Spanien: Wehe du disst den König
Die Straßen brennen, hunderte Jugendliche werden von der Polizei niedergeprügelt und die „linke Regierung“ von Sozialdemokrat:innen und Linksreformist:innen schaut weg. Die Proteste entwickelten sich nach der Verhaftung des Rappers Pablo Hasél. Der Grund für seine Inhaftierung: Majestätsbeleidigung.
In Spanien demonstrieren zehntausende Menschen gegen die Inhaftierung des Rappers Pablo Hasél, der aufgrund eines Liedes und dutzenden Tweets, zu neun Monaten Knast verdammt wurde. In Madrid, Barcelona, Zaragoza, Burgos und anderen Städten gehen Massen auf die Straßen und rufen: „¡Freiheit für Pablo Hasél!“. Während zahlreiche Menschenrechts- und linke Organisationen das Urteil als einen Angriff auf die Meinungsfreiheit bezeichnen, zeigen der Staat und seine Repressionsorgane, wie viel Wahrheit in den Worten liegt, für die der Rapper verurteilt wurde.
Das Urteil
Laut Anklage der Staatsanwaltschaft habe Hasél in 1.915 Tweets Begriffe wie den Namen der baskischen Untergrundorganisation ETA, der klandestinen Gruppierung Grapo, Bombe, Monarchie oder König genutzt.
Außerdem habe er durch Begriffe wie Parasiten, Mafiosi und Diebe die Würde des emeritierten Königs verletzt, seinen Ruhm untergraben und sein Ansehen beschmutzt.
Wie absurd dieses Urteil ist, lässt sich am besten anhand desselben Videos erkennen, durch welches der Rapper verurteilt wurde. Das Video beginnt mit einem Interview aus 1975 des ehemaligen Königs Juan Carlos I., in dem dieser seine Bewunderung und Lob gegenüber dem ehemaligen Diktator Francisco Franco offenbart. Auf die Frage, was Franco für ihn verkörpere, antwortete Carlos folgendermaßen:
Für mich ist er ein lebendes Beispiel, der tagtäglich seine patriotischen Leistungen in den Dienste Spaniens stellt und deswegen habe ich eine große Zuneigung und Bewunderung für ihn.
Die Monarchie und der Franquismus
Eine kurze Erinnerung daran, wer Francisco Franco war. Franco kam 1939 an die Macht, als Führer des konterrevolutionären faschistischen Militärs gegen die Zweite Republik Spaniens. Er war somit einer der direkten Vernichter des historischen Versuches der Arbeiter:innenklasse im spanischen Staat eine eigene Regierung aufzubauen, die zur gleichen Zeit, durch das Bündnis ihrer eigenen Organisationen mit der besitzenden Klasse, „von innen“ zusammenbrach. Als politischer Verantwortlicher für die Vernichtung von hunderttausenden spanischen Arbeiter:innen während des Bürger:innenkriegs, führte er seine blutige antikommunistische Politik bis zum Ende seines Lebens weiter. Franco war bis zu seinem Tod 1975 das Staatsoberhaupt der Diktatur und initiierte den „Demokratisierungsprozess“. Für diesen Übergang setzte er eine Verfassung fest, die Spanien Mitte der 70er Jahre zu einer parlamentarischen Monarchie machte. Das neue Staatsoberhaupt wurde somit, neben dem Präsidenten Carlos Arias Navarro – der Francos rechte Hand war -, der oben genannte König Juan Carlos I. Der damalige sozialdemokratische Bundeskanzler Helmut Schmidt begrüßte diesen 1982 mit dem Karlspreis, für sein Bestreben eines einheitlichen Europas
Diese Fakten über die Vergangenheit Europas scheinen die bürgerlichen Medien hierzulande gerne zu vergessen, da sie zwar das Urteil kritisieren, aber mit einer noch größeren Wut die aktuellen Proteste als gewalttätig abstempeln. Der als „demokratiedefizitär“ bezeichnete Staat in Spanien zeigt nur zu gut, wo die Grenzen einer „linken Regierung“ liegen.
