Solidarität mit Palästina bedeutet Kampf gegen Rechts
Der Kampf gegen Rechts und der Kampf für ein freies Palästina bewegen aktuell viele Menschen, doch werden oft getrennt voneinander betrachtet. Warum Palästinasolidarität und der Kampf gegen den Rechtsruck zusammenhängen und was es bedeutet, die Kämpfe zu verbinden.
Die Europawahl, in der die extreme Rechte in vielen Ländern stärkste Kraft werden konnte, hat den Rechtsruck noch einmal verdeutlicht. In Deutschland konnte die AfD große Zugewinne machen und auch in der Jugend punkten. Doch der Rechtsruck beginnt und endet nicht mit der AfD – das gesamte politische Regime bewegt sich nach rechts. Zum einen haben sich die Ampelparteien und CDU die Forderungen der AfD immer weiter zu eigen gemacht, wie etwa mit der angekündigten Abschiebeoffensive, der europäischen Asylreform und Bezahlkarte für Geflüchtete, welche von der Ampel eingeführt und von der CDU/CSU für zu lasch kritisiert wurden. Zum anderen bereiten sie mit ihrer Verarmungs- und Kriegspolitik den Nährboden für den weiteren Aufstieg der extremen Rechten. Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) schlussfolgerte aus den Wahlergebnissen, dass sich seine Partei energischer gegen Islamismus und für „Steuerung“ der Migration einsetzen müsse. Die SPD geht in eine ähnliche Richtung, so forderte Olaf Scholz kurz vor der Wahl, Abschiebungen nach Afghanistan zu ermöglichen.
Der Rechtsruck wird von vielen als Bedrohung wahrgenommen und so entstehen immer wieder riesige Mobilisierungen gegen die extreme Rechte, wie am Anfang des Jahres, die sich in Teilen auch gegen die rechte Regierungspolitik richteten. Auch zu den Protesten gegen den AfD-Parteitag in Essen ist mit zahlreichen Demonstrierenden zu rechnen. Auf den meisten Demonstrationen gegen Rechts wurde die Solidarität mit Palästina jedoch ausgeklammert, teilweise wurden pro-palästinensische Aktivist:innen sogar ausgeschlossen oder angegriffen. Es ist heuchlerisch, gegen Rechts kämpfen zu wollen, aber dabei zur deutschen Unterstützung des Genozids und der Repression gegen die Palästinabewegung zu schweigen, oder sie gar zu billigen.
Die Unterstützung des Genozids in Palästina ist Teil des Rechtsrucks
Gleichzeitig ist es auch wichtig, dass die Palästinabewegung den Kampf gegen Rechts selbst aktiv aufnimmt und pro-israelischen Kräften nicht das Feld überlässt. Bestimmte Teile der Palästinabewegung betrachten die Mobilisierungen gegen Rechts und für ein Ende der Repression hierzulande als nebensächlich, da dies vom Genozid in Gaza ablenken würde. Die Trennung des Kampfes gegen Rechts und des Kampfes für ein freies Palästina voneinander ist jedoch ein schwerer Fehler.
Die AfD ist selbst glühende Unterstützerin Israels und richtet ihre rassistische Hetze gegen Palästinenser:innen. Im Oktober letzten Jahres stellte sie im Bundestag einen Antrag, der forderte, humanitäre Hilfe nach Palästina zu streichen. Damit ist sie auf Linie mit der internationalen extremen Rechten, von Trump bis zum rechten argentinischen Ministerpräsidenten Javier Milei, die zu den vehementesten Verteidigern des Zionismus und der ultra-rechten israelischen Regierung gehören.
Doch an der Palästina-Frage offenbaren sich auch besonders die rechten Vorstöße von der regierenden „Mitte“. Zentrale Elemente des Rechtsrucks sind die Aufrüstung des Polizei- und Justizapparates, die mit verschärfter Repression und Einschränkung demokratischer Rechte einhergehen sowie die Einführung von rassistischen Gesetzen, gemeinsam mit einem zunehmenden nationalistischen Diskurs.
All diese Elemente der autoritären Entwicklung des Regimes bekommt die Palästinabewegung aktuell am härtesten zu spüren. Zu nennen sind das Verbot des Palästina-Kongresses und palästinensischer Organisationen. Zahlreiche Palästina-solidarische Versammlungen wurden verboten oder von der Polizei gewaltsam angegriffen. Dazu kommen regelmäßige Razzien bei Aktivist:innen und andere Repressionen, wie die Kontosperrung des Vereins Jüdische Stimme.
