Statt Währungsfonds- und Weltbanktagung: Debt For Climate fordert Schuldenstreichung

20.10.2023, Lesezeit 7 Min.
Gastbeitrag

Vergangene Woche Trafen sich Finanzminister:innen und Chefs der Notenbanken der G20-Staaten im Rahmen der Jahrestagung der internationalen Finanzinstitutionen in Marrakesch. Die Bewegung Debt For Climate organisierte international Protestaktionen gegen diesen Greenwashing-Gipfel. Wir spiegeln ihre Pressemitteilungen anlässlich der Aktionen in Berlin und Bonn.

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Fotot: Debt For Climate

+++ Tonnenschwerer Betonklotz vor Finanzministerium aufgestellt +++ Aktivist*innen errichten Mahnmal der Kolonial- und Klimaschuld des Globalen Nordens und fordern Schuldenstreichung des Globalen Südens+++

Berlin, 12.10.2023: Aktivist*innen von Debt for Climate haben in den frühen Morgenstunden zwei Betonblöcke vor dem Finanzministerium in Berlin aufgestellt. Der größere der beiden Blöcken, mit einer Höhe von 1,70m und einem Gewicht von über einer Tonne, ist mit „Klima- und Kolonialschuld des Globalen Nordens“ beschriftet. Den kleineren Block, bloß 40cm groß und knappe 100 Kilo schwer, schmückt die Inschrift „Finanzielle Schuld des Globalen Südens“. Mit der Aktion stellen die Aktivist*innen die Frage: „Wer schuldet hier eigentlich wem etwas?“ und fordern die Streichung der finanziellen Schulden des Globalen Südens.

Anlass der Aktion ist die Jahrestagung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Marrakesch, Marokko. „Diese internationalen Insitutionen spielen eine zentrale Rolle im Aufrechterhalten eines neokolonialen internationalen Schuldensystems. Dieses hält viele Länder im Globalen Süden in Abhängigkeiten und verhindert eine gerechte sozial-ökologische Transformation.„, sagt Esteban Servat, Mitbegründer von Debt for Climate. Deutschland hat den viertgrößten Stimmanteil in der Weltbank (4%) und im IWF (ca. 5,4%). Mit der Aktion wendet sich Debt for Climate an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der Deutschland im IWF vertritt. „Letztes Jahr hat Lindner öffentlich versprochen sich für eine Streichung der Schulden des Global Südens einzusetzen. Doch er liefert nichts als Lügen und Greenwashing. Was wir brauchen, ist ein Systemwechsel, der damit beginnen muss, dass Deutschland die Initiative ergreift, um die Länder des Globalen Südens zu entschulden und ihnen so eine selbstbestimmte und gerechte Energiewende zu ermöglichen„, erklärt Servat weiter.

Das von den Aktivist*innen errichtete Mahnmal macht auf das Verhältnis der Schulden zwischen Globalem Norden und Süden aufmerksam. „Der Globale Norden hat als Verantwortlicher für zahlreiche Kolonialverbrechen und für die eskalierende Klimakrise immense Schulden bei den Ländern des Globalen Südens. Die bedinungslose Streichung der finaniziellen Schulden ist das Mindeste, was getan werden muss, um dieser Schuld gerecht zu werden.„, sagt Lukas Hufert von Debt for Climate.

Die weltweit koordinierten Proteste von Debt for Climate sind am 11. Oktober mit einer massiven Versammlung vor dem Sitz des IWF in Buenos Aires, Argentinien, gestartet und dauern vom 12. Oktober – dem Tag des Indigenen Widerstands bis zum 15. Oktober an – dem Todestag von Thomas Sankara an. Sankara wurde 1987, kurze Zeit nachdem er sich für eine vereinte afrikanische Front gegen Schulden ausgesprochen hatte, ermordet. Neben Debt for Climate machen auch die Gruppen Initiative 12.10. und El Sur Resiste Berlin auf den Tag des Indigenen Widerstands mit dezentralisierten, internationalen Aktionen aufmerksam – in Berlin mit einer Kundgebung heute, am 12. Oktober um 16 Uhr vor dem Auswärtigen Amt und um 17 Uhr vor dem Humboldt Forum.

