Solidarität ist mehr als Hilfe

28.10.2015, Lesezeit 5 Min.
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// Wir spiegeln ein programmatisches Papier von Waffen der Kritik München, ein Projekt von unabhängigen Studierenden, Lohnabhängigen und RIO, zur aktuellen Geflüchtetenfrage. // Volle Bürger*innenrechte für Geflüchtete in der Gesellschaft und an der Uni! //

Die Welle zivilgesellschaftlicher Solidarität gegenüber den an den Bahnhöfen ankommenden Geflüchteten war überwältigend. Auch viele Studierende beteiligten sich und wurden ehrenamtliche Helfer*innen. Sie übernahmen dabei Aufgaben, die eigentlich der Staat übernehmen muss – Versorgung mit Wasser, Essen, Hygieneprodukten, Spielzeug und auch seelische Ersthilfe.

Ihren Dank drückten die Geflüchteten in „Deutschland“-Sprechchören aus, nicht selten waren Bilder der Bundeskanzlerin an den Bahnhöfen zu sehen. Polizei und Regierung nahmen diese Bekundungen ihrerseits dankbar auf, konnten sie sich auf diese Weise als verständnisvoll und im Vergleich zu Ungarn als geradezu „geflüchtetenfreundlich“ inszenieren. Dabei fußt der Erfolg des deutschen Kapitals auf der wirtschaftlichen Ausbeutung sowohl Europas als auch eben jener Staaten, aus denen viele Geflüchtete kommen. Deutschland als hegemoniale Macht innerhalb Europas hat deswegen mehr als genug Mittel für Geflüchtete.

Deutschland kontrolliert Europa

Noch wird an der deutschen Grenze kein Zaun errichtet, auch wenn die Forderung danach von AfD und CSU lauter wird. Die Maßnahmen der Bundesregierung zielen darauf, die Kontrolle wiederzugewinnen, die Flucht zu erschweren und „unerwünschte“ Geflüchtete schneller wieder abzuschieben.

Dafür kooperiert sie einerseits mit dem mörderischen Regime des türkischen Staates, um Geflüchtete frühzeitig vor den EU-Außengrenzen aufzuhalten. Andererseits setzt die Bundesregierung eine dramatische Asylrechtsverschärfung durch, die erlaubt Geflüchtete nach Belieben zu inhaftieren. Diese zudem sieht vor, dass Abschiebungen beschleunigt und die Balkanstaaten Albanien, Kosovo und Montenegro zu sogenannten „sicheren Herkunftsstaaten“ erklärt werden, obwohl dort insbesondere Sinti und Roma starker Verfolgung ausgesetzt sind. Dieses Gesetz wird nicht nur von der Großen Koalition, sondern auch von Teilen der Bundestagsfraktion der Grünen getragen.

Wer mit unsicherer Perspektive bleiben darf, muss sich medial als „Hilfsempfänger*in“ bezeichnen lassen, was rassistische und chauvinistische Ressentiments weiter schürt. Asylsuchende haben demnach noch „dankbar“ zu sein für minimale Almosen. Bei Will, Jauch und Co. wird behauptet, „Deutsche“ hätten generell ein anderes Interesse als Geflüchtete. Auch die Politik nutzt dafür bewusst den von ihr selbst erzeugten Mangel: entweder Turnhallen für Sportunterricht deutscher Schüler*innen oder als Geflüchteten-Unterkunft; entweder Lohnerhöhungen für deutsche Arbeiter*innen oder Leistungen für Geflüchtete; mehr Geld entweder für Hochschulen oder für Integration. Eine derart perfide Spaltung dürfen wir nicht zulassen! Denn die Geflüchteten sind Teil der lohnabhängigen Klasse. Wegen ihres ungeklärten Status hat das Kapital mit ihnen leichtes Spiel – sie werden überausgebeutet und als Lohndrücker*innen missbraucht. Wenn Geflüchtete als handelnde Subjekte auftreten und ihre demokratischen Rechte auf Bildung, Bewegungsfreiheit und dergleichen einfordern, verschärfen sich alle ohnehin schon gegen sie gerichteten Repressionen.

Standortlogik oder gemeinsamer Kampf?

Hier sind die Gewerkschaften zur gemeinsamen Organisierung gefragt. Die Geflüchteten-Forderung nach Aufnahme in die Gewerkschaften bleibt aktuell. Die Funktionär*innen beschränken die Gewerkschaften aber leider weiterhin auf humanitäre Hilfe anstatt zu Großdemos oder gar Streiks aufzurufen.

Die Standortlogik, die die mächtigen Gewerkschaften lähmt, treibt auch den liberalen Diskurs an, nach dem Deutschland die Zuwanderung wegen des demographischen Wandels nötig habe. Allerdings sind den Liberalen nur für das Kapital nutzbare „Fachkräfte“ willkommen. Diese auch in Teilen der Linken zu findende Argumentation ist jedoch höchst gefährlich. Denn bei der nächsten großen Wirtschaftskrise und steigender Arbeitslosigkeit verstärkt sich die Ideologie der Konkurrenz um ein Vielfaches, die Spaltung entlang der Nationalität schlägt in rassistische Hetze und Gewalt aus.

Die Uni als Spiegel der Gesellschaft

Auch an der Universität zeigt sich die Spaltung von Deutschen und Migrant*innen, indem es Geflüchteten extrem erschwert wird, ein Studium aufzunehmen und für sie wesentlich härtere Zulassungsbedingungen gelten als für deutsche oder EU-Student*innen. Zwar bietet die LMU München seit dem Wintersemester 2015/2016 ein „Programm für Flüchtlinge zur Hinführung zum Studium“ an. Allerdings greift diese Maßnahme zu kurz, da neben Deutschkenntnissen auch eine Hochschulberechtigung gefordert wird. Dabei wird an der LMU Waffenforschung betrieben, die sich in die Kette aus Wissenschaft, Rüstung und Krieg einreiht. So wird in München die Bombe gebaut, die die Menschen hierher treibt.

Was wir für die Gesellschaft fordern, fordern wir auch für die Hochschulen. Denn die Universität ist ein Spiegel gesellschaftlicher Verhältnisse:

Wenn wir für die vollständige Öffnung der Grenzen eintreten, fordern wir auch die Öffnung der Hochschulen für Geflüchtete.

Wenn wir den Stopp von Waffenlieferungen fordern, dann auch den Stopp von Rüstungsforschung an der Uni.

Wenn wir alle Arbeiter*innen zum gemeinsamen Kampf mit Geflüchteten aufrufen, rufen wir dazu auch alle Student*innen auf.

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