Politiker:innen und bürgerliche Presse bedienen sich zumeist rassistischer Hetze, um die Repressionen zu legitimieren. Besonders hoch im Kurs steht der Mythos des „importieren Antisemitismus“, der gleichzeitig genutzt wird, um eine noch rassistischere Politik zu fahren. So ziehen die Politiker:innen das rassistische Klischee, dass Antisemitismus besonders unter arabischen Menschen weit sei, heran, um mehr Abschiebungen zu fordern. Für sie ist Antisemitismus gleichbedeutend mit jeglicher Palästina-Solidarität. Die CDU verlangte sogar, Menschen, die sich nicht zu Israel bekennen, die Staatsbürger:innenschaft kategorisch zu verweigern oder im Falle einer doppelten Staatsbürger:innenschaft sogar zu entziehen. Dabei geht Antisemitismus in erster Linie von der politisch Rechten in Deutschland hervor, wie wir bei rechten Anschlägen auf eine Synagoge in Halle 2019 sehen.
Der Rechtsruck an den Unis
Besonders deutlich zutage tritt das Zusammenwirken des Rechtsrucks und der Unterdrückung der palästinensischen Sache an den Universitäten. Im Angesicht des Völkermords in Gaza und der Komplizenschaft des deutschen Staates und der Unis hat sich in den letzten Monaten eine dynamische Studierendenbewegung erhoben. Der Staat reagierte im Verbund mit den Unipräsidien mit massiver Repression. Mit dem Mitwirken von FU-Präsident Ziegler und HU-Präsidentin Blumenthal wurden die Räumungen der Besetzungen an den jeweiligen Unis zum Schauplatz von Polizeigewalt in bisher ungekanntem Ausmaß. Obendrein zeigen die Uni-Präsident:innen die protestierenden Studierenden wegen Hausfriedensbruch an – und das, weil sie sich an ihrer eigenen Uni gegen einen Völkermord organisieren. Die autoritäre Entwicklung zeigt sich auch an den drastischen Übergriffen des Berliner Senats in die Autonomie der Universität – an der HU veranlasste von Blumenthal die Räumung auf Druck „von ganz oben“, also vom Senat. Hervorzuheben ist auch die Wiedereinführung des Ordnungsrechts an Berliner Hochschulen, welche als Reaktion auf pro-palästinensische Proteste dargestellt wird.
Das Gesetz geht auf einen Antrag der AfD-Fraktion zurück und wird nun in leicht abgewandelter Form von der Regierung aus CDU und SPD umgesetzt. Dadurch soll die Exmatrikulation von Studierenden aus politischen Gründen wieder möglich gemacht werden. Eine Exmatrikulation kann den Verlust der Wohnung, des Bafög oder sogar des Aufenthaltstitels zur Folge haben. Das würde für Studierende, deren Aufenthalt an ihr Studium gebunden ist, die Abschiebung bedeuten. Doch nicht nur Studierende, sondern auch Unibeschäftigte werden zur Zielscheibe der wachsenden Hetze. Die Dozierenden, welche einen offenen Brief gegen die Räumung des Protestcamps an der FU unterzeichnet hatten, wurden von der rechten BILD Zeitung als „UniversiTÄTER“ diffamiert. Vor einigen Tagen wurde bekannt, dass das von Stark-Watzinger (FDP) geführte Bildungsministerium prüfen ließ, den Dozierenden Fördermitteln zu entziehen und sie strafrechtlich verfolgen zu lassen. Dies stellt einen massiven Angriff auf die Freiheit der Wissenschaft dar.
Dass gerade die Palästinabewegung im Mittelpunkt der Hetze und der autoritären Entwicklungen stehen, deuten auf die tieferen Ursachen des Rechtsrucks hin. In Zeiten der Aufrüstung des deutschen Imperialismus, der nicht zuletzt mit massiven Waffenlieferungen an Israel zunehmend aggressiv auftritt, besteht auch die Notwendigkeit der Militarisierung nach innen. Arbeiter:innen, Jugend und Unterdrückte sollen gespalten und diszipliniert werden und für den Erfolg des Imperialismus Einschnitte hinnehmen. Durch das brutale Durchgreifen des Staates sollen sie dazu gezwungen werden, sich vollständig den Interessen von Staat und Kapital unterzuordnen. Die Palästinabewegung stellt den deutschen Imperialismus, der von Israel als Stützpunkt des Imperialismus im Nahen Osten profitiert, offen infrage und wird daher mit aller Härte reprimiert. Doch die Repression, die jetzt sie am meisten trifft, wird sich in Zukunft gegen alle fortschrittlichen Bewegungen richten, die von der Regierungslinie abweichen, wenn wir uns nicht kollektiv zur Wehr setzen.
