Spanien: Die Regierung und die Bosse sind für die Überschwemmungskatastrophe verantwortlich

31.10.2024, Lesezeit 7 Min.
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Quelle: Fernando Astasio Avila / Shutterstock.com

Erste Erklärung unserer Schwesterorganisation CRT im Spanischen Staat angesichts der Überschwemmungen mit mindestens 95 Toten und Dutzenden Vermissten.

Mindestens 95 Tote und Dutzende Vermisste: Trotz der katastrophalen Vorhersagen haben weder die Regionalregierung von Valencia noch die Zentralregierung in Madrid erwogen, einen Arbeitsstopp zu verhängen. So wurden Zehntausende während der Arbeit oder auf dem Heimweg von den Überschwemmungen eingeschlossen. Wie wir schon in der Pandemie gesehen haben, sind ihre Profite wieder einmal wichtiger als unsere Leben.

Am Dienstag und Mittwoch haben die Menschen in der Provinz Valencia und in anderen Gebieten der angrenzenden Provinzen Albacete und Cuenca die bisher schlimmsten Kaltluftunwetter des Jahrhunderts erlebt. Dieses DANA („depresión aislada en niveles altos“, dt. isoliertes Höhentief) genannte Phänomen bezeichnet schwere Unwetter mit Starkregen, die auftreten, wenn viel aufsteigende Feuchtigkeit aus dem Mittelmeer mit Hilfe von gegen den Uhrzeigersinn rotierenden Luftmassen über das spanische Festland befördert werden. Das DANA, das sich am Dienstag zu entladen begann, übertraf mit Niederschlag und extremen Wetterphänomenen das bisher größte DANA von 2019. Die Niederschläge bewegen sich nun einerseits in Richtung Katalonien und Aragonien und andererseits in Richtung Südwesten von Andalusien.

Um 19:00 Uhr am Mittwoch lag die vorläufige Zahl der Todesopfer bei 95 Personen, Dutzende Menschen wurden noch vermisst. Eine Tragödie, die die großen Überschwemmungen von 1982 und 1987, bei denen 38 bzw. 81 Menschen starben, noch übertrifft.

Hunderttausende von Menschen waren am Dienstag bei der Arbeit, zu Hause oder auf dem Weg von einem Ort zum anderen von den Fluten erfasst worden. Tausende haben die Nacht zu Mittwoch auf den Dächern von Gebäuden oder auf den Dächern ihrer Fahrzeuge verbracht und waren von jeglicher Kommunikation abgeschnitten.

Die Zerstörung hat dazu geführt, dass Straßen und Autobahnen völlig zusammengebrochen oder unbenutzbar sind, dass 150.000 Menschen keinen Strom hatten, dass die Mobilfunk- und Telefonverbindungen in weiten Teilen der Region zusammengebrochen sind und dass der gesamte Eisenbahnverkehr eingestellt wurde.

Die Strömung Revolutionärer Arbeiter:innen (CRT, Corriente Revolucionaria de Trabajadores y Trabajadoras) möchte ihre Solidarität mit allen Betroffenen zum Ausdruck bringen und den Helfer:innen der Rettungsmannschaften, die ihr Leben riskiert oder sogar gelassen haben, einen herzlichen Gruß senden.

Eine Naturkatastrophe, die sich in ein gesellschaftliches Verbrechen verwandelt

Es handelt sich um eine Naturkatastrophe, deren Ausmaß nicht von der Zunahme extremer Phänomene – in Ausmaß und Häufigkeit – zu trennen ist, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden, diesem Kind der kapitalistischen Irrationalität und der absoluten Untätigkeit der kapitalistischen Staaten, ihm Einhalt zu gebieten.

Aber zusätzlich zu diesen grundlegenden Verantwortlichkeiten sagen wir, im Gegensatz zu denen, die uns diese Tragödie als ein unvermeidliches Ereignis verkaufen wollen: Die Regierung der autonomen Valencianischen Gemeinschaft, die Zentralregierung und die Bosse haben heute Blut an ihren Händen.

Die rechtskonservative PP-Regierung mit Carlos Mazón an der Spitze, die die Unterstützung der extrem rechten Partei Vox im valencianischen Provinzparlament genießt, hat den Abbau der öffentlichen Dienste zu ihrem Markenzeichen gemacht. Sie haben sich damit an der Zerstörung der grundlegenden Ressourcen, die zur Bewältigung einer solchen Situation notwendig sind, beteiligt. Kurz nach ihrer Machtübernahme war eine ihrer ersten Maßnahmen die Auflösung der „valencianischen Notstandseinheit“, die als Beispiel für die „Umstrukturierung des öffentlichen Sektors“ angeführt wurde.

Diese Katastrophenschutzeinheit war tatsächlich erst in den letzten Monaten der vorherigen Provinzregierung aus der sozialdemokratischen PSPV und der linksnationalistischen Compromís geschaffen worden, wurde aber nie in Betrieb genommen. Obwohl die valencianischen „Progressiven“ heute voller Kritik an der PP und Vox sind, haben sie in ihren Regierungsjahren ebenfalls keine wirksamen Maßnahmen zur Verstärkung der Rettungsdienste ergriffen. Und das ausgerechnet in einem Gebiet, das für Phänomene wie sintflutartige Regenfälle und regelmäßige Überschwemmungen anfällig ist.

