So viele Einzelfälle: Schützen können wir uns nur selbst

17.01.2025, Lesezeit 8 Min.
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Foto: Ayrin Giorgia/KGK

Die Polizei schlägt regelmäßig auf Demos ein. Doch nicht nur das: rassistische Polizeigewalt, Polizeimorde, unaufgeklärter rechter Terror und Nazis im Verfassungsschutz. Alles keine Einzelfälle!

Schlagstöcke, Tritte und Pfefferspray: So ging die Polizei dieses Wochenende gegen die Proteste gegen den AfD-Parteitag in Riesa und die traditionelle LL-Demo in Berlin vor. Beamte traten auf Demonstrierende ein, Wasserwerfer wurden vor die Blockaden in Riesa gefahren und Polizeihunde aggressiv eingesetzt. Selbst der Landtagsabgeordnete Nam Duy Nguyen, der als parlamentarischer Beobachter vor Ort war, wurde bewusstlos geprügelt. 

Dennoch hat Riesa am vergangenen Wochenende eine neue Kampfbereitschaft gegen die AfD bewiesen. Der blockierte Parteitag war mehr als nur eine symbolische Aktion. Er war ein Ausdruck der Entschlossenheit, sich nicht von rechter, reaktionärer Politik einschüchtern zu lassen und hat die Bereitschaft und den Willen zur Konfrontation mit dem Staat gezeigt. 15 Tausend Aktivist:innen, Gewerkschafter:innen und Studierende haben sich gemeinsam der AfD entgegengestellt – trotz massiver Polizeipräsenz, Einschüchterungsversuchen und staatlicher Repression. 

Die jüngsten Beispiele zeigen deutlich: die Polizei ist kein „Freund und Helfer“ und auch keine neutrale Instanz. Sie hat in Riesa und auf der LL-Demo in Berlin erneut bewiesen, dass sie nicht auf unserer Seite steht. Stattdessen schützt die Polizei diejenigen, die mit rassistischer Hetze, sexistischer und queerfeindlicher Politik sowie sozialer Spaltung beim Rechtsruck in der ersten Reihe stehen.  

Schmeißt Cops aus unseren Reihen

Nicht alle Polizist:innen sind Teil von „Schläger-Einheiten“ – nicht alle schlagen immer gleich mit dem Knüppel zu, aber wenn auch die einfachste Streife eine migrantische Person ohne Aufenthaltsstatus kontrolliert, so werden sie erste Schritte zur Abschiebung einleiten. Und auch sie werden obdachlose Menschen ohne Fahrkarte bei Minusgraden aus der U-Bahn und vor Gericht zerren. 

Es ist purer Zynismus, dass diejenigen, die auf andere Gewerkschafter:innen auf Demos einprügeln und für ihre Abschiebung sorgen, sich mit ihrer sogenannten „Gewerkschaft“ der Polizei (GdP) sogar im Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) aufhalten dürfen. Solange die GdP im Deutschen Gewerkschaftsbund ist, wird sie verhindern, dass wir Streiks gegen ihre Gewalt organisieren können. Polizist:innen sind keine Arbeiter:innen, denn wenn Arbeitskämpfe sich zuspitzen, werden sie immer auf der falschen Seite der Barrikade stehen. Das hat etwa der Streik im Hamburger Hafen 2022 gezeigt, wo die Polizei mit Pfefferspray und Schlägen auf die Streikenden losging. Ihre „Gewerkschaften“ sind reaktionäre Berufsverbände, die Interessen des bürgerlichen Repressionsapparats vertreten.

Das beweist die GdP selbst: So hat sie die Gerichtskosten der Polizei-Beamt:innen, die wegen des Mordes an Oury Jalloh 2005 angeklagt wurden, vollständig übernommen – fast eine halbe Million Euro. Wir sagen: Die GdP hat im Gewerkschaftsbund nichts verloren. Wir müssen die Mörder so vieler Unschuldiger aus unseren Reihen werfen!  

In den letzten Jahren hat die Polizei ihre Befugnisse massiv ausgeweitet – von der Einführung von Tasern bis hin zur Nutzung von Body-Cams, Drohnen und Gesichtserkennung. Diese Technologien dienen nicht unserer Sicherheit, sondern der staatlichen Kontrolle und Repression, die unsere Sicherheit bedrohen. Es ist Teil ihrer Law and Order Politik, durch die sie noch drastischere Gesetze und noch härtere polizeiliche Maßnahmen ausbauen will. Dafür wird in der Bildung, Gesundheit und Sozialem maßlos gekürzt. 

Klärt die rassistische Polizeigewalt endlich auf

Derzeit haben Betroffene von Polizeigewalt de facto keine Chance auf Aufarbeitung. Fälle von Polizeimorden werden selten aufgeklärt, denn die Polizei ist schlichtweg nicht willig, gegen ihre eigenen Kolleg:innen zu ermitteln. Doch Oury Jalloh, Mouhamed Lamine Dramé und unzählige weitere sind nicht einfach gestorben, sondern wurden ermordet. Deshalb schlagen wir vor, unabhängige Untersuchungskommissionen von Betroffenen, migrantischen Organisationen und Gewerkschaften aufzubauen. Dort können nicht nur die sogenannten „Einzelfälle“ untersucht und angeklagt werden, sondern auch die gesamte Polizei und ihre systematische Gewalt.

