Situation in Deutschland II: Von einer Krise zur nächsten unterm Joch der Sozialpartnerschaft
Das Großkapital kann aktuell sehr stark von der Passivität der Arbeiter*innenbewegung profitieren. Doch einzelne Sektoren wehren sich gegen Prekarisierung. Im zweiten Teil eines dreiteiligen Artikels geht es um die Arbeiter*innenbewegung in Deutschland und die Bürokratien, die sie zurückhält.
Nur der Chauvinismus hat die Arbeiter*innenklasse in Deutschland während der europäischen Krise an der Stange gehalten. Er beruht objektiv auf den gigantischen Auslandsprofiten des deutschen Kapitals und subjektiv auf dem Fehlen einer revolutionären Strömung in der Klasse. Nur diese beiden Faktoren in Kombination können also den Chauvinismus „nach außen und innen“ ermöglichen.
Die Deutsche Post und Amazon sind zwei Beispiele für deutsches bzw. US-Großkapital, die die aktuelle politische Konjunktur der Geflüchtetenkrise sehr gut für sich nutzen. Sie beschäftigen Geflüchtete und erhöhen damit ihre Profite, während sie die Arbeiter*innenklasse bewusst spalten. Damit sorgen sie auch genau der Krise vor, die sie mit ihren eigenen Überschüssen und mit ihrer Verschlechterung der Bedingungen der Arbeiter*innen erzeugen.
In beiden Fällen hilft ihnen die Sozialpartnerschaft auf sehr unterschiedliche Weise: Bei Amazon durch eine schlechte Kampfstrategie von ver.di, die nur alles tut, um so eine Partnerschaft überhaupt zu erlangen. Bei der Post durch ein Beharren derselben Gewerkschaft auf der alten Form der Kollaboration, wo sie sich längst auf prekärer Basis verengt hat, was eine Niederlage sowohl für die Bürokratie wie für die Klasse bedeutete. In beiden Fällen ist der Inhalt der Sozialpartnerschaft, die Kollaboration zugunsten des Kapitals und der Aristokratie, zulasten der breiten Massen und der Klasse als ganze, gleichbleibend.
Großkonzerne bewegen sich
Auch die Auto-Kernindustrie in Deutschland muss Lösungen finden, um ihre selbstgemachte Krise auf die Arbeiter*innen abzuwälzen. Die Sozialpartnerschaft ermöglicht, dass der VW-Großskandal nur von unserer Klasse bezahlt wird. Kommt das Kapital hier noch einmal zu unseren Lasten davon, hängt nun wie ein Damoklesschwert die Krise der Deutsche Bank über dem Kapital. Bricht sie zusammen, wird nach den dutzenden Angriffen auf die prekären und unterdrückten Sektoren der Arbeiter*innenklasse in Deutschland auch gegenüber den Facharbeiter*innen und der Arbeiter*innenaristokratie der Klassencharakter der Krise deutlich hervortreten.
Ein möglicher Bankrott der Deutschen Bank würde größere Teile auch aus der Mitte der Klasse in den Ruin stürzen, Sparverträge, Renten, Privilegien und Absicherungen zerschmettern, wie es in den USA mit der Subprime-Krise der Fall war. Dieser Moment steht nicht bevor, er ist für den denkenden Teil des Kapitals aber ins Mögliche gerückt. Es preist eine gegebenenfalls vom Zusammenbruchs China oder der „Schwellenländer“ oder vom Teilzusammenbruch der EU in der Zukunft ausgelöste Bankenkrise insoweit ein, als er die objektiv vorhandene Krise auch subjektiv dauerhaft erklärt und größere Zugeständnisse an die Arbeiter*innenklasse trotz guter Konjunkturlagen verwehrt.
Die Metro-Holding steht dieses Jahr vor der Zerschlagung, um bessere Profitraten zu ermöglichen. Dafür werden jetzt die Arbeitsbedingungen gedrückt und sozialpartnerschaftliche Elemente wie der Flächentarifvertrag einseitig aufgekündigt. Es wird Schließungen von Real-Filialen geben. Daraus ergibt sich eine gewisse Radikalität an der Basis und in den unteren Teilen der Bürokratie – ein angemessener Gegenschlag ist aber nicht in Sicht.
Das Kapital hält sich also nicht an sein Mantra der antizyklischen Lohn- und Preispolitik, dessen Einhaltung die Linkspartei einfordert. Es hat sich bereits auf eine Vor-Krisen-Politik eingefahren: Die Zinsen verharren auf einem Minimum, die zahnlose Bürokratie schaut tatenlos zu, wie die Profite ihrer „Sozialpartner*innen“ keinen Cent für die Lohnzettel bedeuten.
Schlechtere Organisierung
Was unserer Klasse beim jetzigen subjektiven Niveau für die nächste Krise bleibt: Erstens, eine schlechtere Organisierung und Ausgangslage für kommende Kämpfe – subjektiv durch die Enttäuschung in den Niederlagen und Teil-Niederlagen 2015, objektiv durch die andauernde Prekarisierung. Zweitens, die Entwicklung kleiner Kampf-Sektoren, deren Erfahrungen unglaublichen Wert für die ganze Klasse haben, wie die Arbeiter*innen bei Amazon oder im Service-Sektor. In der Charité war ein kleiner Leuchtturmsieg möglich. Die Botanische-Garten-Arbeiter*innen kämpfen wie die Löw*innen. Die „Avantgarde der Avantgarde“ von Amazon macht internationalistische Erfahrungen, stößt aber gleichzeitig immer mehr an ihre Grenzen, da sie nicht stark genug ist, um die bürokratische Führung zu überwinden, was für die Entwicklung des Kampfs nötig wäre.
Das Beispiel USA zeigt mit dem 15Now-Movement, dass aus kämpferischen Randgruppen der Klasse – dort im Service-Sektor – eine Avantgarde hervorgehen kann. Eine innerbürokratisch entstehende Opposition, wie sie mit den „Stuttgarter Konferenzen“ und Teilen der Bürokratien von ver.di und NGG angedacht wurde, erwies sich indes als kraftlos. Es kam dabei nichts heraus. Auch progressive Projekte aus den „linken“ Teilen der Bürokratie wie die Mitgliedschaft für Geflüchtete – die von außen und auch von uns herangetragen wurde und natürlich als Errungenschaft verteidigt und ausgeweitet werden muss – blieben in der Praxis rein formal und ohne Mobilisierungskonsequenzen. Es gibt zum Beispiel auch keine Kampfperspektive gegen die Aushöhlung des Mindestlohn im Praktika-Bereich, was sowohl die Geflüchteten als auch die Jugend trifft.
Morgen erscheint Teil III dieses Textes.
Hier geht es zum ersten Teil