Sieg gegen Abmahnung: Jetzt Umstrukturierung der Münchner Krankenhäuser stoppen!
Die München Klinik ging mit einer Abmahnung gegen die Hebamme Leonie Lieb vor. Nun muss die Geschäftsführung diese zurücknehmen. Ein Erfolg, der durch breite Solidarität möglich wurde. Er zeigt den Weg, um gegen die profitorientierte Umstrukturierung der Münchner Krankenhäuser vorzugehen.
In den kommenden Jahren dürfte einiges auf Beschäftigte und Patient:innen der München Klinik (MüK) zukommen. Allein dieses Jahr steht ein Defizit von 90 Millionen Euro ins Haus. Die Reformpläne Lauterbachs und die Kürzungspolitik der Bundesregierung spitzen die Situation weiter zu. Um aus den roten Zahlen zu kommen, plant die Stadt eine Reihe von Spar- und Zentralisierungsmaßnahmen. Es öffnet sich die Frage über die Zukunft des Münchner Gesundheitswesens, nicht nur an der MüK. So droht dem privat geführten Rotkreuzklinikum die Insolvenz. Setzen die Verantwortlichen kapitalistische Umstrukturierungsmaßnahmen über die Köpfe der Beschäftigten hinweg durch? Oder wehren sich die Mitarbeiter:innen dagegen, damit der medizinische Bedarf vollständig finanziert wird?
Dies ist der Kern der Auseinandersetzung um den Kreißsaal in München-Neuperlach, dem die Schließung droht. Dagegen organisierte sich Ende 2022 das Team, das eine Petition startete, mit der es 23.000 Unterschriften für den Erhalt sammelte. Im kommenden Jahr wird eine Entscheidung des Stadtrats erwartet, der sich nach dem Protest entscheiden könnte, den Kreißsaal zumindest bis 2028, vier Jahre länger als geplant, zu erhalten.
Seit Beginn der Unterschriftensammlung setzte sich auch ein Solikomitee für den Erhalt des Kreißsaals ein, an dem sich unter anderem Gewerkschafter:innen, Stadträte, Beschäftigte und Studierende beteiligten. Als Klasse Gegen Klasse wollen wir vorschlagen, dieses Solikomitee neu zu starten, nicht nur, um in der entscheidenden Phase den Kreißsaal zu unterstützen, sondern um insgesamt gegen die profitorientierte Gesundheitspolitik vorzugehen. Es braucht eine Kampagne für ein bedarfsgerechtes Gesundheitssystem in München: gegen Zentralisierungen, gegen Kürzungen, Privatisierungen und Personalmangel, für die vollständige Rekommunalisierung der Kliniken und der ausgegliederten Bereiche. Für die Kontrolle der Beschäftigten und ein voll ausfinanziertes Gesundheitssystem, bezahlt durch die Profite der Konzerne.
Erfolg für Münchner Hebamme
Die Notwendigkeit von Solidaritätsaktionen zeigte kürzlich der Erfolg, den die Hebamme Leonie Lieb, organisiert bei RIO, Herausgeberin von Klasse Gegen Klasse, erzielen konnte. Nachdem sie ein Interview mit der Tageszeitung junge Welt geführt hatte, bekam sie von der Geschäftsführung eine Abmahnung zugestellt. Sie hätte laut einer Dienstanweisung die Veröffentlichung mit der Pressestelle absprechen müssen, so die Argumentation der MüK. Lieb ging vor Gericht gegen diese Einschränkung der Meinungsfreiheit vor. Das Landesarbeitsgericht in München schlug einen Vergleich vor. Nun erklärte die Anwaltskanzlei der MüK von ihrer Seite aus, dass die Abmahnung am 30. November aus der Personalakte gestrichen wird. Timo Winter, Anwalt von Leonie Lieb, hält über den konkreten Fall hinaus auch die Dienstanweisung generell für nicht rechtmäßig:
Es überrascht nicht wirklich, dass die Beklagtenseite, nachdem meine Mandantin eine vergleichsweise Einigung abgelehnt hatte, nun die Abmahnung mit Ablauf des Monats November aus der Personalakte entfernen möchte. So geht sie einer gerichtlichen Entscheidung des Arbeitsgerichts aus dem Weg. Dies hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit im Rahmen der Prüfung der Abmahnung die Rechtswidrigkeit der Dienstanweisung festgestellt.
Für die Geschäftsführung liegt der Nutzen der Dienstanweisung darin, Meinungsäußerungen seiner Beschäftigten zu kontrollieren und somit eine offene Debatte um die Zukunft der MüK zu verhindern. Trotz der Rücknahme der Abmahnung könnte es zu einer weiteren juristischen Auseinandersetzung um die Dienstanweisung kommen.
Der Sieg, den Leonie Lieb mit ihrer Klage errungen hat, zeigt, dass es möglich ist, sich zu wehren. Er zeigt, dass die Beschäftigten nicht abwarten müssen, was Klinikleitung und Stadtpolitik ihnen präsentieren, sondern sie selbst etwas zu sagen haben. Es gilt, diesen Schwung mitzunehmen, um zur entscheidenden Stadtratssitzung zum Erhalt des Kreißsaals Druck aufzubauen und auch darüber hinaus die Zentralisierungspolitik der MüK in Frage zu stellen.