Die bedingungslose Solidarität mit Israel ist ein Teil der nationalistischen Ideologie, die den deutschen Imperialismus legitimieren soll und sich mit dem Rechtsruck radikalisiert. Der Kampf für ein freies Palästina ist dagegen ein genuin linkes Anliegen. Sie bedeutet, sich gegen ein unterdrückerisches Kolonialregime, aber auch gegen ein mörderisches Weltsystem, das den Großteil der Menschheit den Kapitalinteressen weniger unterordnet, zu stellen. Es ist das System, aus dem die extreme Rechte entspringt und gegen das wir kämpfen müssen, wenn wir uns ihnen wirklich entgegenstellen wollen.
Für eine Studierendenbewegung an der Seite der Arbeiter:innen gegen den Rechtsruck, die Repression und den Genozid
Es ist auch notwendig für die Palästinabewegung, sich den Ausdrücken des Rechtsruck, der sich in der drastischer gewordenen Repression zeigt, klar entgegenzustellen und die Repressionen nicht als Ehrentitel zu betrachten.
Daher wollen wir auf der vom StuPa der FU beschlossenen Vollversammlung gegen Rechts und Repression, auch die Solidarität mit Palästina einbringen. Nach dem Willen der Rechten, der Regierung und der Unileitung sollen wir uns unterordnen und Unterdrückung und Völkermord passiv hinnehmen. Dem müssen wir die Selbstorganisierung und Mobilisierung für Befreiung entgegensetzen.
Der AStA der FU hat die für heute angesetzte Vollversammlung aus fadenscheinigen Gründen kurzfristig abgesagt. Dabei ist es dringend notwendig, mit allen Studierenden gemeinsam darüber zu diskutieren, wie wir an der Uni gegen den Rechtsruck und die Repression und für ein freies Palästina kämpfen können. Daher werden wir uns trotzdem versammeln und rufen alle Studierenden und Beschäftigten der FU auf, zu kommen. Der AStA muss Rechenschaft ablegen, wie es zu der Absage kam und so früh wie möglich weitere Vollversammlungen einberufen und dafür breit mobilisieren.
Für eine breite Studierendenbewegung gegen den Rechtsruck, die Repression und den Genozid!
Diese Studierendenbewegung hat auch das Potenzial, über die Universität hinaus eine Ausstrahlung zu haben. Um wirksam gegen den Genozid und den wachsenden rechten Autoritatismus kämpfen zu können müssen wir uns als Studierende mit der Arbeiter:innenbewegung verbinden. Aktuell streiken Beschäftigte an deutschen Seehäfen statt, wo faktisch Waffenlieferungen nach Israel blockiert werden. Die Arbeiter:innen an den Häfen und im Transport haben mit Streiks und Mobilisierungen gemeinsam mit Studierenden und Beschäftigten aus anderen Bereichen die Macht, den Imperialismus in die Knie zu zwingen. Auch sollten die Gewerkschaften für Streiks für die Rechte von Migrant:innen und gegen die Abschiebeoffensive der Regierung aufrufen, z.B. mit der Weigerung von Pilot:innen und Flughafenarbeiter:innen, Abschiebeflüge durchzuführen.
Vom 29. bis 30. Juni hält die AfD ihren Bundesparteitag in Essen ab. Die AfD ist eine große Gefahr für alle Migrant:innen, Arbeiter:innen und linken Bewegungen, wie die Palästinabewegung. Lasst uns dort mit den Gewerkschaften und Beschäftigten aus verschiedenen Bereichen gegen den Rechtsruck demonstrieren. Wir brauchen eine politische Alternative, die in Unis, Gewerkschaften und Betrieben für eine breite, selbstorganisierte Einheitsfront im Kampf gegen den Genozid, die extreme Rechte und den Imperialismus kämpft.