SlutWalk in Berlin
Seit 2011 der erste Slutwalk in Kanada stattfand, sind zehntausende Menschen in verschiedensten Ländern unter diesem Label auf die Straße gegangen. Die Proteste richten sich gegen jede Form von sexualisierter Gewalt und gegen die Schuldzuweisungen, denen die Opfer von sexuellen Übergriffen oft ausgesetzt sind. Während im Sommer des vergangenen Jahres rund 3.000 Menschen beim Berliner SlutWalk zusammenkamen, waren es diesmal noch knapp 1.000, die vom Brandenburger Tor aus durch die Berliner Innenstadt zogen.
Abgesehen von den zahlreichen kreativen Schildern von TeilnehmerInnen gab es politischen Input hauptsächlich über einige Redebeiträge bei der Auftaktkundgebung. In einem Beitrag erwähnt wurde der Abschlussfilm einer belgischen Studentin, der alltägliche Belästigungen und Übergriffe auf Frauen zeigt und besonders in Belgien und Frankreich hohe Aufmerksamkeit für das Thema geschaffen hat. Dass der Film “Femme de la Rue” nicht nur durch seine eindeutig antisexistische Intention bekannt geworden ist, sondern er zumindest in der linken Szene auch eine Kontroverse über seine möglicherweise rassistische Konnotation ausgelöst hat, wurde allerdings nicht erwähnt. Daneben gab es Beiträge der Frauenrechtsorganisation „Terre des Femmes“ und verschiedenen Initiativen, die sich unter anderem für einen offeneren Umgang mit Sex und Pornographie einsetzten.
Leider gab es auch keine Beiträge, die den Zusammenhang zwischen Kapitalismus – besonders der anhaltenden Weltwirtschaftskrise – und Sexismus herstellten. Dabei ist dies notwendig, da sich die Weltwirtschaftskrise in einer Prekarisierung ausdrückt, die vor allem Arbeiterinnen trifft, wie es unter anderen die Schlecker-Arbeiterinnen vor noch nicht allzu langer Zeit zu spüren bekamen. Neben RIO war auch die trotzkistische Gruppe SAV anwesend, die ihre roten Fahnen nach Aufforderungen der OrganisatorInnen einrollen mussten, da letztere keine Organisationen dabei haben wollten, auch keine revolutionären. Dieses undemokratische Vorgehen schränkt die Diskussion über emanzipative Perspektiven stark ein und schadet somit letztlich dem Anliegen des SlutWalks selbst.
Der Slutwalk wurde bereits einige hundert Meter vor Erreichen des Zielorts am Straußberger Platz von der Polizei gestoppt, so dass die kurze Abschlusskundgebung fast unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand. Obwohl er hätte politischer sein müssen, war der SlutWalk trotzdem ein wichtiges Zeichen gegen sexualisierte Gewalt.