für den Kampf ist. Die Situation, die du beschreibst, ist eine Gelegenheit, bestimmte Elemente eines radikaldemokratischen Programms aufzugreifen, wie die Abschaffung des Senats oder die Abschaffung des Präsidentenamtes und im weiteren Sinne die Überwindung der Fünften Republik, nicht in den beschränkten Perspektiven des mélenchonistischen Projekts einer Sechsten Republik, sondern in einer viel radikaleren Art und Weise, wie zum Beispiel der Pariser Kommune. Die französische Geschichte hat Formen von Parlamenten gezeigt, die die Stimmung der Massen widerspiegeln, wie die Anfänge des Konvents oder, wie gesagt, die Pariser Kommune, wo die Abgeordneten nur das Gehalt eines durchschnittlichen Arbeiters erhielten, und der Kontrolle der Bevölkerung unterworfen waren.
In diesem Sinne wäre es für die aufrichtigen Genoss:innen von La France Insoumise von Vorteil, sich mit dem Besten der jakobinischen revolutionären Tradition oder, besser noch, der Kommune zu verbinden, um Elemente eines solchen demokratischen Programms zu entwickeln, wie z.B. eine einheitliche Versammlung, die Legislative und Exekutive vereint, anstatt diese Perspektive auf eine republikanische Neugründung von oben zu verschwenden. All dies wäre eine große Hilfe für die Massenbewegung und würde zu einer Erfahrung mit der bürgerlichen repräsentativen Demokratie und zur Entwicklung des Bewusstseins der Selbstorganisation beitragen, die meiner Meinung nach die einzige lebensfähige demokratische Perspektive ist. Die soziale Bewegung muss sich durch und für sich selbst in ihren eigenen Organisationen ausdrücken und nicht so tun, als würde sie im Parlament durch eine repräsentative Stimme existieren, die zur Ohnmacht führt, oder ein institutionelles, aber etwas linkeres politisches Ventil suchen, wie von Mélenchon vorgeschlagen. Die Entwicklung des Generalstreiks und die Selbstorganisation der Massen umreißen somit denselben Horizont: die Entwicklung einer echten Gegenmacht zur Macht der Bourgeoisie.