Sozialpartnerschaft und Rückeroberung der Gewerkschaften
Wodurch zeichnet sich die heutige Sozialpartnerschaft aus? Und wie können Gewerkschaften als politische Kampforgane zurückerobert werden?
Wir beschäftigen uns mit der Rolle der Sozialpartnerschaft, also einer politischen Zusammenarbeit der deutschen Gewerkschaftsbürokratie mit dem deutschen Kapital, die das Ziel verfolgt, soziale Unruhen zu verhindern und vor allem auf Verhandlungswege Kompromisse auszuhandeln.
An einer anderen Stelle haben wir den Aufbau des sozialpartnerschaftlichen Regimes in der Bundesrepublik Deutschland (BRD) nach dem Zweiten Weltkrieg ausführlich analysiert. Dort argumentieren wir, dass die Sozialpartnerschaft eine Grundsäule des kapitalistischen Regimes in der BRD darstellt. Sie soll sicherstellen, dass der Kampf der Arbeiter:innenbewegung durch die sozialpartnerschaftliche Führung der großen Gewerkschaftsverbände in eine für das Kapital ungefährliche Bahn gelenkt wird. Das bedeutet in der Praxis, dass keine Abwehrkämpfe gegen die politischen Angriffe der Regierung, wie die Erhöhung des Renteneintrittsalters, neue Gesetze zur Aufrüstung und Militarisierung oder die Hartz IV Reform, organisiert werden.
Der Korporatismus in der Weimarer Republik wurde so anhand der historischen und strategischen Lehren, die die deutsche Bourgeoisie und die Gewerkschaftsbürokratie aus der Geschichte gezogen hatten, weiter ausgebaut, um eine mögliche Zuspitzung des Klassenkampfes in der neu gegründeten BRD zu verhindern.
Als charakteristische Merkmale des sozialpartnerschaftlichen Regimes, wie es sich nach der Gründung der BRD herausbildete und in den 50er und 60er Jahren konsolidierte, können wir folgende Aspekte aufzählen:
• das richterliche Verbot der politischen Streiks, das dafür sorgen soll, dass die Politik der Bundesregierung in keiner Weise durch politische Streiks in Frage gestellt werden kann und die Gewerkschaftsbürokratie als „Wächterin“ in der Arbeiter:innenbewegung eine Politisierung der Streikbewegungen verhindert;
• das Verbot der KPD 1956 und die damit einhergehende Verfolgung beziehungsweise der Ausschluss tausender kommunistischer Arbeiter:innen aus den DGB-Gewerkschaften sowie ein bis heute herrschender starker Antikommunismus;
• die starke Reglementierung und Institutionalisierung von Betriebsratsstrukturen und ihre institutionelle Trennung von gewerkschaftlichen Betriebsstrukturen, um ihre Funktion auf die Kontrolle des bürgerlichen Arbeits- und Tarifrechts zu reduzieren;
• das vollständige Streikverbot von Beamt:innen sowie das Sonderarbeitsrecht der Kirchen und ihrer Wohlfahrtsverbände, das Streiks verbietet und die Rechte der Interessensvertretungen der Beschäftigten auf ein Minimum reduziert;
• das richterliche Verbot “wilder”, also verbandsfreier Streiks, das das Streikrecht in das Monopol der sozialpartnerschaftlichen Gewerkschaftsverbände wie den DGB legt – und damit in die Hände der Gewerkschaftsbürokratie – sowie das neuerliche Tarifeinheitsgesetz, mit dem die Entstehung von kämpferischeren Konkurrenzgewerkschaften erschwert werden soll;
• die Einbeziehung der Gewerkschaftsbürokratie in die „unternehmerische Mitbestimmung“ durch Aufsichtsräte, die die Gewerkschaftsfunktionär:innen zu kapitalistischen Co-Manager:innen der Unternehmen macht und die in Form von Aufsichtsratsgehältern eine bedeutende materielle Stütze der Bürokratie ist;
• der besonders undemokratische Aufbau der Mitgliedsgewerkschaften des DGB in eigenen Satzungen, sodass jeder Arbeitskampf – und sei es nur in einem einzelnen Betrieb – die Absegnung der Bundes- oder Landesvorständen braucht, damit er als rechtens gilt.
Hinzu kommt die Besonderheit der historischen Entwicklung in Ostdeutschland. Auf die komplexe Geschichte der Arbeiter:innenbewegung in der DDR und die Rolle der DGB-Führung wollen wir an einer anderen Stelle eingehen. Es muss jedoch zumindest erwähnt werden, dass Ostdeutschland durch die Zerstörung der Produktivkräfte mit Hilfe der Treuhand auch über 30 Jahre nach der Annexion der DDR wirtschaftlich bedeutend schwächer als der Westen ist. Neben dem deutlich ausgedehnteren Niedriglohnsektor sind auch dier gewerkschaftliche Organisierung und die betriebliche Mitbestimmung durch Betriebsräte geringer. Das liegt mitunter daran, dass sich die DGB-Führung dem Ausverkauf der ehemaligen DDR-Wirtschaft nicht widersetzte und zudem keine Massenstreiks gegen die Privatisierung und Schließungswelle stattfanden. Bis heute existiert in den Löhnen ein West-Ost-Gefälle, das nicht vollständig bekämpft wird.
