Siko: USA und China streiten zum Krieg – Großproteste in München

19.02.2023, Lesezeit 6 Min.
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Foto: Maxi Schulz

Die USA drohen, China spricht von Frieden, Pistorius vom Kalten Krieg: Die Münchner Sicherheitskonferenz sorgte für angespannte Diskussionen und zahlreiche Proteste.

Zur 59. Sicherheitskonferenz (Siko) versammelten sich in München zentrale Figuren der Weltpolitik: darunter befanden sich Bundeskanzler Olaf Scholz, Außenministerin Annalena Baerbock, US-Vizepräsidentin Kamala Harris, ein Drittel des US-Senats und Wang Yi, Direktor des Büros für auswärtige Angelegenheiten, als Vertreter Chinas. Zudem waren führende Waffenlobbyist:innen und Vertreter:innen verschiedener Rüstungsfirmen anwesend. Neben den geostrategischen Reden von Politiker:innen ist die Sicherheitskonferenz auch ein Ort für geheime Hinterzimmer-Treffen zwischen Rüstungskonzernen, ranghohen Militärs und Regierungsmitgliedern. Bekannt wurden etwa die Waffendeals, der der frühere Chef der Tagung Wolfgang Ischinger einfädelte.

Zentrales Thema auf der Konferenz war der Krieg in der Ukraine und die militärische Unterstützung durch die NATO-Länder. Der ukrainische Präsident Selenskyj war per Video dazu geschaltet. Sein Vize-Regierungschef Kubrakow forderte auf der Konferenz von den NATO-Staaten die Lieferung von Streumunition für die Ukraine, die dafür bekannt ist, wahllos und über große Flächen hinweg Menschen zu töten und zu verwunden, weswegen sie völkerrechtswidrig ist.

Besonders aufmerksam verfolgte die Presse die Auseinandersetzungen zwischen US-Außenminister Antony Blinken und dem chinesischen Vertreter Wang Yi. Blinken warnte China davor, Russland zu unterstützen. Dies hätte „ernsthafte Konsequenzen für unsere Beziehungen“. Laut den USA würde China Waffenlieferungen in Erwägung ziehen. Derweil kündigte Wang Yi an, am 24. Februar, dem Jahrestag des russischen Einmarsches, einen Friedensplan vorlegen zu wollen, während er den Abschuss vermeintlicher Spionage-Ballons durch die USA scharf kritisierte.

Mit rauen Tönen fiel der neue Verteidigungsminister Boris Pistorius auf: Er sei ein „Kind des Kalten Kriegs“, dessen Solidarität der NATO auf „jedem Zentimeter“ gelte. Olaf Scholz betonte die Notwendigkeit der Aufrüstung und davon, wirtschaftliche Abhängigkeiten Deutschlands abzubauen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach davon, dass man bereit sei, einen längeren Konflikt mit Russland durchzustehen.

Linke Proteste treffen auf Pro-NATO-Kundgebung

Anlässlich der Sicherheitskonferenz fanden auch zahlreiche Demonstrationen in München statt. Die traditionelle Anti-Siko-Demo aus der Linken und Friedensbewegung brachte 3.000 Menschen auf die Straße. In Sprechchören und auf Transparenten verurteilten die Demonstrant:innen sowohl die Einmarsch Russlands als auch die Kriegsbestrebungen der NATO. Die Reden von der Bühne sprachen sich dafür aus, mit Verhandlungen Frieden zu schaffen. Währenddessen warben wir als Klasse gegen Klasse zusammen im Block mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft für eine unabhängige Position der Arbeiter:innen mit dem Slogan: „Weder Putin noch NATO: Streiken gegen Krieg, Aufrüstung und Inflation!“

Eine Kundgebung ukrainischer Nationalist:innen und NATO-Befürworter:innen mit mehreren hundert Menschen fand derweil am Odeonsplatz statt. Auf ihren Schildern forderten sie Waffen und sogar Luftunterstützung. Aufgerufen hatten unter anderem die FDP-Bundestagsabgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann und der Grüne Anton Hofreiter, die zuletzt durch deutlich militaristische Aussagen aufgefallen waren. Als der linke Protestzug an der Pro-NATO-Kundgebung vorbeilief, fielen Schmähungen, die Linken würden Putin unterstützen.

