Solidarität mit den Sozialarbeiter:innen in Karlsruhe: Für das Recht auf Zeugnisverweigerung
Drei Sozialarbeiter:innen aus Karlsruhe laufen aktuell Gefahr, im schlimmsten Fall in Beugehaft genommen zu werden, weil sie sich weigern, der Polizei Auskunft über Gespräche mit ihren Klient:innen zu geben. Bis zu sechs Monate könnten sie in einem Gefängnis festgehalten werden, und das nur, weil sie ihren Job richtig und gewissenhaft durchführen wollen.
Die Sozialarbeiter:innen vom Fanprojekt Karlsruhe führen gemeinsam mit jungen Fußballfans soziale Projekte durch. Sie besuchen Spiele, bauen Verbindungen zu den Fans auf und versuchen sie zu überzeugen, im Rahmen von Spielen und Konflikten innerhalb der Fanszene keine Ordnungswidrigkeiten und Straftaten zu begehen (wie Zünden von Pyros, Prügeleien etc.).
Ein Hindernis für das vertrauensvolle Verhältnis, das die Sozialarbeiter:innen und die Fans miteinander haben müssen, um gut zusammenzuarbeiten, ist das fehlende Zeugnisverweigerungsrecht für Sozialarbeiter:innen. Therapeut:innen oder auch Ärzt:innen sind gesetzlich dazu berechtigt, der Polizei oder den Gerichten die Aussage über ihre Patient:innen zu verweigern. Eigentlich ganz logisch – damit Menschen in Krisensituation bestmöglich geholfen werden kann, muss eine Atmosphäre geschaffen werden, die dafür sorgt, dass man sich nicht zweimal überlegen muss, was man seinen Therapeut:innen oder Sozialarbeiter:innen erzählt, und ob es nicht doch gegen einen verwendet werden könnte. Auch, wenn man nichts von mutmaßlichen Straftaten berichtet, so können allgemeinere Aussagen, die man getätigt hat, oder Einschätzungen der Therapeut:innen oder Sozialarbeiter:innen über die Stimmung, in der man sich befand, gegen einen verwendet werden.
Doch warum gilt dieses Zeugnisverweigerungsrecht nicht für Sozialarbeiter:innen? So oder so ist klar, dass eine Zusammenarbeit mit der Polizei oder Aussagen vor Gericht gegen Klient:innen nicht die Lösung sein können. Soziale Arbeit soll den Menschen helfen, aus schwierigen Situationen herauszufinden und ihr Leben zu stabilisieren. Soziale Arbeit hat darüber hinaus im Kapitalismus die Funktion, Menschen in den Arbeitsmarkt wiedereinzugliedern, sowie zu große Unruhen zu verhindern, diese Aspekte können durchaus kritisch betrachtet werden.
Die Polizei hingegen hat im kapitalistischen Staat die Aufgabe, auch mit Gewalt, den Staat und das Kapital zu schützen, und schreckt dazu auch vor Mitteln wie Schusswaffengewalt und krassem Rassismus nicht zurück. Neben dem Vertrauensverhältnis ist das ein wichtiger Grund, warum wir denken, dass wir als Beschäftigte im sozialpädagogischen Bereich nicht die Polizei rufen sollten um zu „deeskalieren“, sowie keinerlei gerichtlichen oder polizeilichen Aussagen gegen oder über unsere Klient:innen tätigen. Der juristische Angriff auf die Kolleg:innen vom Fanprojekt Karlsruhe ist ein Angriff auf alle Sozialarbeiter:innen, denn wie sollen wir künftig versuchen, Menschen zu helfen, wenn die reelle Gefahr besteht, dafür kriminalisiert und sogar inhaftiert zu werden?
Wir merken, dass die Militarisierung des Äußeren mit dem Bundeswehrsondervermögen, den Waffenlieferungen, den Diskussionen um die Wehrpflicht, auch mit der Militarisierung im Inneren einhergeht. Am Kottbusser Tor in Berlin wurde eine neue Polizeiwache eröffnet, Demos mit Palästina-Bezug werden kriminalisiert, die Letzte Generation soll als terroristische Vereinigung eingestuft werden. Dies geschieht, um Protest und Widerstand, besonders von linker Seite, gegen unsere Gesellschaftsordnung und den Staat gering zu halten.
Um ein besseres Leben und eine bessere Gesellschaft zu gewährleisten, brauchen wir nicht die Polizei. Zusätzlich zu einem Zeugnisverweigerungsrecht für sämtliche soziale Berufe, müssen auch die Leben unserer Klient:innen und von uns selber besser werden. Das erreichen wir nicht durch Yoga und Selbstreflexion. Wir brauchen Vermögenssteuern und müssen private Immobilienkonzerne und Energiekonzerne enteignen, damit wir uns das Leben leisten können. Wir brauchen ein dauerhaftes Bleiberecht für alle, welches ebenso nicht eingeschränkt werden kann, wenn Menschen zu Haft verurteilt werden. Wir brauchen Arbeitsplätze für alle, die arbeiten können und wollen, verbunden mit einer Reduzierung der durchschnittlichen Arbeitszeit bei vollem Lohn. Wir müssen Schluss machen mit unserem sanktionenbasierten Arbeitslosengeldsystem und brauchen Sozialhilfe, die nicht an Bedingungen geknüpft ist, und von der man gut leben kann.
Lea Lotter, Sozialarbeiterin in der Jugendhilfe, berichtet per Video über den Fall.