All die erwähnten Elemente sind jedoch nicht in Stein gemeißelt, sondern wurden und werden gerade in Zeiten des Aufstieges des Klassenkampfes herausgefordert. Die Welle der wilden Streiks ab den 68er bis in die 70er Jahre, an denen sich über 300.000 Arbeiter:innen beteiligten, ist ein Beispiel dafür. Viele der Protagonist:innen der Streiks waren migrantische Beschäftigte der „Gastarbeiter:innen“-Generation, die in ihren Kämpfen die Spaltung in einheimische und migrantische Arbeiter:innen in Frage stellten. Diese Spaltung wurde sowohl durch das Kapital als auch seitens der Gewerkschaftsbürokratie aufrechterhalten. Das Kapital nutzte die sogenannten „Gastarbeiter:innen“ als unqualifizierte Arbeitskräfte, um Lohndumping zu betreiben. Gleichzeitig verweigerte die chauvinistisch geprägte Bürokratie der IG Metall den migrantischen Arbeiter:innen jegliche Unterstützung bei ihren Streiks und arbeitete bei der Niederschlagung des von migrantischen Kolleg:innen angeführten Ford-Streiks sogar mit der Polizei zusammen.
Auf einer niedriger Ebene kann auch die Praxis kämpferischer Betriebsräte erwähnt werden, die die historisch erkämpften Mitbestimmungsrechte nutzen, um die Grenzen der Institutionalisierung herauszufordern. Dies kann im Kontext der historischen Entstehung von Betriebsräten während der deutschen Revolution 1918 als ein Überbleibsel dieser Zeit betrachtet werden.
Durch die relative Zuspitzung des Klassenkampfes in Deutschland infolge der andauernden Weltwirtschaftskrise im 21. Jahrhundert sehen wir ebenfalls eine stärkere Infragestellung der Haltung der Gewerkschaftsbürokratie in Fragen des politischen Streiks. Bei weltweiten feministischen Mobilisierungen im Rahmen der Streiks am 8. März forderten Tausende von Arbeiterinnen von ihren Gewerkschaften, dass diesefür das Recht auf Abtreibung und gegen den Gender Pay Gap zum politischen Streik aufrufen. Bei Fridays for Future forderten viele Aktivist:innen und Arbeiter:innen, dass die Gewerkschaften für die Einhaltung der klimapolitischen Ziele und eine sozial-ökologische Transformation politische Streikdemonstrationen organisieren sollen.
Trotz der fehlenden politischen Streiks scheut sich die deutsche Bourgeoisie nicht vor dem Versuch, selbst Streiks der Arbeiter:innen zu verbieten, die in tarifrechtlichen Rahmen stattfinden, wie wir bei verschiedenen Streiks der GDL – die einer der Gründe für die Einführung des antidemokratischen Tarifeinheitsgesetzes 2015 waren –, im Hamburger Hafen 2022 oder in den Krankenhausbewegungen der letzten Jahre gesehen haben. Bei diesen Kämpfen hatte die Bürokratie letztendlich keinen anderen Plan B als Gerichtsverhandlungen und machte deutlich, dass sie nicht gegen eine richterliche Entscheidung für die Weiterführung der Streiks und Demonstrationen vorgehen würde.
Es ist notwendig, dass klassenkämpferische und antibürokratische Kräfte in DGB-Gewerkschaften auf Taktiken hinarbeiten, die die Ablehnung der politischen Streiks herausfordern, beispielsweise durch die Organisierung von gewerkschaftlichen Demonstrationen mit politischen Forderungen an die Bundes- und Landesregierungen an Streiktagen sowie die Zusammenführung verschiedener Streiks. So kann ein politisches Bewusstsein unter den Belegschaften über die Notwendigkeit, politische Kämpfe zu führen, geschaffen werden, Außerdem lassen sich so bereits vorhandene Streiks, die oft in voneinander getrennte ökonomische beziehungsweise tarifierbare Forderungen gespalten sind, in einer größeren politischen Bewegung sammeln.
Wegen der restriktiven und konservativen Haltung der Gewerkschaftsbürokratie ist auch nicht ausgeschlossen, dass eine Radikalisierung der Massen und politische Kämpfe gegen die Regierung mit Dynamiken außerhalb der großen Gewerkschaftsverbände zu stande kommen, wie wir in Frankreich bei Phänomenen wie der Gelbwestenbewegung haben. In solchen nicht im engeren Sinne gewerkschaftlichen politischen Kämpfen besteht dann die Aufgabe darin, die gewerkschaftlich organisierten Teilen der Arbeiter:innenklasse zu überzeugen, dafür zu kämpfen, dass die Gewerkschaften diese spontanen Ausbrüche aufnehmen und die Massendynamik auch für eine Dynamisierung der Gewerkschaftsverbänden nutzen.
Grundlagen der revolutionären Arbeit in Gewerkschaften
Wir sind mit dem strategischen Problem konfrontiert, dass die Gewerkschaften durch ihre Bürokratisierung und bürgerlich-reformistische Führung nicht mehr als Kampforgane für die Arbeiter:innenklasse zur Beseitigung der kapitalistischen Produktionsverhältnisse und für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft dienen.
