Solidarität vom „Brot und Rosen“-Lesekreis zum Kreißsaal Neuperlach
In der ersten Sitzung des offenen Lesekreises zu dem Buch „Brot und Rosen - Geschlecht und Klasse im Kapitalismus“ haben sich junge Arbeiter: innen, Azubis und Studierende in München mit der Einleitung dieses Werkes beschäftigt. Im Anschluss wurde über einen aktuellen feministischen Arbeitskampf diskutiert: Die Schließung der Geburtshilfe in Neuperlach aus wirtschaftlichen Gründen, die sowohl die Arbeiter:innen, als auch die gebärenden Menschen dort treffen wird.
Vor einigen Wochen entschieden wir uns in München, einen offenen Lesekreis zum Buch „Brot und Rosen“ der sozialistischen Feministin Andrea D’Atri zu beginnen. Darin beschrieben wird die anhaltende Unterdrückung der Frauen und LGBTQI-Menschen, die strukturell an einem sicheren, freien und selbstbestimmten Leben gehindert werden. Zudem geht es um die Geschichte der feministischen Bewegung und dessen unterschiedlichen Kämpfe, unter anderem um das Wahlrecht, das Recht auf Arbeit und das Recht auf Abtreibung.
Letzten Donnerstag haben ein Dutzend Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter:innen der LMU und TU, sowie Azubis mit der Lektüre begonnen. Aus unserer Diskussion zu den ersten Seiten des Buches ging ein zentraler Punkt bereits eines hervor: Seit ihrem Beginn ist die soziale Bewegung gegen die patriarchale Unterdrückung von den Klassenverhältnissen der kapitalistischen Gesellschaft gekennzeichnet. Der historische Frauenkampftag am 8. März zeigt eben dies:
„Auch heute noch begehen wir an jedem 8. März den Internationalen Frauenkampftag. Aber zwischen all der Werbung für Blumen und Pralinen bleibt – für die große Mehrheit – der Ursprung dieses Gedenktages verborgen. Er liegt unter anderem in einem Protest, der von Arbeiterinnen des 19. Jahrhunderts organisiert wurde, um ihre Rechte einzufordern: Am 8. März 1857 streiken die Arbeiterinnen einer Textilfabrik in New York gegen die anstrengenden 12-Stunden-Tage und die miserablen Löhne. Sie werden von der Polizei angegriffen.“
-Andrea D’Atri, “Brot und Rosen” (Seite 24)
Des weiteren diskutierten wir über das Wesen des Buches, dass in der Analyse der feministischen Bewegung als Teil des Klassenkampfes, nicht beschreibend, sondern auffordernd ist:
„Die Arbeiter:innenklasse kann dabei die verarmten Massen und alle Unterdrückten als Verbündete anführen. Sie kann den Kapitalismus in seinem Herzen angreifen, seine Mechanismen der Aneignung und Plünderung lähmen und seine Kriegsmaschinerie gegen die Ausgebeuteten und Unterdrückten zerstören. Heute befinden sich Millionen von Frauen in den Reihen dieser Klasse. Das Kapital produziert diesen und noch viele andere Widersprüche. Die Bourgeoisie erschafft permanent aufs Neue ihre eigenen Totengräber:innen. Wir sind davon überzeugt, dass die Frauen der Arbeiter:innenklasse in den zukünftigen Kämpfen für die vollkommene Zerschlagung der ausbeutenden Klasse eine grundlegende Rolle spielen.“
-Andrea D’Atri, “Brot und Rosen” (Seite 35)
In diesem Sinne haben wir am Ende der Sitzung über den existierenden Kampf der Hebammen im Klinikum Neuperlach gesprochen. Ihr Kreißsaal ist von einer Schließung bedroht, sodass sie vor einigen Wochen eine Petition zum Erhalt veröffentlichten, welche mittlerweile über 18 Tausend Unterschriften hat. Wir wollen uns den Unterstützer:innen anschließen und unsere Solidarität mit den Kolleg:innen ausdrücken.
Ihr Kampf ist auch deshalb so wichtig, da es nicht sein kann, dass an der Gesundheit – besonders von uns Frauen und gebärfähigen Menschen- gespart wird, was ausdrücklich der Grund zur vorgesehenen Schließung ist. Erschreckend dabei ist der zugrundeliegende Trend, der vom Hebammen Verband folgendermaßen zusammengefasst wird: „1991 gab es noch 1186 Kliniken, in denen Geburten möglich waren. 2018 waren es nur noch 655 Kliniken mit Geburtshilfe. Und es geht weiter.“
Seit Jahrzehnten haben die regierenden Parteien CDU und SPD (letztere jetzt gemeinsam mit den Grünen und der FDP) ein profitorientiertes Gesundheitssystem aufgebaut, dass die Patient:innenversorgung gefährdet und den Kolleg:innen problematische Arbeitsbedingungen aufzwingt. So sieht man auf der Karte der oben genannten Website, dass eine Vielzahl der Kreißsäle aufgrund von Personalmangel (des Öfteren aufgrund von Kündigungen) geschlossen werden. In einer Zeit, in der Großkonzerne Milliarden Gewinnen machen, wollen wir nicht mehr dulden, dass „Wirtschaftlichkeit“ ein Grund zur Zerstörung unserer Berufe und sozialen Errungenschaften wird.
Deshalb wollen wir in den nächsten Tagen mit unterschiedlichen Gruppen der Münchner Linken, feministischen Organisationen, gewerkschaftlich Aktiven, unabhängigen Kolleg:innen und Komilliton:innen diskutieren, wie wir uns mit diesem Kampf weiterpraktisch solidarisieren können.
Wir sagen: Der Kampf um den Erhalt der Geburtshilfe Neuperlach ist ein feministischer Kampf! Der Kreißsaal bleibt!!!