Die „Gewalt“
Die Anklage der Massen richtet sich gegen die Dreistigkeit eines Regimes, das Kritiker:innen in den Knast schickt, die Arbeiter:innen in ihren Vierteln einsperrt und stigmatisiert, Massenentlassungen duldet und gleichzeitig die königliche Familie mit Millionen an Steuergeldern unterstützt. Die Empörung gegenüber diesem Regime der Reichen erklärt unser Genosse Guillermo Ferrari folgendermaßen:
Gewalt ist, dass 40 Prozent der Jugend arbeitslos ist, 66 Prozent in Zeitarbeit sind und es Universitätsgebühren gibt, die unmöglich zu bezahlen sind. Gewalt ist, dass junge Menschen für die Ansteckungen von Covid-19 verantwortlich gemacht werden, während die Reichen „private“ Partys mit Hunderten von Menschen in den großen Lokalen feiern, die sie besitzen.
Die Gewalt begann nicht mit dem ersten verbrannten Mülleimer, auch nicht mit einem zerbrochenen Glas. Die Gewalt beginnt mit der harten Bestrafung, mit der das kapitalistische System, das Regime von ‘78, die großen Geschäftsleute und die Regierung (auch eine, die behauptet, fortschrittlich zu sein) die Kosten der wirtschaftlichen und sozialen Krise auf die Jugend, die Frauen, die Arbeiter und die unterdrückten Völker abladen. Das kapitalistische System ist gewalttätig.
Die Regierung von Sozialdemokraten (PSOE) und Linksreformisten (Podemos), die immer stärkere politische Risse aufzeigt, versucht aktuell die Verantwortung auf die vergangene konservative Regierung zu schieben und ihren politischen Kompromiss mit dem faschistischen Erbe des Spanischen Staates mit einer Reform der Meinungsfreiheit zu überdecken. Es ist dieses Erbe, welches sich vor einigen Tagen in Madrid erneut zeigte, in dem Faschist:innen unberührt ihre Hasspredigt gegenüber Jüd:innen und Kommunist:innen äußern konnten.
Die repressive Reaktion auf die Proteste hat nicht nur zu dutzenden verletzten Menschen – eine Frau verlor sogar ein Auge – geführt, sie hat außerdem die wahren Absichten der „Realpolitik” der Regierung offenbart: Anstatt die Arbeiter:innenklasse gegen die Angriffe der Bourgeoisie zu verteidigen, werden diese mit Reformen nur verschönert.
Ihre „Realpolitik“ besteht, wie sich in der aktuellen Repression der Proteste offenbart, bei denen dutzende Menschen verletzt wurden unddie angesprochene Frau ihr Auge verlor, nicht darin, die Arbeiter:innenklasse gegen die Angriffe der Bourgeoisie zu verteidigen, sondern diese mit Reformen zu verschönern.
Wie unsere Genossin Lucia Nistal aus Madrid berichtete, werden sich die Proteste in den nächsten Tagen verstärken. Ebenso die Repression, die einzig und allein die Angst der Regierung zum Ausdruck bringt. Diese Proteste sind aber nicht nur aufgrund des Urteils zu verstehen – seit Jahren werden Künstler:innen aufgrund ihrer Kritik gegenüber dem Regime verfolgt, als bekanntes Beispiel könnte die Flucht des Rappers Valtonyc aus dem Jahr 2018 angeführt werden – sie zeigen an erster Stelle die Wut der Jugend und der Arbeiter:innen gegenüber dem Regime und der aktuellen Regierung. Die Jugend ist müde von dem bonapartistischen Kurs, der nun von der linksreformistischen Regierung weiter getragen wird und hat kein Interesse daran diesen mitzutragen.
Die Verurteilung von Hasél ist ein Angriff auf uns alle. Als Revolutionär:innen verteidigen wir Hasél, weil er vom bürgerlichen Staat angegriffen wird und dieser Angriff uns allen gilt. Zugleich sagen wir klar: Haséls “Kommunismus” ist nicht unserer. Seine Loblieder für Stalin, die Gulags und die feige Ermordung von Trotzki lehnen wir scharf ab – umso mehr in einem Land wie dem Spanischen Staat, wo die stalinistische Politik die Spanische Revolution erwürgt und Franco erst an die Macht gebracht hat.
Solidarität mit den politischen Gefangenen! Freilassung für Pablo Hasél! Nieder mit dem faschistischen Erbe der Franco-Diktatur!