Im Laufe der Geschichte der Arbeiter:innenbewegung – von den Anfängen im Rahmen der ersten Internationale, zur revolutionären Fraktion in der zweiten, hin zu den Leitlinien der dritten Internationale und der Arbeit der revolutionären Marxist:innen unter dem Banner der linken Opposition/Vierte Internationale – haben Revolutionär:innen zahlreiche strategische und taktische Lehren gezogen.
Um eine Strategie zu entwickeln, sie wieder zu Kampforganen für den Klassenkampf zu machen und unter einer revolutionären Führung zurückzuerobern, müssen wir uns mit mehreren Aspekten beschäftigten: Verteidigung der Gewerkschaft gegen Angriffe des bürgerlichen Staates, Rolle der Selbstorganisation, Taktik der Einheitsfront, Notwendigkeit der Bildung von koordinierenden Aktionskomitees, eine hegemoniale Volkstribunpolitik gegen den Ökonomismus, Kampfschulen, Einheitsfrontpolitik gegenüber der Bürokratie,Notwendigkeit einer antibürokratischen Strömung und letztendlich mit der Frage der revolutionären Führung und der Partei. Auf diese Aspekte wollen wir im Folgenden eingehen.
Verteidigung der Gewerkschaft und des Streikrechts
Selbst in liberalen bürgerlichen Demokratien, wo die Gewerkschaften ihre formale Unabhängigkeit bewahren, greift der Staat oftmals in Streiks ein – mittels „(Zwangs-)Schlichtungen“, „Streikverboten“ und auch durch polizeiliche Repression. In härteren Phasen des Klassenkampfes können diese mit faschistischen Schlägertrupps ergänzt werden, um Streiks zu zerschlagen. Diese haben das Ziel, die Interessen des Unternehmertums oder der Regierung den Arbeiter:innen aufzuzwingen.
Es ist unmittelbar notwendig, gegen solche bürgerlichen Angriffe auf Streiks eine breite Kampagne zu machen, Versammlungen, Solidaritätsbekundungen bis hin zu Solidaritätsstreiks aus anderen Sektoren zu organisieren. Die Gewerkschaftsbürokratie ist jedoch oft gewillt, diese Angriffe unbeantwortet zu lassen, um eine stärkere Konfrontation zu vermeiden. In einigen Fällen leitet sie sogar „freiwillige“ Schlichtungsverfahren ein, die die Macht der Arbeiter:innen in der Basis völlig in die Hände eines Schlichters geben, wobei zudem Friedenspflicht auferlegt wird. Schlichtungen sind im Allgemeinen gute Methoden seitens der Regierung und der Arbeitgeber, die Streikdynamik zu bremsen und durch den öffentlichen Druck, den die Schlichtung erzeugt, die Gewerkschaftsseite zu schlechten Kompromissen zu bewegen.
Im Rahmen der Streikfrühlings 2023 wurden von mehreren Wirtschaftsverbänden die Stimmen laut, dass das Streikrecht in Deutschland weiter eingeschränkt werden soll. Vor allem sollen laut ihrer Vorstellung Streiks in zentralen Bereichen der kritischen Infrastruktur durch die Regierung eingeschränkt werden dürfen. In Großbritannien gibt es bereits einen solchen Versuch, der seitens der Gewerkschaften jedoch mit Streiks beantwortet wird.
Es ist notwendig, gegen jegliche Einmischung des bürgerlichen Staates in das Streikrechts und die Einschränkungen der Rechte der Gewerkschaften zu kämpfen.
Rolle der Selbstorganisation der Arbeiter:innen
Die Gewerkschaftsbürokratie kann ihre sozialpartnerschaftliche Politik in vielen Fällen nur deswegen durchsetzen, weil sie sich gegen eine Streikdemokratie stellt beziehungsweise eine solche nur in begrenztem Maß erlaubt. Es ist daher notwendig, die Selbstorganisation der Arbeiter:innen der Bürokratisierung der Streiks und Gewerkschaften entgegenzusetzen. Das bedeutet, dass es die Arbeiter:innen an der Basis in Streikversammlungen selbst sein müssen, die alle wichtigen Entscheidungen des Kampfes treffen: Welche Forderungen werden erhoben? Wann und wie lange soll gestreikt werden? Wie sollen Kampfmittel wie Besetzungen, Blockaden oder Selbstverteidigung der Streikposten eingesetzt werden? Wie soll man sich gegenüber den Regierungsparteien positionieren?
All diese Fragen sollten in offenen Versammlungen diskutiert werden. Es ist notwendig, dafür zu kämpfen, dass diese Entscheidungen bindend für alle gewerkschaftlichen Gremien und Funktionär:innen sind. Alle gewerkschaftlichen Delegierten in Gremien, wie die Tarifkommission oder Streikleitung,müssen einem imperativen Mandat untergeordnet, also in den Gremien an die Beschlüsse der Versammlung gebunden, und jederzeit der Versammlung gegenüber rechenschaftspflichtig sein – bis hin zur ständigen Abwählbarkeit.