Ein Sieg der Solidarität
Der Sieg gegen die Abmahnung war nur möglich, weil es seit Monaten eine öffentliche Kampagne gegen die Schließung und breite Solidarität gab. Zur Kundgebung zum Gerichtstermin von Leonie kamen 60 Teilnehmer:innen. Organisiert wurde sie von der Gewerkschaft ver.di.
Dabei sprachen verschiedene Gewerkschafter:innen wie die Betriebsratsvorsitzende Ingrid Greif. Sie betonte, die Klinik wolle ein Exempel an Lieb statuieren, damit die Beschäftigten die Sanierungspläne der MüK nicht in Frage stellen. Auch aus den Krankenhäusern in Dachau und Harlaching sprachen Kolleg:innen, die sich mit Leonie solidarisierten. Helga Schmidt von der Vernetzung für Kämpferische Gewerkschaften (VKG) rief ver.di und den DGB dazu auf, vor der entscheidenden Stadtratssitzung über den Erhalt des Kreißsaals eine machtvolle Demonstration zu organisieren. Ihrerseits sprach Leonie ihre Solidarität mit der Klimabewegung aus, die zum Zeitpunkt der Kundgebung präventiven Verhaftungen ausgesetzt war.
Indem sich die Kolleginnen über Monate hinweg selbst organisierten und die verantwortlichen ver.di-Strukturen die Kundgebung abhielten, ermöglichten sie den Sieg vor Gericht. Der Weg der Solidarität und Mobilisierungen hat das Potenzial, den Kreißsaal langfristig zu erhalten. Damit die Zukunft der Münchner Krankenhäuser, ob MüK, Uni-Klink, Rotkreuzklinik oder andere, nicht nach Profitinteressen entschieden wird, braucht es die Selbstorganisierung der Beschäftigten. Ein wichtiger Schritt ist der Aufbau von gewerkschaftlichen Betriebsgruppen, um die Kolleg:innen direkt auf den Stationen zu erreichen. Es braucht Versammlungen, organisiert von ver.di und den Betriebsstrukturen – nicht von oben von der Geschäftsführung.
Mit dem Solikomitee gegen Profite im Gesundheitswesen
Für eine Kampagne für ein bedarfsgerechtes Gesundheitssystem in München schlagen wir von Klasse Gegen Klasse vor, das bestehende Solikomitee für den Erhalt des Kreißsaals auszuweiten. Wir wollen Kolleg:innen verschiedener Krankenhäuser und Stationen, Gewerkschafter:innen wie auch solidarische Unterstützer:innen einbeziehen, darunter Anwohner:innen, Patient:innen und Arbeiter:innen anderer Branchen.
Das Solikomitee kann auch Studierende und Auszubildende in medizinischen Bereichen ansprechen, die in ihren Vorlesungen und in ihrer Lehre oft ungenügend über die tatsächliche Realität ihrer zukünftigen Arbeitsplätze aufgeklärt werden. Das Komitee kann eine Möglichkeit bieten, erste Erfahrungen aus der Arbeitspraxis zu teilen, aber auch eine Perspektive der Veränderung aufmachen. Wenn wir uns jetzt nicht gemeinsam organisieren, dann wird die zukünftige Pfleger:in genauso wie eine zukünftige Lungenärztin in ein Gesundheitssystem geworfen, indem die Bedingungen so schlecht sind und sein werden, dass die gelernten Fähigkeiten nur in begrenztem Maße in der täglichen Arbeit übersetzt werden.
Die Schließung von Kreißsälen ist ein bundesweiter Trend, der sich zuletzt wieder im sächsischen Grimma zeigte. In den vergangenen zwei Jahrzehnten schloss fast die Hälfte der Geburts- und Abtreibungskliniken. Das Solikomitee sollte auch ein Ort sein, der das Kliniksterben insgesamt anprangert und bundesweit Kontakte zu ähnlichen Initiativen aufbauen kann. Die Krankenhausbewegungen in Berlin und NRW in den letzten Jahren haben das Potenzial gezeigt, mit Streiks gegen den Personalmangel vorzugehen. Es gilt daran anzuknüpfen und auch die Kürzungspolitik zu konfrontieren.
Den Auftakt für eine Kampagne für ein bedarfsorientiertes Gesundheitssystem kann der 25. November bilden, der Tag gegen Gewalt an Frauen. Dort wollen wir auf der Demonstration mit unserer Hochschulgruppe Waffen der Kritik und mit Gesundheitsbeschäftigten laufen, in Solidarität mit Frauen weltweit: Gegen die Angriffe auf Krankenhäuser und die Bevölkerung in Gaza; gegen Kürzungen im Sozialen und Gesundheitswesen inklusive der Schließung von Kreißsälen und Abtreibungskliniken, die die Selbstbestimmung von Frauen beeinträchtigt; für eine lebenswerte Zukunft für alle, statt rassistische Ausgrenzung, Abschiebungen und einer „kriegstüchtigen“ Gesellschaft.
Am 5. Dezember findet der zentrale Streiktag der Beschäftigten im Tarifvertrag der Länder statt, der auch die Unikliniken betrifft. Angesichts der Kürzungspläne der Bundesregierung gilt es, die Kolleg:innen im öffentlichen Dienst bei ihren Lohnforderungen zu unterstützen und die Teilnahme an der Kampagne für ein bedarfsgerechtes Gesundheitswesen ohne Profite vorzuschlagen.