„Soziales rauf – Rüstung runter“: Welche Friedensbewegung brauchen wir?

11.10.2024, Lesezeit 10 Min.
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Palästina-Demonstration in Berlin. Foto: KGK

München, 12. Oktober: Erstmals seit Ankündigung der Zeitenwende rufen ver.di und die GEW München zu einer Demonstration unter dem Motto „Soziales rauf – Rüstung runter“ auf. Diese Mobilisierung ist eine wichtige Intervention gegen den Zeitgeist der „Kriegstüchtigkeit“. Welche Friedensbewegung brauchen wir?

Der Sozialabbau in allen Bereichen außer der Bundeswehr steht im Aufruf der beiden Gewerkschaften richtigerweise unter Kritik, da er die Kehrseite der massiven Aufrüstung aufzeigt. Als wäre es nicht genug, dass in Bereichen wie Bildung, Gesundheit und bei der Bahn seit Jahren massive Investitions- und Personalmängel existieren, zielt die Ampelregierung darauf ab, diese Bereiche weiter auszutrocknen. Mehr noch schlägt sie mit Kürzungen beim Arbeitslosengeld und bei Geflüchteten gegen die ärmsten Teile der arbeitenden Klasse.

Diese reaktionären Maßnahmen müssen bekämpft werden, da sie den Nährboden für den Aufstieg der AfD und anderer extrem rechter Kräfte bilden. Nazis trauen sich vermehrt wieder auf die Straßen, wie ihre Mobilisierungen gegen die CSD-Paraden in den letzten Monaten zeigen. Auch der Antifeminismus ist wieder auf dem Vormarsch, während der rechte Diskurs Gewalt gegen Frauen fälschlicherweise zu einem Problem der Migrant:innen erklärt. Der neueste rassistische Vorstoß der FDP bezüglich einer weiteren Asylrechtsverschärfungen, in der die Versorgung von „Ausreisepflichtigen“ auf Bett, Seife und Brot reduziert werden soll, zeigt, dass die Ampel keine Verbündete in diesem Kampf darstellt. Mit dieser Spaltungsoffensive werden ausländerfeindliche Ängste geschürt, um letztlich uns Arbeiter:innen in Konkurrenz zu bringen, sodass die Aufrüstung und Sparmaßnahmen ohne Widerstand durchgesetzt werden. Auf die sogenannte „Brandmauer“ gegen die AfD ist kein Verlass. Wir brauchen Einheitsfronten der Arbeiter:innenorganisationen mit Mobilisierungen gegen den Aufstieg der Rechten, die Kürzungen und Militarisierung. Wir sagen nein zur Spaltung: Offene Grenzen und Bleibe- und Arbeitsrecht für alle Geflüchteten!

Diese massive Aufrüstung, Sozialkürzungen und Rassismus stehen im Kontext von drei Jahren Ukraine Krieg, dem seit einem Jahr laufenden Genozid in Gaza und der aktuellen Ausweitung des Krieges auf den Libanon durch die israelische Armee. Während die NATO-Staaten die ukrainische Armee mit Waffenlieferungen und Wirtschaftspaketen fördern, um ihre Stellung gegenüber Russland langfristig zu sichern, zeigen sie in Palästina und im Libanon, welche Achtung sie Menschenrechten und Selbstbestimmung geben – nämlich gar keine. Scholz kündigte im Bundestag bereits weitere Waffenlieferungen an Israel an.

Keine Anpassung an die Rechten!

Angesichts dieser Lage muss die Frage aufgeworfen werden: Wie steht es heute mit der  Friedensbewegung? Im Falle des DGB scheint aktuell ein Doppelspiel sichtbar: Einerseits passt er sich an die deutsche Staatsräson an, vor allem durch die kürzlichen Mobilisierungen zu den pro-israelischen Demonstrationen. Es ist ein Armutszeugnis, dass sich der DGB unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Antisemitismus mit denjenigen Kräften zusammenschließt, die mit Einschränkungen der Versammlungs- und Meinungsfreiheit und mittels polizeilicher Repression den Protest gegen den Genozid in Gaza unterdrücken. Ausgerechnet im Moment der neuen Kriegseskalation Israels im Libanon demonstrierte er zusammen mit Markus Söder und anderen pro-zionistischen Kräften. Die Absurdität der DGB-Position wird vor allem angesichts der Aufrufe zum Waffenstillstand und zu gemeinsamen Aktionen gegen die israelische Kriegsmaschinerie von zahlreichen internationalen Gewerkschaftsverbänden klar sichtbar.