Dieses Prinzip sollte nicht nur für Funktionär:innen im Kampf gelten, sondern ein Grundprinzip der demokratischen Organisation der Gewerkschaften insgesamt sein: Funktionär:innen sollten jederzeit wähl- und abwählbar sein und der Gewerkschaftsbasis in Versammlungen Rede und Antwort stehen müssen. Nur so kann eine wirksame Kontrolle über den Gewerkschaftsapparat gewährleistet werden. Dazu gehört auch, dass Funktionär:innen nicht wie heute ein Vielfaches ihrer Mitglieder verdienen, sondern einen durchschnittlichen Facharbeiter:innenlohn erhalten sollten, um eine materielle Abhebung von ihrer eigenen Basis zu verhindern.
Taktik der Einheitsfront
Für die Stärke und das Selbstvertrauen der Arbeiter:innenbewegung ist es notwendig, dass sie in ihrem Kampf für die Verteidigung ihrer Interessen so viele Arbeiter:innen wie möglich in der gemeinsamen Aktion sammeln kann. Sowohl in einem einzigen Betrieb als auch gesellschaftlich versucht die Kapitalseite, die Arbeiter:innenklasse entlang unterschiedlicher Berufsgruppen, Sektoren oder anhand des Geschlechts, des ethnischen Hintergrunds oder ähnlichem zu spalten. Dazu kommen noch die Spaltungen, die entlang der politischen Organisationen der Arbeiter:innenklasse existieren, die in sozialdemokratischen oder kommunistischen Organisationen aktiv sind. Um einen effektiven Kampf gegen das Kapital führen zu können, müssen die Arbeiter:innen diese Spaltungen überwinden.
Die Taktik der Einheitsfront zielt eben darauf ab, diese Spaltungen zu überwinden, indem alle Organisationen der Arbeiter:innenklasse zum gemeinsamen Kampf aufgerufen werden. Diese Einheitsfront darf jedoch nicht in Worten verbleiben, sondern muss sich auch in konkreten Kampforganisationen manifestieren:
Eine besonders wichtige Aufgabe bei der Durchführung der Einheitsfront ist die Erreichung nicht nur agitatorischer, sondern auch organisatorischer Resultate. Keine einzige Gelegenheit darf verpasst werden, um in der Arbeitermasse selbst organisatorische Stützpunkte (Betriebsräte, Kontrollkommissionen aus Arbeitern aller Parteien und Parteilosen, Aktionskomitees usw.) zu schaffen. Taktik der Einheitsfront – Thesen über die Taktik der Kommunistischen Internationale.
Es ist eine taktische Frage, in welchen Gewerkschaftsverbänden eine kontinuierliche Arbeit notwendig ist, um eine gemeinsame Aktionseinheit aller Verbände und Sektoren herzustellen. Notwendig ist gal wie reformistisch, reaktionär oder verräterisch die Führungen der Gewerkschaften sein mögen –, die Mitglieder zu erreichen und gemeinsam mit ihnen gegen die reaktionäre Führung einen Kampf zu führen.
Will man […] die Unterstützung der „Masse“ erwerben, so darf man sich nicht fürchten vor Schwierigkeiten, […], Schikanen, den Fußangeln, den Beleidigungen und Verfolgungen seitens der „Führer“ […] und muß unbedingt dort arbeiten, wo die Massen sind. […] und seien es auch die reaktionärsten Einrichtungen, Vereinen und Verbänden Propaganda und Agitation zu treiben, in denen es proletarische oder halbproletarische Massen gibt. Die Gewerkschaften […] sind aber gerade Organisationen, die Massen erfassen.Lenin, Sollen Revolutionäre in den reaktionären Gewerkschaften arbeiten?, in: Der „Linke Radikalismus“ (1920).
In Deutschland stellen die DGB-Gewerkschaften mit ihren 5,7 Millionen Mitglieder in unterschiedlichen Sektoren der Arbeiter:innenklasse die wichtigsten Gewerkschaften, um gegen Angriffe der Regierung oder der Bosse Widerstand zu leisten. Auch wenn die Bürokratien dieser Gewerkschaften mit ihrem sozialpartnerschaftlichen Kurs, ihrer konservative Ablehnung der politischen Streiks sowie des Bündnisses mit den Regierungsparteien eine reaktionäre Rolle für den Klassenkampf spielen. Eben aus diesem Grund braucht es eine oppositionelle Arbeit in den DGB-Gewerkschaften.
Bildung von neuen Organen der Selbstorganisation
Die Gewerkschaften selbst umfassen nicht mehr als 20 Prozent der Arbeiter:innenklasse. Um die gesamte Masse der Klasse mit in den Kampf zu ziehen, braucht es breitere Formen der Selbstorganisation, wie Aktionskomitees und Fabrikkomitees,um koordinierende Streikausschüsse oder Streikversammlungen von unterschiedlichen streikenden Sektoren aufzubauen, die die Spaltungen, die oftmals seitens der Gewerkschaftsbürokratie mitgetragen werden, zu überwinden:
[…] Um aber eine echte Vereinigung aller ihrer Sektoren zu entwickeln und ihre Forderungen mit denen der anderen unterdrückten Sektoren in Einklang zu bringen, ist es notwendig, neue Organisationen zu entwickeln, die über die gewerkschaftlich organisierte Minderheit der Arbeiter:innen hinausgehen. […] Diese Selbstorganisation kann die Avantgarde-Tendenzen stärken und auf diese Weise eine vom Staat unabhängige Arbeiter:innenbewegung aufbauen, die die Perspektive einer Regierung der Arbeiter:innenklasse und der Massen aufwirft. Die Bedeutung des Aufbaus von Institutionen der Selbstorganisation für den Klassenkampf (2020).
