Startet die Türkei eine Invasion in Kurdistan?

18.12.2024, Lesezeit 4 Min.
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Foto: Orlok/shutterstock.com

Offiziellen US-Quellen zufolge sammelt die Türkei massiv Kräfte an der Grenze zu Syrien, in der Nähe von Kobané, und könnte eine Invasion in die kurdischen Gebiete starten. Gleichzeitig greift die mit Ankara verbündete SNA seit dem 8. Dezember die Städte im Norden an, wodurch die kurdische Bevölkerung von zwei Fronten bedroht wird.

Laut mehreren US-amerikanischen Geheimdienstoffizieren ist die Türkei seit dem Sturz des Regimes von Baschar al-Assad damit beschäftigt, im großen Umfang militärische Kräfte an der türkisch-syrischen Grenze in der Nähe der Stadt Kobane aufzubauen. Dem Wall Street Journal zufolge soll das mobilisierte Kontingent aus mehreren tausend Milizsoldaten, Kommandos der türkischen Armee und zahlreichen Artillerieeinheiten bestehen. US-amerikanischen Quellen zufolge könnte eine „Invasion unmittelbar bevorstehen“.

Während die vom türkischen Regime finanzierte Syrische Nationale Armee (SNA) seit dem Zusammenbruch des Assad-Regimes eine Reihe von Angriffen auf Stellungen kurdischer Kräfte unternommen hat, scheint sich die türkische Armee darauf vorzubereiten, die kurdischen Kräfte in die Enge zu treiben. Kurdische Kämpfer:innen wurden am Sonntag, den 8. Dezember, in Tall Rifaat besiegt und mussten am Montag Manbij verlassen. Seit dem 10. Dezember wurde Kobane belagert, während Deir-ez-Zor am 11. Dezember fiel.

In einem Brief an Donald Trump, der vom the Wall Street Journal eingesehen wurde, weist Ilhan Ahmed, Mitglied der Verwaltung der kurdischen Gebiete, darauf hin, dass eine türkische Invasion „katastrophale Folgen“ hätte und „200.000 kurdische Zivilisten allein in der Stadt Kobané“ gefährden würde.

In der Fortführung des Astana-Prozesses und nach dem Vorbild der Invasion von 2019 könnte die Türkei versuchen, ihre Pufferzone entlang der 800 Kilometer langen Grenze zu Syrien auszuweiten und, wie die türkische Regierung es ausdrückt, „den Sicherheitskorridor zu vervollständigen“. Mit dem unmittelbaren Ziel, die kurdischen Kräfte zu vernichten und die Bildung einer autonomen kurdischen Region, die den Wunsch der kurdischen Minderheit in der Türkei nach Selbstbestimmung nähren könnte, zu verhindern. Das türkische Regime will die durch den Sturz von Baschar al-Assad gebotene Gelegenheit nutzen, um seine Kontrolle über das syrische Territorium auszuweiten und seine regionalen Positionen zu stärken.

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass Washington die kurdische Bevölkerung in ihrem Kampf unterstützen wird. Wie Gilles Dorronsoro, Professor an der Sorbonne, betont: „Erdogan wird nicht nachgeben und die USA befinden sich in einer Übergangsphase ohne klare Politik. Es ist bekannt, dass türkische Drohnen seit Jahren in Syrien die PKK ins Visier nehmen, ohne dass die Amerikaner etwas dagegen einzuwenden hätten. In Wirklichkeit haben die kurdischen Gebiete für sie keine Priorität, da der Kampf gegen den Islamischen Staat in den arabischen Gebieten ausgetragen wird“. Während die YPG im Kampf gegen den Islamischen Staat von der Unterstützung der USA profitieren konnte, könnte Washington es vorziehen, sich mit der Politik seiner NATO-Verbündeten Türkei zu arrangieren. Es ist ein weiterer Beweis für die tödliche Gefahr, die von der Zusammenarbeit mit dem Imperialismus ausgeht.

Nachdem die Verhandlungen über ein Waffenstillstandsabkommen zwischen den syrischen Kurd:innen und Ankara unter Führung der USA am vergangenen Freitag gescheitert waren, ist die Konzentration türkischer Truppen an der Grenze äußerst besorgniserregend und lässt für die kurdische Bevölkerung das Schlimmste befürchten.

Während die verschiedenen Fraktionen, die Baschar al-Assad gestürzt haben, versuchen, ihre Kontrolle über ganz Syrien auszuweiten, nutzen die Regionalmächte das regionale Chaos, um ihre reaktionäre Agenda voranzutreiben. Im Süden hat Israel die Kontrolle über den Berg Hermon und einen weiteren Teil der Golanhöhen übernommen, während es Syrien mehr als 500 Mal angegriffen hat. Während Russland versucht, mit den neuen Behörden über die Beibehaltung seiner Militärstützpunkte zu verhandeln, will die Türkei die autonomen kurdischen Gebiete zu Staub zerfallen lassen und ihren Einfluss auf Syrien ausweiten. Angesichts des Vorgehens der Türkei, Russlands und des israelischen Staates ist die Mobilisierung der Bevölkerungsmassen in der Region dringender denn je, um die noch abwendbare Katastrophe zu verhindern. Diese Mobilisierung muss unabhängig von den Fraktionen erfolgen, die von den großen Mächten genutzt werden, um ihre Kontrolle über die Region auszubauen. 

Dieser Artikel erschien zunächst am 17. Dezember in unserer französischen Schwesterzeitung Révolution Permanente.

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