Spanischer Staat: Ende der Streiks bei Panrico und Coca-Cola
// In Madrid und Barcelona gehen zwei sehr lange Streiks zu Ende: Bei Coca-Cola waren die ArbeiterInnen erfolgreich, die Beschäftigten der Donutfabrik Panrico mussten ihren Streik abbrechen. //
Eine ernsthafte Krise sollte man nie verschwenden, hat der US-Politiker Rahm Emanuel einmal gesagt. Die KapitalistInnen im Spanischen Staat nehmen diesen Rat sehr ernst: Die anhaltende Wirtschaftskrise ist für sie die Gelegenheit, massenhaft ArbeiterInnen auf die Straße zu werfen. Eine Arbeitsmarktreform der konservativen Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy aus dem Jahr 2012 erleichtert Kündigungen und senkt zudem die Höhe der Abfindungen, die Unternehmen dafür zahlen müssen. Gegen Entlassungen wehren sich einzelne Belegschaften – und müssen teilweise monatelang durchhalten.
Am 13. Juni gingen zwei Langzeitstreiks zu Ende. Die ArbeiterInnen des Getränkeherstellers Coca-Cola hatten über vier Monate gegen Schließungspläne gekämpft. Ein Gericht erklärte ihre Kündigungen für unwirksam. Die Belegschaft der Donutfabrik Panrico dagegen hatte acht Monate lang gestreikt – es war einer der längsten Arbeitskämpfe im Spanischen Staat seit dem Ende der Franco-Diktatur. Doch ihre Kündigungen wurden gerichtlich abgesegnet. Am 13. Juni war Schluss.
Avantgarde bei Panrico
Begonnen hatte es bei Panrico am 13. Oktober 2013. Seitdem war die Belegschaft der Fabrik in Santa Perpètua de Mogoda bei Barcelona im unbefristeten Streik. Die Firma, seit kurzem im Besitz des US-Investmentfonds Oaktree Capital Management, hatte die Entlassung der Hälfte ihrer 4.000 Beschäftigten im ganzen Staat verkündet.
Am ersten Tag stellten mehrere hundert ArbeiterInnen Streikposten vor dem Werkstor in Santa Perpètua auf. Ein Angriff der Polizei vertrieb sie nicht – die Belegschaft, die bis dahin nicht als besonders kämpferisch aufgefallen war, wunderte sich selbst, wie lange es ihr im Protestcamp auszuharren gelang.
Das war durch eine breite Solidarität möglich: Über die Monate gab es unzählige Kundgebungen und Demonstrationen vor Ort und in anderen spanischen Städten. Die Streikenden unterstützten ihrerseits Proteste gegen Zwangsräumungen oder Demonstrationen gegen die Einschränkung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch. Da die spanischen Gewerkschaften kein Streikgeld zahlen, mußten sie mit dem Verkauf von Brötchen oder Rosen ihren Lebensunterhalt selbst bestreiten. Dazu gab es eine Kampagne an der Universität: „Ein Student, ein Euro“.
Doch die Generalitat (die katalanische Regierung) stand hinter dem Unternehmen. Ein spanisches Gesetz untersagt die Belieferung des katalanischen Marktes mit Produkten aus anderen Standorten. Dennoch konnte Panrico den Streik mit außerhalb produzierten Waren unterlaufen. Dagegen protestierten die Streikenden mit Flashmobs in den Supermärkten, bei denen sie Einkaufswagen mit Weißbrot und Donuts füllten und an der Kasse stehen ließen.
Anfangs stand das Werk in Santa Perpètua nicht allein. Im ganzen Staat hatten die Panrico-ArbeiterInnen aus Protest gegen die Entlassungen die Arbeit niedergelegt. Doch die Gewerkschaft CCOO (Arbeiterkommissionen) und die Betriebsräte bevorzugten einen Kompromiss. Einen Monat nach Beginn des Streiks unterschrieben sie eine Vereinbarung, die weiterhin 745 Entlassungen vorsah. Nach und nach wurde der Streik an anderen Standorten beendet. Nur in Santa Perpètua blieben die Beschäftigten auf der Straße und forderten: „Null Entlassungen, null Schließungen.“
Am 19. Mai erging das Urteil des Gerichts Audiencia Nacional in Madrid: Die meisten Kündigungen seien legal. Die Versammlung der Panrico-Arbeiter beschloss die Fortsetzung des Streiks, um ein besseres Ergebnis am Verhandlungstisch zu erzwingen. Doch das Unternehmen blieb hart, und die Gewerkschaft hatte keine Lust mehr. Auf der Streikversammlung am 13. Juni warb der Betriebsrat für eine Rückkehr zur Arbeit. Nach langer Diskussion wurde mit 98 zu 45 Stimmen die Beendigung des Streiks beschlossen. Der Kampf sollte innerhalb der Fabrik fortgesetzt werden.