Nur so können wir auch die rassistischen Strukturen der Polizei angehen. Rassistische Chats, die an die Öffentlichkeit gelangen, Racial Profiling, rassistische Polizeimorde – die Liste der Handlungen ist lang. Und sie hört nicht auf, solange die Polizei als Apparat weiter existiert.

Der Verfassungsschutz muss abgeschafft werden

Sei es NSU, Hanau oder Rostock-Lichtenhagen: Es braucht die lückenlose Aufklärung aller Fälle rechten Terrors und die Rolle der Sicherheitskräfte darin. Der Verfassungsschutz ist seit ihrer Gründung im Wesentlichen darauf fokussiert, kommunistische, klassenkämpferische und migrantische Aktivist:innen und Organisationen zu schikanieren und gleichzeitig Nazis logistische, finanzielle und politische Unterstützung zu leisten. Wenn wir in die Geschichte schauen, war der Verfassungsschutz schon früh durchsetzt mit Nazis. Dass sie so eifrig Linke verfolgen, ist also kein Zufall.

Erinnern wir uns beispielsweise an die NSU-Morde: Andreas Temme, damals V-Mann-Führer beim Verfassungsschutz, befand sich während der Tat im Hinterzimmer des Internetcafés in Kassel, in dem Halit Yozgat vom NSU erschossen wurde. Und um seine weitere Verwicklung in den NSU zu vertuschen, betrieb der Verfassungsschutz Beweismittelvernichtung durch das Schreddern von Akten. Als ‘Staat im Staat’ konstituiert, ist der Verfassungsschutz auf dieses Vertuschen und das Blockieren der Aufklärung angewiesen, insofern andernfalls seine Machtposition oder gar Existenz gefährdet werden könnte. 

Der Versuch des deutschen Staates, den NSU-Prozess ohne umfassende Aufklärung und Konsequenzen abzuschließen, wurde von den Familien der Betroffenen und antirassistischen Aktivist:innen zu verhindern versucht. Die meisten Akten über den NSU wurden vernichtet, als das Bundeskriminalamt die Ermittlungen übernahm. Untersucht wurde dabei zwar nichts, im Gegenteil begingen V-Leute vom Verfassungsschutz immer wieder Straftaten mit staatlicher Kenntnis, Billigung und sogar Unterstützung. Schätzungen zufolge waren 25 V-Leute des Verfassungsschutzes in der Umgebung des NSU aktiv. Dabei ging es von Anfang an darum, die tiefe Verstrickung von Staatsapparat und rechter Szene zu überdecken. Das alles zeigt uns: Der Verfassungsschutz, der von Nazis durchsetzt ist und aktiv die rechte Szene unterstützt, ist nicht reformierbar und gehört abgeschafft. 

Schützen können wir uns nur selbst

Wenn Kinder auf der Sonnenallee festgenommen, Frauen und Kinder aus Frauenhäusern abgeschoben, Zwangsräumungen durchgeführt und auf Demos auf Linke eingeprügelt wird, dann sehen wir ganz klar: Die Polizei ist nicht reformierbar, sie schützt uns nicht, denn das können wir nur selbst. 

Die Darstellung der Polizei als „Freund und Helfer“ – der Spruch, der übrigens mit großer Leidenschaft von SS-Reichsführer Heinrich Himmler genutzt wurde – ist eine Farce. Die falsche Legitimität „normaler“ Polizei sogar innerhalb linker Kreise ist Ausdruck davon, dass es zu wenig Vertrauen in die unabhängige Organisierung der Arbeiter:innen gibt, die ihre Streiks, Treffen und Demos selbst verteidigen können. Doch für die Abschaffung der Polizei bedarf es vor allem einem politischen Kampf: Es braucht einen Kampf für eine ganz andere Gesellschaft. Statt der Polizei braucht es gewählte Sicherheitsstrukturen aus Nachbarschaften und Betrieben. Statt der Polizei braucht es Sozialarbeiter:innen, die sich auf Bereiche wie Gewalt, Suchterkrankungen, Kinder- und Jugendschutz usw. spezialisieren können. 

Dafür treten unsere Kandidatinnen Inés Heider und Leonie Lieb zu den Bundestagswahlen im Februar ein. Wir als RIO/ Klasse Gegen Klasse fordern: Polizei entwaffnen und Verfassungsschutz auflösen! Wir kämpfen für ein Ende von rassistischen Grenzkontrollen und Aussetzung der Grundrechte. Deutschland rüstet auf – und wir rüsten uns dagegen mit einem Programm der Arbeiter:innenklasse, die die Polizei aus ihren Reihen schmeißt und rechten Terror lückenlos aufklärt und beendet.  

Dabei wollen wir unsere Kandidaturen nutzen, um diese Forderungen bekannter zu machen und Widerstand gegen das System aus rassistischer Polizeigewalt zu leisten. Wir denken nicht, dass der rechter Terror im Parlament gestoppt werden kann. Wir müssen uns in den Gewerkschaften, Betrieben, Schulen und Unis organisieren, um eine massive Bewegung auf der Straße und mit Streiks aufzubauen. Wir rufen alle Einzelpersonen und linken Organisationen, die diese Perspektive teilen, auf, unsere Kampagne zu unterstützen und sich den Wahlkampfkomitees in Berlin und München anzuschließen. 

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