Auf der anderen Seite fand in Berlin am 3. Oktober vom Bündnis „Nie wieder Krieg“ eine Großdemonstration mit mehr als 30.000 Teilnehmenden statt, zu der auch Teile der IG Metall aufgerufen hatten. Diese Demonstration als Bündnis der Kräfte von BSW, über Teile der SPD bis hin zum CSUler Peter Gauweiler zeigte jedoch ihre Untauglichkeit, eine Perspektive gegen Krieg und Unterdrückung zu entwickeln. Die Vision von Wagenknecht und ihren Verbündeten für ein „souveränes Deutschland“ konfrontiert nur einige Auswüchse, doch nicht die grundsätzliche Logik der Aufrüstungs- und  Abschottungspolitik oder die Interessen der kapitalistischen Konzerne. Im Gegensatz zur Linkspartei, deren Europaabgeordnete Carola Rackete kürzlich für den Einsatz von Marschflugkörpern „Taurus“ für die Ukraine stimmte, stellt sich das Bündnis korrekterweise gegen Waffenlieferungen. Doch zugleich blieb von der Bühne die Kritik an Russlands Invasion in der Ukraine ausgespart, während zu Gaza lediglich zaghafte Bemerkungen kamen. Diese Anpassung der Friedensbewegung an den Rechtsruck geht mit der Illusion nach Friedensverhandlungen von oben mit Putin einher, die den Interessen der internationalen Solidarität und der Selbstbestimmung der arbeitenden Klasse weltweit entgegensteht. Wir sagen: Weder Putin noch NATO! Nieder mit dem Genozid, Freiheit für Palästina!

Die weltweite palästinasolidarische Bewegung hat Ansätze einer wahrhaften internationalen Solidarität von unten gezeigt, mit der Studierendenschaft an ihrer Spitze. Diese Avantgarde hat deutlich gemacht, dass trotz aller Repression und erlogenen Vorwürfen des Antisemitismus der Kampf gegen Krieg und Rassismus in den Orten beginnt, in denen wir uns täglich aufhalten. Wir brauchen eine Massenbewegung gegen Genozid, Aufrüstung und Abschottung. Keine konservative Friedensbewegung. Migrantische Kolleg:innen erleben aktuell ein Klima des Hasses, während viele zuschauen müssen, wie ihre Familienangehörige in den Kriegen sterben. Die Gewerkschaften dürfen dazu nicht weiter untätig bleiben. Sie müssen zu Streiks gegen den Genozid aufrufen, wie kürzlich im Spanischen Staat.

Für eine Antikriegsbewegung unter Führung der Arbeiter:innenklasse

Die Gewerkschafts-Demonstration am 12. Oktober kann ein Ansatz für eine politische Wende sein. Diese Bewegung muss jedoch Klarheit entwickeln, welche Ziele tatsächlich eine friedliche Welt vorantreiben können. Es gilt klar zu benennen, wer inmitten der Krise Milliarden Gewinne macht: Allen voran ist es die Rüstungsindustrie mit Rheinmetall, Krauss-Maffei, Thyssen-Krupp und Co. die genauso wie vor 80 Jahren weiterhin Milliarden durch das Leid und Tod anhäufen.

Ebenso sind es diese vermeintlichen „Arbeitgeber“, die trotz ihrer massiven Profite, die allgemeine wirtschaftliche Stagnation ausnutzen, um ihre Angriffspläne für Stellenabbau und Entlassungswellen zu schmieden. Die Kündigung des Tarifvertrags bei VW, der einseitige Entlassungen bereits ab kommenden Jahr ins Spiel bringt, ist ein klares Signal, dass kein Arbeitsplatz sicher ist, weshalb die Gewerkschaften die Aufgabe übernehmen müssen, die Betriebe und die Arbeitsplätze der Kolleg:innen zu sichern. Auch in München müssen wir uns gegen die Sparpolitik stellen, wie etwa gegen die Schließung des Kreißsaals Neuperlach oder gegen die Kürzungen im Kulturreferat. Wir sagen Nieder mit den Entlassungen, Geschäftsbücher auf!