Am folgenden Montag wollten alle um 10 Uhr zurück in die Fabrik. Eine Kundgebung war angesetzt, um die Moral zu stärken. Doch dort kündigte der Betriebsratschef an, dass alle zwangsbeurlaubt seien.
246 Tage waren seit dem Beginn des Streiks vergangen.
Coca-Cola folgte
Im Februar begann der Streik bei Coca-Cola Iberian Partners, dem lokalen Ableger des US-amerikanischen Getränkeherstellers. Vier von elf Standorten sollten geschlossen werden, was 1.190 Jobs vernichtet hätte. Im ganzen Staat fanden Proteste statt, aber vor allem die ArbeiterInnen in Fuenlabrada (in Madrid) streikten unbefristet und errichteten ein Protestcamp vor dem Werkstor.
Das Motto war: „Wenn Madrid nicht produziert, dann konsumiert Madrid nicht.“ Während des viermonatigen Ausstands wurde zum Boykott der Brause aufgerufen. Die Verkaufszahlen gingen in der zentralen Region, die von Fuenlabrada beliefert wird, tatsächlich um die Hälfte zurück. Es war „der größte Rückgang, den das Unternehmen je erlebt hatte“, wie die Presse berichtete. Jeden Tag gab es Mobilisierungen, auch in Zusammenarbeit mit den Panrico-Streikenden.
Am 13. Juni erklärte die Audiencia Nacional das Kündigungsverfahren bei Coca-Cola für rechtswidrig. Das Unternehmen muss alle Entlassenen wieder einstellen und auch die Löhne für die Streiktage nachzahlen. Die Ungleichbehandlung der beiden Belegschaften fällt auf: „An den Arbeitern von Panrico wurde ein Exempel statuiert“, so eine Stellungnahme des Solidaritätskomitees. „Sie sollten bestraft werden, weil sie gegen ihre eigenen gewerkschaftlichen VertreterInnen rebellierten, die das Kündigungsverfahren abgesegnet hatten.“
Doch noch ruht die Produktion in Fuenlabrada. „Mit dem 13. Juni beginnt unser Kampf im Ernst“, so der Gewerkschafter Alberto Pérez Mayoral. Es werden weitere Anstrengungen nötig sein, bis alle an ihre Arbeitsplätze zurückkehren können. Denn das Unternehmen will vor das Oberste Gericht ziehen. Bis zu einem Jahr wird es noch dauern, bis dieses ein Urteil spricht. Währenddessen twitterte Konzernchef Marcos de Quinto: „Die geschlossenen Fabriken bleiben geschlossen“.
Die Arbeitsmarktreform erleichtert es den Unternehmen zwar, massenhafte Kündigungen auszusprechen. Dennoch werden weiterhin viele Entlassungen von Gerichten gekippt. Vor diesem Hintergrund fordern die Troika (EU, EZB, IWF) und die Unternehmensverbände noch mehr Gesetzesänderungen, um den Arbeitsmarkt weiter zu „flexibilisieren“. Die Anwaltskanzlei Sagardoy, die die Arbeitsmarktreform für die konservative Regierung der Partido Popular entworfen hatte, vertritt nun Coca-Cola vor Gericht.
Angesichts dieser Situation bleiben die beiden Arbeitskämpfe beispielhaft. Besonders die hervorgehobene Rolle der Arbeiterinnen darin wird in Erinnerung bleiben. In einem Brief an die Panrico-Beschäftigten schrieb Alberto Pérez Mayoral vom Coca-Cola-Betriebsrat in Fuenlabrada: „Ihr seid ein Beispiel für die gesamte ArbeiterInnenklasse“. Nur der Kampf von Panrico habe den Sieg bei Coca-Cola ermöglicht.
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