Nationalistische Proteste für mehr „deutsche Souveränität“

Doch auch von rechts gab es Proteste gegen die Sicherheitskonferenz: Am Vormittag fand zunächst eine Kundgebung der AfD mit 250 Teilnehmer:innen statt, die sich zwar gegen Waffenlieferungen und Sanktionen aussprachen. Doch warben sie für mehr „deutsche Souveränität“ mit der Behauptung, Deutschland wäre immer noch ein von den USA besetztes Land. Ihr „Frieden“ besteht darin, ein besseres Verhältnis mit Russland zu etablieren, um eine stärkere Rolle Deutschlands in der Welt zu beanspruchen. Bei der Demo sprach auch Jürgen Elsässer, der für ein Bündnis von Rechten und linksnationalistischen Kräften wie Oskar Lafontaine und Sahra Wagenknecht warb. Später vereinte sich die AfD mit Protesten der Querdenker-Bewegung, die am Königsplatz 10.000 Menschen zusammenbrachten. Die Reden und Plakate offenbarten das Zusammenkommen eines kruden Sammelsuriums von Impfgegner:innen, GEZ-Gegner:innen und Verschwörungstheoretiker:innen. Neben Friedenstauben waren zahlreiche russische Flaggen bei dem Protest zu sehen. Dies veranlasste die bürgerlichen Medien, die Kritik von rechts und links an der Sicherheitskonferenz in den selben Topf zu werfen. So schrieb die Süddeutsche Zeitung über die Proteste:

„Der Hauptfeind ist die Nato. Als ginge es noch immer um einen eher abstrakten Nachrüstungsbeschluss wie vor 40 Jahren. Dass tatsächlich ein Krieg tobt in Europa, angezettelt vom russischen Präsidenten Wladimir Putin, hat in München keine Rolle gespielt… Was übrigens auch für die erheblich kleinere Konkurrenz-Demonstration der klassischen linken Rest-Friedensbewegung galt, die zur gleichen Zeit durch die Münchner Straßen zog.“

Ihr Frieden und unserer

Den bürgerlichen Zeitungen blasen selbst ins Kriegshorn, da passt ihnen die Gleichsetzung von rechts und links gut. Doch liegt sie damit falsch. Antifaschist:innen stellten sich gegen die rechten Demonstrationen und wurden dafür durchgehend von der Polizei schikaniert, die mit einem Aufgebot von 5.000 Beamt:innen in der Stadt präsent war. Als Klasse gegen Klasse beteiligten wir uns auch an den Aktionen gegen rechts. Wir wollen eine Antikriegsbewegung, die sich klar gegen den deutschen Imperialismus stellt, statt – wie die Rechten – ein starkes Deutschland im Bündnis mit Russland sucht.

Die Arbeiter:innenklasse hat weder von Putin, noch der NATO oder Selenskyj etwas positives zu erwarten. Sie trägt auf allen Seiten die Kosten des Krieges mit Inflation, Zerstörung und Tod. Nur sie kann einen fortschrittlichen Ausweg aus dem Krieg erkämpfen, indem sie Waffenlieferungen mit Streiks stoppt und blockiert. Während weltweit hunderte Milliarden zusätzlich in Rüstung investiert werden, sparen die Regierungen an Bildung, Sozialem, Gesundheit und Umwelt. Die Arbeiter:innen haben ein Interesse daran, gegen die Militarisierung und jede weitere Eskalation im Krieg zu kämpfen und stattdessen für ein besseres Leben für alle. Die Streikwellen in Frankreich und Großbritannien zeigen die Möglichkeit, sich gegen die Inflation und die Angriffe auf die Lebensstandards zu wehren. Wenn sich die Arbeiter:innen über die Bürokratien der Gewerkschaften hinwegsetzen, kann sich daraus auch eine Antikriegsbewegung entwickeln, die die Pläne der Imperialisten stoppt.

Eindrücke von der Demo:

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