Dies gilt auch für die derzeitige Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie sowie im kommenden Jahr für den öffentlichen Dienst: Die Gewerkschaften müssen eine Perspektive entwickeln gegen Kürzungen und Stellenabbau, die mit einem Kampf gegen Krieg und Rassismus einhergeht. Die IG Metall muss eine Antikriegsbewegung mit anführen, statt auf vermeintlich sichere Jobs in der Rüstungsindustrie zu schielen. Mit dem Krieg in der Ukraine erhoffen sich die großen Konzerne den Zugang zu billigen Arbeitskräften und Rohstoffen, um aus ihrer selbstverschuldeten Krise zu kommen. Die IG Metall darf diese Logik der imperialistischen Eroberung nicht mitgehen. 

Für eine sozialistische Planwirtschaft

Somit reicht es nicht aus, „Vermögenssteuern und höhere Steuern für Gewinne“ statt Schuldenbremse zu fordern. Eine neue Friedensbewegung, die den Aufgaben der Stunde gewachsen ist, muss sich als oberste Aufgabe, neben der Opposition zur Aufrüstung und zum Krieg, die entschädigungslose Enteignung dieser Krisen- und Kriegsprofiteure setzen. Staatliches Eigentum unter bürgerlichen Regierungen ist keine Garantie für bessere und langfristige Arbeitsplätze, wie zuletzt an der Teilprivatisierung des Hamburger Hafens trotz des Widerstands der Hafenarbeiter:innen sichtbar wurde. In diesem Sinne muss der Kampf um Enteignungen mit dem Kampf um ihre Kontrolle durch die Arbeiter:innen der Betriebe zusammen geführt werden. 

Dies ist die wichtigste Voraussetzung, damit die Arbeiter:innen aller Sektoren ihre Arbeitsplätze sichern können und damit ein kollektiver Einblick in die wirtschaftlichen Bedingungen der Unternehmen und gegebenenfalls die Beteiligung an Kriegen sichtbar wird. Ebenso ist es die Voraussetzung, um den massiven Personal- und Fachkräftemangel zu beheben, anhand der Senkung der Arbeitszeit bei der Beibehaltung des Lohns, die Platz für Hunderttausende von geflüchteten Kolleg:innen ermöglichen wird. Die Geflüchteten sind nicht unserer Konkurrent:innen, sondern unsere Klassengeschwister, mit denen wir uns zusammen gegen Bosse und Regierung stellen und eine bessere Welt aufbauen wollen.

Es braucht die Enteignungen von Konzernen und Wohnungsspekulanten, demokratische Planung der Produktion und eine Verstaatlichung von Schlüsselindustrien und zentraler Infrastruktur, um eine Alternative zum profitorientierten kapitalistischen System zu schaffen. Anders als unter dem bürokratischen Kommando der DDR wollen wir ein sozialistisches Rätesystem, in dem alle Menschen ihre Bedürfnisse und Ideen einbringen können, für eine Planwirtschaft, die Schluss macht mit Krisen und Profitstreben. Die Strukturen für die Selbstorganierung unserer Klasse müssen heute schon in Versammlungen geschaffen werden: in Betrieben, Schulen und Unis, in den Abwehrkämpfen bei VW und am Hafen, in den Tarifrunden im öffentlichen Dienst, in der studentischen Palästinabewegung und in Initiativen gegen Rechts.

In diesen Kämpfen muss das Hauptaugenmerk einer neuen Friedensbewegung stehen, die die Verteidigung unserer Arbeitsplätze und unserer demokratischen Freiheiten wie dem Erhalt des Streikrechts, besonders in den strategischen Sektoren der Produktion und Logistik mit dem dem Kampf für Abrüstung und Frieden verbindet. Eine solche Massenbewegung muss von den Gewerkschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen ausgehen und mit der sozialen Kraft der Arbeiter:innen, der Migrant:innen und Studierenden vonstattengehen. Es braucht Versammlungen in den Betrieben, logistischen Zentren, Krankenhäusern und Bildungsstätte, damit es nicht einmalige Aktionen, sondern tägliche Initiativen aus allen Sektoren der Arbeiter:innenklasse und der Jugend gibt, die sich mittels von Massendemonstrationen und Streiks mit aller Kraft ausdrücken. Sie müssen damit auch eine alternative Politik zu den bürokratischen Führungen der Gewerkschaften aufbauen, die dieser Perspektive heute im Weg stehen.

Komm mit uns für diese Perspektive am 12. Oktober auf die Straße und kontaktiere uns, um darüber hinaus aktiv zu werden gegen den Krieg, die Aufrüstung und die Sparmaßnahmen.

Samstag, 12. Oktober, 14 Uhr, Odeonsplatz, München

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