Eine andere Bedeutung der Instanzen der Selbstorganisation wie Aktionskomitees oder gemeinsame umfassende Streikversammlungen ist, dass sie den Revolutionär:innen ermöglichen, mit bescheidenen Kräften in der Basis einen viel größeren Einfluss in Gewerkschaften auszuüben als in isolierten Streiks. Es muss ein Kampf darum geführt werden, dass die Organe der Selbstorganisation von der Bürokratie selbst anerkannt werden und die Bürokrat:innen ihre eigenen Vorschläge vor der Basis rechtfertigen müssen. Sie können also ein Mittel sein, um eine Einheitsfront, also eine taktische Aktionseinheit aller Strömungen der Arbeiter:innenbewegung – seien sie reformistisch oder revolutionär –, für konkrete Forderungen durchzusetzen.
Es gibt auch eine strategische Rolle des Ausbaus von solchen Organen der Selbstorganisation und der Einheitsfront – eine für die Eroberung der Macht durch die Arbeiter:innenklasse notwendige Rolle. Sie braucht ihre Selbstorganisation nicht nur, um erfolgreiche Streiks zu organisieren, die größtmögliche Einheit ihrer Sektoren aufzubauen und den Widerstand der Bürokratien zu brechen, sondern auch um Erfahrungen mit direkter proletarischer Demokratie zu sammeln.
Diese Kampferfahrungen kann die Arbeiter:innenklasse in Selbstorganisationsorganen wie Aktionskomitees machen, die sich sektor- und berufsübergreifend organisieren, um die Kämpfe der Arbeiter:innen zu vereinheitlichen, zu koordinieren und ihnen einen allgemeinen politischen Ausdruck zu verleihen. Die Arbeiter:innenklasse braucht solche Organe, um in entscheidenden revolutionären Krisen nicht nur ihre Interessen gegen Angriffe zu verteidigen, sondern um die politische Macht an sich zu kämpfen, also von der Defensive in die Offensive zu gehen. Dieser Prozess geht einher mit der Bildung von entsprechenden Organen der proletarischen Demokratie für den Kampf um die Macht, die in der Geschichte beispielsweise als Arbeiter:innenrat oder Sowjets aufgetreten sind. Aktionskomitees können sich in revolutionären Situationen zu solchen Organen umwandeln.
Trotzki erklärt die Beziehung zwischen Aktionskomitees und Sowjets wie folgt:
Unter gewissen Umständen können die Aktionskomitees Sowjets werden. […] Die Aktionskomitees in ihrem heutigen Stadium sollen dazu dienen, den Abwehrkampf der werktätigen Massen Frankreichs zusammenzufassen und ihnen so das Bewusstsein ihrer eigenen Kraft für den künftigen Angriff zu vermitteln. Ob es zu echten Sowjets kommen wird, das hängt davon ab, ob die heutige kritische Situation in Frankreich sich bis zu den letzten revolutionären Schlussfolgerungen entwickeln wird. Das hängt selbstverständlich nicht nur von dem Willen der revolutionären Avantgarde ab, sondern auch von einer Reihe objektiver Bedingungen. Trotzki, Volksfront und Aktionskomitees (1935), zitiert nachEmilio Albamonte und Matias Maiello, Trotzki, Gramsci und der Aufstieg der Arbeiter:innenklasse als hegemoniales Subjekt (2021).
Politische Massenstreiks und hegemoniale Politik
Die deutsche Gewerkschaftsbürokratie hält an der Trennung zwischen dem ökonomischen und politischen Kampf der Arbeiter:innenklasse fest. Für ökonomische beziehungsweise tarifierbare Forderungen wird zu Streiks aufgerufen, während Abwehrkämpfe gegen politische Reformen, wie die Erhöhung des Renteneintrittsalters, nicht organisiert werden. Ebenfalls wird der Kampf zu Forderungen wie der Einführung einer Vermögenssteuer, dem Stopp der Aufrüstung und des Kriegs oder Fragen der Unterdrückung sowie zum Klima der „Politik“ überlassen. Zu diesen Fragen dürfen und sollen sich die Arbeiter:innen in Streiks nicht äußern. Hierzu sollen sie auch keinen Kampf führen; stattdessen haben sie alle vier Jahre die Wahl, das Kreuz bei einer bürgerlichen Partei zu machen.