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Foto: Jonas Gehring / Debt For Climate Deutschland

+++ Störaktionen in Bonn und Berlin – Forderung nach bedingungsloser Schuldenstreichung statt Entwicklungspolitik für Globalen Süden +++

Aktionen zivilen Ungehorsams am Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung – Aktivist*innen in Bonn und Berlin fordern bedingungslose Schuldenstreichung für den Globalen Süden statt „nutzloser Entwicklungspolitik“

Bonn/Berlin, 13.10.2023: An beiden Dienstsitzen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Bonn sowie Berlin führten Aktivist*innen der Kampagne „Debt for Climate“ unangekündigte Protestaktionen durch. In Berlin kletterten Aktivist*innen auf ein Vordach um ein Banner zu befestigen. In Bonn hissten sie Transparente vor der ikonischen Bronzeskulptur „Large Two Forms“ vor dem Ministerium sowie am Zaun des Geländes. In beiden Städten fanden zudem auf dem Vorplatz des BMZ Kundgebungen mit Stimmen aus dem Globalen Süden statt. Die Aktivist*innen kritisierten Entwicklungspolitik als kolonial und fordern stattdessen eine bedingungslose Schuldenstreichung für die Länder des Globalen Südens, um selbstbestimmtes Handeln zu ermöglichen.

Durch seine bedeutende Rolle in der Weltbank entscheidet Deutschland über die Politik und Wirtschaft und damit über das Leben von Milliarden von Menschen im Globalen Süden. Das ist keine „Entwicklung“, das ist Fremdbestimmung. Statt Europa weiter abzuschotten und gleichzeitig die Lebensgrundlagen in anderen Ländern zu zerstören, sollte Deutschland aus der eigenen Geschichte lernen und die illegitimen Schulden des Globalen Südens streichen, um u.a. einen selbstbestimmten Ausstieg aus fossilen Rohstoffen zu ermöglichen„, kommentiert Louise Wagner, Pressesprecherin der Aktion in Berlin im Verweis auf die substantiellen Schuldenerleichterungen, die Deutschland vor 70 Jahren gewährt wurden.

Mit Forderungen wie „Selbstbestimmtes Leben statt fremdbestimmter Entwicklung “ und „Schuldenstreichung statt Abschottung“ wandten sich die Aktivist*innen direkt an Svenja Schulze (SPD), die Vorsitzende des BMZ. Schulze vertritt Deutschland in der Weltbank, die sich derzeit mit dem IWF in Marrakesch zum Herbstgipfel trifft. Bei dem Treffen wird es auch um die Schuldenkrise im Globalen Süden gehen, die Schulze als Gefahr für den sozialen Frieden und den Klimaschutz sieht.

Wir sind das Greenwashing, die gebrochenen Versprechen und Scheinlösungen von Institutionen wie dem BMZ leid. Debt Swaps und Restrukturierungsvorschläge sind nichts anderes als das Umstellen der Stühle auf der Titanic der Schulden- und Klimakrise. Es ist an der Zeit, dass Deutschland diese Krisen ernst nimmt und die Initiative für eine Entschuldung der Länder des Globalen Südens ergreift. Alles andere würde nur die neokolonialen Verhältnisse aufrechterhalten, die uns in die Katastrophe führen.“ kommentiert Esteban Servat, Sprecher der Aktion in Berlin, Schulzes Vorschläge zur Umstrukturierung von Schulden des Globalen Südens.

Bereits in den letzten Wochen hat Debt for Climate mit diversen Störkationen gegen das BMZ, die Weltbank, aber auch gegen das Bundesfinanzministerium auf sich und das neokoloniale Schuldensystem aufmerksam gemacht. Am 12. Oktober wurde ein massiver Betonklotz vor dem Bundesfinanzministerium abgestellt, der die Kolonial- und Klimaschuld des Globalen Nordens symbolisiert, und am vergangenen Sonntag wurde eine Podiumsdiskussion mit Vertreter*innen der Weltbank und des BMZ wegen einer Protestaktion abgebrochen.

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Foto: Debt For Climate Deutschland

Über Debt for Climate

Debt for Climate ist eine globale Graswurzelbewegung, initiiert und angeführt vom Globalen Süden, die Macht von unten aufbaut, indem sie Arbeiter*innen-, Indigene, Feministische, Religiöse, Ökologische, Soziale und Klimagerechtigkeitsbewegungen im Globalen Süden und Norden zusammenbringt, um die finanziellen Schulden des Globalen Südens zu streichen und eine selbstbestimmte, gerechte Energiewende zu ermöglichen. Debt for Climate wird von über 100 Gruppen aus mehr als 40 Ländern unterstützt. Sie alle sehen in der Streichung der Schulden einen Beginn der Begleichung der Klimaschulden des Globalen Nordens.

Pressesprecher:innen:
Esteban Servat (Englisch): +49 178 694 9986
Lukas Hufert (Deutsch): +49 157 824 70040

Weitere Informationen:
Website: https://debtforclimate.org/de
Instagramm: https://www.instagram.com/debtforclimatede/
X (vormals Twitter): https://twitter.com/DebtforClimate
Hashtags: #DebtForClimate #DeudaXClima

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