Spanischer König nach tödlichen Überschwemmungen mit Schlamm beworfen

05.11.2024, Lesezeit 5 Min.
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Foto: IzquierdaDiario.es

Als König Felipe VI., Premierminister Sánchez und der Regionalpräsident Mazón am Sonntag eines der am stärksten von den Überschwemmungen betroffenen Gebiete besuchten, mussten sie vor den Anwohner:innen fliehen, die sie mit Schlamm bewarfen. Symbolisch für die Wut, die sich gegen die spanischen Behörden und ihr Krisenmanagement aufbaut.

Anmerkung der Redaktion: Die sintflutartigen Überschwemmungen vergangene Woche im Spanischen Staat haben mindestens 215 Todesopfer gefordert, fast 2.000 Menschen wurden am Wochenende noch vermisst. Tausende von Menschen sind immer noch ohne Strom, und in vielen der am stärksten betroffenen Ortschaften gibt es Probleme bei der Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln und lebensnotwendigen Gütern. Hinzu kommt die Gefahr von Infektionskrankheiten inmitten des Schlamms und der Zerstörung. Unsere Schwesterorganisation CRT (Corriente Revolucionaria de las y los Trabajadores, dt. „Revolutionäre Strömung der Arbeiter:innen“) klagt in diesem Zusammenhang seit vergangener Woche Mittwoch in Erklärungen die politische Verantwortung der Regional- und der Zentralregierungen an (hier auf deutsch eine Erklärung vom 30. Oktober, hier eine Übersicht weiterer Erklärungen auf Spanisch), fordert den Rücktritt der politischen Verantwortlichen wie der Regionalregierung von Carlos Mazón, und schlägt Notfallmaßnahmen vor, um Menschenleben zu retten, zerstörte Existenzen wiederaufzubauen und sich vor den bereits angekündigten neuen massiven Unwettern zu schützen. Auf der Website der CRT, IzquierdaDiario.es, wird ständig ein Liveticker aktualisiert, um aus der betroffenen Region zu berichten.

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Am Sonntagmorgen gab die valencianische Regionalregierung bekannt, dass von den Abertausenden von Freiwilligen, die den Katastrophenopfern in der Region Valencia helfen wollten, nur 2.000 Personen in die am stärksten verwüsteten Gebiete reisen könnten. Laut der Regierung wären erwartete neue starke Regenfälle und eine mögliche Verlangsamung der Hilfsmaßnahmen der Grund. So erhielten elf Gemeinden keine Unterstützung von Freiwilligen, obwohl einige von ihnen, wie Paiporta, zu den Gebieten gehören, die am stärksten von dem Wetterphänomen „Dana“ betroffen waren.

Der eigentliche Grund lag jedoch woanders: Der am Vortag angekündigte Besuch des Königshauses, des spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez (von der sozialdemokratischen PSOE) und des valencianischen Regierungschefs Carlos Mazón (von der rechtskonservativen PP). Wo Tausende Freiwillige daran gehindert wurden, in das Gebiet von Paiporta zu gelangen, konnte die königliche Delegation, die von 90 Polizeiautos und Militärs eskortiert wurde, die Durchgangszone durchbrechen, um Fotos zu machen.

Als die königliche Familie, Sanchez und Mazón in Paiporta ankamen, mussten sie sich dem Zorn der Bewohner:innen und der bereits vor Ort tätigen Freiwilligen stellen. So wurden sie mit Schlamm und Gegenständen beworfen und marschierten unter Buhrufen durch die Straßen.

Diese wütenden Gesten zeigten die Empörung der Bevölkerung über die Untätigkeit der Behörden und die Poserei der Königsfamilie, die zu einem rein symbolischen Besuch gekommen war und in Wirklichkeit die Arbeit der Freiwilligen und die Solidarität behinderte. Ein heuchlerischer Besuch, der deutlich zeigt, wohin öffentliche Gelder bei einer solchen Katastrophe fließen.

Unter Rufen wie „Mörder“ , „Hau ab“ und „Pedro Sánchez, wo bist du?“ blockierten Hunderte von Nachbar:innen und Freiwilligen mit Masken und Reinigungsgeräten die königliche Prozession, die von einem großen Sicherheitsaufgebot mit berittenen Einheiten geschützt wurde. Die Sicherheitskräfte schleusten daraufhin Pedro Sánchez heraus und öffneten Regenschirme, um die offizielle Prozession vor Schlammspritzern zu schützen.

Der Versuch, die Reihen um die Monarchie, die Zentralregierung und die Regionalregierung „zu schließen“, obwohl sie für die Krise die volle Verantwortung tragen, wurde so zu einem Fiasko.

Diese Institutionen sind verantwortlich für ihre Untätigkeit, die Katastrophe zu verhindern, aber auch für ihre Unfähigkeit, dringende Maßnahmen zu ergreifen, um die schlimmsten Auswirkungen abzumildern. Solche Notfallmaßnahmen wären die Aussetzung der Hypotheken- und Mietzahlungen, garantierter bezahlter Urlaub, die Verstärkung aller zivilen Notdienste und die Möglichkeit, leer stehende Wohnungen und Hotels für die Unterbringung von Nachbar:innen und Freiwilligen zu nutzen. Die einzige Anstrengung dieser Verwaltungen besteht darin, die Polizei- und Militäreinrichtungen in der Region zu verstärken, wo am Wochenende 5.000 neue Soldat:innen eingesetzt wurden.

Diese Katastrophe erfordert den sofortigen Rücktritt der von Carlos Mazón geführten Regionalregierung, doch die Zentralregierung ist genauso verantwortlich. In diesem Zusammenhang ist das Letzte, was die Menschen in Valencia brauchen, eine königliche Parasitenfamilie, eine mittelalterliche und reaktionäre Institution, die für einen Fototermin herumstolziert und die Such-, Rettungs- und Aufräumarbeiten behindert. Die Verantwortung der Regierung und der Bosse für dieses kapitalistische Verbrechen muss geklärt werden. Es muss eine unabhängige Untersuchungskommission unter dem Vorsitz von Vertreter:innen der geschädigten Bevölkerung zusammen mit den Arbeiter:innenorganisationen eingesetzt werden, um all diese Verantwortlichkeiten zu klären und bei ihrer Beurteilung und Bestrafung voranzukommen.

Darüber hinaus darf die enorme Solidarität, die sich in diesen Tagen in der spontanen Abreise Tausender Freiwilliger nach Valencia ausdrückt, nicht den Händen dieser Kriminellen oder der extremen Rechten überlassen werden, die versuchen, aus der Krise Kapital zu schlagen. Letztere versuchen, die Arbeiter:innenklasse zu spalten, indem sie die am stärksten benachteiligten Sektoren damit belasten, obwohl diese an vorderster Front der Solidarität mit den Geschädigten stehen.

Die Solidarität von unten muss durch die Selbstorganisation der Bevölkerung und der Arbeiter:innen koordiniert werden, unter Einbeziehung der kämpferischen Basisgewerkschaften und der sozialen Bewegungen, in völliger Unabhängigkeit vom Staat.

Dieser Artikel erschien zuerst am 4. November auf Französisch bei Révolution Permanente.

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