Gewerkschaftsbürokrat:innen machen Lobbyarbeit in Parlamenten und staatlichen Gremien, wie der „konzertierten Aktion“, mit dem erklärten Ziel, durch Verhandlungen auf bestimmte politische Verbesserungen hinzuarbeiten. Was in der Tat jedoch geschieht ist, dass sie seitens des bürgerlichen Staates dazu benutzt werden, dessen Politik im Interesse des Unternehmertums besser zu verpacken und gegenüber den Arbeiter:innen zu vertuschen. Das geschah im großen Stil während der Einführung der Hartz IV Gesetze 2004, als die Gewerkschaften diese Reform mitverhandelt haben anstatt dagegen zu Streiks aufzurufen.
Damit die Arbeiter:innenklasse als ein politisches gesellschaftliches Subjekt für ihre Interessen kämpfen kann, muss sie politische Massenstreiks organisieren. Nur dadurch kann sie das notwendige politische (Selbst-)Bewusstsein erlangen, das den Aufbau einer anderen Gesellschaft möglich macht, in der nicht Profit, sondern die Bedürfnisse der Menschen im Vordergrund stehen. Es ist völlig unzureichend, dass die Revolutionär:innen ihre Forderungen und Aktionsvorschläge in Gewerkschaften auf ökonomische Fragen beschränken, da sie dadurch auf eine politische Konfrontation mit dem politischen Regime und der Sozialpartnerschaft verzichten.
Vielmals wird argumentiert, dass politische Streiks ja in Deutschland eben aufgrund vergangener richterlichen Entscheidungen verboten sind und daher es kein Weg existiert diese durchzuführen. In der Geschichte der BRD gab es jedoch zahlreiche de facto politische Streiks: 1968 gegen die Notstandsgesetze, 1996 gegen die Kürzung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall oder die Proteste der IG Metall gegen die Rente mit 67 während der Arbeitszeit in 2007.
Ob ein Streik mit politischen Zielen von bürgerlichen verboten wird oder nicht, hängt von Kräfteverhältnissen zwischen den sich in Bewegung setzenden Massen und den Regierenden ab. Nichtsdestotrotz muss die Tradition als Arbeiter:innen und Gewerkschaften für politische Forderungen auf die Straße zu gehen und zu streiken, in Belegschaften neu etabliert werden. Dafür können gewerkschaftliche Demonstrationen mit politischen Forderungen an Landes- und Bundesregierungen, die an tariflichen Streiktagen organisiert werden eine Brücke zwischen dem ökonomisch-tarifierbaren und politischen Forderungen bilden. Während also auf offiziellen Streikaufrufen nur tarifierbaren Forderungen stehen, können um den Tarifverhandlungen herum, eine politische Protestbewegung mit politischen Forderungen aufgebaut werden.
Eine solche Politisierung der großen Tarifrunden ist sehr wichtig, da indem gewerkschaftlich organisierte Teile der Arbeiter:innenklasse politische Forderungen an die Regierung wie die Anpassung aller Sozialleistungen an die Inflation, Stopp aller Kürzungs-/Privatisierungsvorhaben oder Erhöhung des Renteneintrittalters aufnehmen, können sie Millionen von Arbeiter:innen, die in anderen Sektoren arbeiten oder arbeitslos sind etc. mit in den Kampf ziehen. Es geht also darum, gegen die Spaltungen zwischen den Sektoren zu überwinden und alle für alle kämpfen, anstatt alle Teilsektoren für sich.
Lenin wirft in diesem Kontext auch das Konzept des „Volkstribuns“ auf:
Man kann nicht genug betonen, daß das noch nicht Sozialdemokratismus [Revolutionäre Marxismus der frühen 20. JH in Russland, anm. der Redaktion] ist, daß das Ideal eines Sozialdemokraten nicht der Sekretär einer Trade-Union, sondern der Volkstribun sein muß, der es versteht, auf alle Erscheinungen der Willkür und Unterdrückung zu reagieren, wo sie auch auftreten mögen, welche Schicht oder Klasse sie auch betreffen mögen, der es versteht, an allen diesen Erscheinungen das Gesamtbild der Polizeiwillkür und der kapitalistischen Ausbeutung zu zeigen, der es versteht, jede Kleinigkeit zu benutzen, um vor aller Welt seine sozialistischen Überzeugungen und seine demokratischen Forderungen darzulegen, um allen und jedermann die welthistorische Bedeutung des Befreiungskampfes des Proletariats klarzumachen.“Lenin, Was tun? (1902).
Die Aufgabe der revolutionären Arbeiter:innen ist also nicht (nur), die besten gewerkschaftlichen Kämpfer:innen, sondern ein Volkstribun zu sein. Es ist daher notwendig, dass aus Stellungen der Arbeiter:innenbewegung gegen jegliche Unterdrückung und Erscheinungen der kapitalistischen Krise eine Agitation gemacht wird. So kann die Arbeiter:innenklasse den Anspruch formulieren, alle unterdrückten Sektoren der Gesellschaft, wie Frauen, Queers oder Migrant:innen, im Kampf für eine befreite Gesellschaft anzuführen – also für eine eigene proletarische Hegemonie entgegen der bürgerlichen Hegemonie zu kämpfen.