Ihre Profite stehen über unseren Leben

Aber auch der Umgang mit dem aktuellen DANA und das Ausbleiben von Sofortmaßnahmen, die zum Schutz der Bevölkerung hätten ergriffen werden müssen, haben ein Maß an Inkompetenz offenbart, das nicht ausschließlich auf die Unfähigkeit der Regierung zurückzuführen ist.

Die Regionalregierung hat am Dienstag um 13 Uhr eine Botschaft der Ruhe gesendet und noch um 18 Uhr versichert, dass das Schlimmste überstanden sei. Das verkündete sie aus ihren bequemen Büros, während Tausende von Menschen bereits zwischen den Wassermassen gefangen waren und auf eine Rettung warteten, die nicht eintraf.

Der Grund für diese Aufrufe zur Ruhe war alles andere als unschuldig. Wie in vielen anderen Krisen ging es in erster Linie darum, die wirtschaftlichen und sozialen Aktivitäten normal aufrechtzuerhalten, trotz des Risikos, das dies für Hunderttausende von Valencianer:innen bedeutete. Die Gewerkschaftsbürokratie der großen Gewerkschaften hüllte sich in komplizenhaftes Schweigen und hat sich bisher nicht geäußert, um dies anzuprangern.

Auch die Zentralregierung der sozialdemokratischen PSOE und der linksreformistischen Sumar entschied sich nicht für den Erlass von Notmaßnahmen, obwohl sie direkt die staatliche Wetteragentur kontrollierte, von der aus die gesamte Situation überwacht wurde.

Hunderttausende von Arbeiter:innen wurden zur Arbeit geschickt, Hunderttausende von Kindern und Jugendlichen zum Lernen. Dies geschah nach dem gleichen Drehbuch wie während der Pandemie – damals unter der Regierung von PSOE und Unidas Podemos –, als die Schließung von nicht-essenziellen Aktivitäten mitten in der ersten Welle aufgehoben wurde, ohne dass die gesamte Bevölkerung mit Masken ausgestattet wurde.

Gegen die heuchlerischen Tränen der valencianischen und der Zentralregierung: Fünf Sofortmaßnahmen zur Bewältigung der Krise

Am Dienstag und Mittwoch wurden die Unternehmensgewinne wieder einmal über unsere Leben gestellt. Anschließend beklagten alle Parteien des Regimes scheinheilig, was geschehen ist. Die regierende Rechte in Valencia will ihre direkte Verantwortung für die Bewältigung der Krise verbergen. Die Zentralregierung von Sánchez (PSEO) und Díaz (Sumar) versucht zu verbergen, dass sie Mazón (PP) und Co. alleine walten lassen hat.

Beide versprechen nun „die gesamte staatliche Hilfe“, die für den Wiederaufbau benötigt wird. Sicherlich werden die Unternehmen in der Region sie bald erhalten. Für die Arbeiter:innenfamilien, die alles verloren haben, wird es ganz anders aussehen. Ein Präzedenzfall ist die Vulkankatastrophe von La Palma im Jahr 2021, deren Opfer immer noch auf die Entschädigung warten, die es ihnen ermöglicht, ihre Häuser wieder zu beziehen.

Solidarität mit den Betroffenen des DANA bedeutet für uns, die Verantwortlichen für diese Naturkatastrophe, die sie zu einem neuen gesellschaftlichen Verbrechen gemacht haben, offen anzuprangern. Gleichzeitig fordern wir dringende und sofortige Maßnahmen, die unser Leben vor ihren Profit stellen:

– Verstärkung aller verfügbaren zivilen Notfallmittel im ganzen Staat, um die sofortige Rettung aller Betroffenen und die Suche nach den Vermissten zu gewährleisten.

– Aussetzung aller nicht-essenziellen Aktivitäten, ohne Lohnkürzungen und auf Kosten der Profite der großen Unternehmen. Die arbeitenden Familien und die Bevölkerung sollten die Zeit und die Mittel erhalten, die sie brauchen, um ihr Leben wieder aufzubauen und sich von der Tragödie zu erholen.

– Einrichtung eines Sonderfonds für den Wiederaufbau zu Lasten des allgemeinen Staatshaushalts, der durch Sondersteuern auf Großunternehmen in Valencia und im übrigen Spanischen Staat gespeist wird.

– Unabhängige Untersuchungskommissionen, in denen die Betroffenen und die Gewerkschaften vertreten sind, um die Verantwortung der Politik und der Unternehmen für die Geschehnisse zu klären.

– Verstärkung des zivilen Rettungsdienstes – Gesundheit, Feuerwehr, Rettungsdienste – und Wiedereingliederung aller ausgelagerten und privatisierten Dienste.

Diese Erklärung erschien zuerst am 30. Oktober auf Spanisch bei IzquierdaDiario.es.

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