Kampfschulen und die Erkämpfung von Stellungen
Besonders in relativ friedlichen Zeiten des Klassenkampfes, in denen vorrangig ökonomische Abwehrkämpfe wie für Lohnerhöhungen oder gegen Schließung eines Betriebs stattfinden, ist es die Aufgabe der Revolutionär:innen, diese Kämpfe als „Kampfschulen“ zu betrachten. Denn es ist keineswegs so, dass ein richtiges Programm und eine richtige Strategie im Abstrakten die Massen automatisch zum Sieg führen. evolutionär-sozialistischen Arbeiter:innen müssen selbst erlernen, wie man einzelne Kämpfe aus der Isolation herausbringen kann, welche Taktiken gegen die Bürokratie und reformistische Führungen anzuwenden sind.
Nur so ist es auch möglich, defensive Stellungen in der Arbeiter:innenklasse zu erkämpfen. Gemeint sind damit Betriebe oder Orte, an denen die Kräfte der revolutionären Arbeiter:innen konzentriert sind und die Selbstorganisation der Beschäftigten dazu fähig ist, Widerstände der Bürokratie für taktische Initiativen zu brechen sowie eine Politik von diesen Orten aus zu anderen Kämpfen und sozialen Bewegungen zu machen.
Um in revolutionären Situationen in der Arbeiter:innenbewegung genug Einfluss zu gewinnen und ihre Mehrheit unter einer revolutionären Perspektive zu vereinen, müssen bereits in Phasen davor Stellungen an strategischen Positionen der Arbeiter:innenklasse erkämpft werden. Diese sind Orte, an denen die Produktion und Reproduktion der Gesellschaft stattfindet, ohne deren Kontrolle der Kapitalismus nicht funktionieren kann und wo die Arbeiter:innenklasse zahlenmäßig konzentriert ist.
Antibürokratische und klassenkämpferische Strömung
Um taktische Kämpfe zu führen, ist es notwendig, dass revolutionär-sozialistische Arbeiter:innen eine Politik der Einheitsfront gegenüber der Gewerkschaftsbürokratie und den reformistischen Führungen verfolgen. Also anhand bestimmter gemeinsamer taktischer Ziele, wie Lohnerhöhungen oder Abwehr bestimmter Angriffe der Regierung, gemeinsame Kämpfe führen. Eine Einheitsfront bedeutet immer, einerseits reformistische Führungen in eine solche Front zu zwingen, andererseits aber sie innerhalb dieser n Front politisch zu bekämpfen, um ihre Basis für ein revolutionäres Programm zu gewinnen. Orte für diese Einheit in der Aktion sind Streikversammlungen, Betriebsgruppen und weitere Organe, in denen sich alle Arbeiter:innen unabhängig von ihrer politischen Zugehörigkeit für den Kampf sammeln.
Eine Einheitsfront bedeutet jedoch nicht, die politische Kritik an den reformistischen Führungen hintenan zu stellen oder den Gewerkschaftsapparat selbst, also die hauptamtlichen Posten, als ein Feld des Kampfes zu betrachten. Die Gewerkschaften können nicht „mit richtigen Leuten, an den richtigen Posten“ revolutioniert werden, sondern alle Posten sollten seitens der Gewerkschaftsmitglieder gewählt und besetzt werden und Prinzip des imperativen Mandats beinhalten.
Taktiken, wie als einzige:r Gewerkschaftsaktivist:in in Leitungsgremien der Gewerkschaft zu kandidieren, ohne die Mehrheit der Kolleg:innen in der Basis für die eigenen Positionen zu gewinnen, können Widersprüche mit sich bringen. Erstens, weil man als Einzelperson ohne Basis in solchen halbbürokratischen Gremien keine Macht besitzt und leicht erpressbar ist. Zweitens sind Errungenschaften, die „von oben“ ohne einen Kampf der Gewerkschaftsbasis mit ihrer Führung erreicht werden, nicht nachhaltig, da sie leicht wieder weggenommen werden können –ohne eine große Basis, die sie verteidigen würde. Daher braucht es stets einen offenen Kampf mit der sozialpartnerschaftlichen Führung und der Gewerkschaftsbürokratie vor der Gewerkschaftsbasis in größtmöglichen demokratischen Versammlungen.
Es braucht eine linke Opposition in Gewerkschaften, eine antibürokratische und klassenkämpferische Strömung, die sich unabhängig von allen Teilen der Bürokratie auf die Organisierung in den Betrieben, Versammlungen und Aktionskomitees in den Streikbewegungen stützt und an diesen Orten um die Mehrheit kämpft. Nur auf Grundlage dieser Organisierung der Basis wird es möglich sein, die Gewerkschaft zu revolutionieren und eine neue Führung zu bilden.
Eine solche politische Strömung muss jeglichem Einfluss der Regierungsparteien und des Reformismus, auch der Partei DIE LINKE in Deutschland, widersetzen. Zugleich muss sie tausenden Arbeiter:innen und Mitglieder der Gewerkschaften erreichen können, die noch nicht zu revolutionären Schlussfolgerungen gekommen sind, jedoch eine Einigkeit im Kampf gegen die Gewerkschaftsbürokratie, den Einfluss des Reformismus und des bürgerlichen Staates in Gewerkschaften haben und einem politischen Aktionsprogramm der Arbeiter:innenklasse zustimmen.
Ebenfalls ist es notwendig, dass diese antibürokratische und klassenkämpferische Gewerkschaftsströmung einen Kampf gegen die bürgerlichen Ideologien führt, die entweder durch die Gewerkschaftsbürokratie oder den Einfluss der bürgerlichen Medien in die Reihen der Arbeiter:innenklasse gebracht werden. Dazu zählen etwa die Befürwortung des Militarismus und der imperialistischen Politik der eigenen Regierung, Rassismus gegenüber Geflüchteten, Arbeiter:innen anderer Länder oder migrantische Kolleg:innen sowie die Befürwortung von sexistischer Unterdrückung. Der beste Weg, diese Einflüsse zu bekämpfen, ist eben, Gewerkschaftsstrukturen vorzuschlagen, sich an gesamtgesellschaftlichen politischen Aktionen und Mobilisierungen dagegen zu beteiligen und diese Fragen mit dem ökonomischen Kampf zu verbinden. Außerdem muss eine ideologische Bildungsarbeit geleistet werden. Besonders in Zeiten der Aufrüstung und des Kriegs ist es notwendig, die Gewerkschaftsbasis gegen die Propaganda der Regierung aktiv werden zu lassen.
Rückeroberung der Gewerkschaften und revolutionäre Führung
Gewerkschaften stehen stets unter bestimmten politischen Führungen, seien sie sozialdemokratisch, christlich, anarchistisch. Besonders in der imperialistischen Epoche besteht das Ziel der Bourgeoisie darin, mittels der Gewerkschaftsbürokratie die Arbeiter:innenbewegung zu kontrollieren und somit dafür zu sorgen, dass die Gewerkschaften nicht mehr als Kampforgane der Klasse dienen. In diesem Sinne ist es eine Illusion, von einer Rückkehr zu der „Neutralität“ der Gewerkschaften zu sprechen, bei der die Gewerkschaften nur den Tagesbedürfnissen der Arbeiter:innenklasse dienen sollen.
Vielmehr existiert die Notwendigkeit, sie unter eine andere als die aktuelle sozialdemokratische Führung zu stellen – also unter eine revolutionär-sozialistische Führung, um aus den Gewerkschaften wieder politische Kampforgane der Klasse zu machen.
Wie wir an einer anderen Stelle geschrieben haben:
Eine solche [antibürokratische] Strömung wird allerdings nicht allein aus dem Interessengegensatz zwischen Bürokratie und Basis entstehen. Vielmehr besteht die Aufgabe darin, eine politische Organisation aufzubauen, die selbst von allen Formen staatlicher und gewerkschaftlicher Bürokratie unabhängig bleibt, und sich den Kampf für eine antibürokratische Strömung in den Gewerkschaften bewusst vornimmt. Dazu gehört ebenso der politische Kampf gegen den Reformismus, der mit den Parteien SPD und DIE LINKE in verschiedenen Regierungen sitzt und gleichzeitig die Gewerkschaften anführt.Marco Helmbrecht, Streiken gegen Aufrüstung: Geschichte und Aktualität einer gewerkschaftlichen Losung (2022).
Ohne eine politische Alternative zu den Parteien wie der SPD oder LINKEN aufzubauen, ist es nicht möglich, die Illusionen der Arbeiter:innenklasse in diese reformistischen Parteien abzubauen. Selbst die kämpferischten Gewerkschaftsaktivist:innen, die keine politische Organisation anbieten können, wären zu machtlos gegenüber großen politischen Apparaten, um tausende Arbeiter:innen von einer revolutionären Perspektive zu überzeugen. Damit die Gewerkschaften politisch vollständig unabhängig von Regierungsparteien sind, müssen sie mit allen ihren Apparaten und Perspektiven, also mit der Verteidigung des Privateigentums und der kapitalistischen Ordnung brechen.
Daher ist die Frage einer revolutionären Führung für die Gewerkschaften und ihre Unabhängigkeit mit dem Aufbau einer revolutionär-sozialistischen Partei eng verbunden, die sich die Aufgabe stellt, die Mehrheit der Arbeiter:innenklasse von der Notwendigkeit einer sozialistischen Revolution zu überzeugen.
Diese Partei wäre jedoch kein Wahlapparat, wie die reformistischen Parteien, die das Ziel verfolgen, mit Versprechen und guten Wahlergebnissen Teil einer bürgerlichen Regierung zu sein, um am Ende wieder eine Politik, die dem Kapital nützt, zu machen. Im Gegenteil muss sie eine Kampfpartei sein – ein Instrument der Arbeiter:innenklasse in Streiks, politischen Kämpfen, Besetzungen, im Klassenkampf. Damit sie in diesen Kämpfen siegen kann, muss sie durch ihren Einsatz das Vertrauen der Arbeiter:innenklasse gewinnen.
Nur durch eine neue revolutionäre Führung einer revolutionären Partei ist es möglich, das allgemeine Interessen der Arbeiter:innenklasse durchzusetzen, welches nichts anderes als der Kampf um eine Arbeiter:innenregierung sowie die Abschaffung des gesamten Ausbeutungssystems ist. So werden die Grundlagen für eine Welt ohne Ausbeutung und Unterdrückung geschaffen.