Sieg der Frauenbewegung
// Harte Kämpfe der Frauenbewegung im Spanischen Staat konnten reaktionäre Angriffe auf die körperliche Selbstbestimmung abwehren. //
Es war eine Schwangerschaft voller Komplikationen und am Ende stand eine Totgeburt: Am 23. September wurde nach neun Monaten endlich das Gesetzesprojekt, das Frauen im Spanischen Staat den Zugang zu Abtreibung praktisch verwehrt hätte, zurückgezogen. Es war ein Triumph für die Frauenbewegung auf der Straße. Wäre das Gesetz beschlossen worden, hätten Frauen im Spanischen Staat nur im Fall einer Vergewaltigung oder bei schweren gesundheitlichen Folgen straffrei abtreiben können. Der zuständige Justizminister Gallardón trat zurück und die Tatsache, dass die konservative Regierung der Volkspartei (PP) dieses zentrale Projekt nicht durchsetzen konnte, zeugt von der tiefen Krise, in der sie sich befindet. Von rechts wurde sie von der katholischen Kirche dafür kritisiert, dass das Gesetz zu wenig restriktiv sei. Aber vor allem war der Protest auf der Straße zu laut, massenhaft und unübersehbar.
Es ist also vor allem den Mobilisierungen einer kämpferischen Frauenbewegung auf der Straße zu verdanken, dass die Frauen im Spanischen Staat nicht noch weiter in ihrer sexuellen Selbstbestimmung eingeschränkt werden. Demonstrantinnen wurden angegriffen und verhaftet und haben sich trotzdem gegen diesen Angriff auf ihre Körper durchgesetzt. Sie können ein Beispiel für die Frauen in vielen anderen Ländern sein, die ebenso in ihren Rechten angegriffen werden.
Frauen und Arbeiterinnen
In diesen neun Monaten hat eine Frauenbewegung die Bühne betreten, die lautstark ihre Rechte einfordert. Auch Frauen der ArbeiterInnenklasse waren daran beteiligt: Denn sie sind es, die von einer verschärften Abtreibungsgesetzgebung besonders betroffen wären. Sie können es sich nicht leisten, ins Ausland zu reisen und dort eine Abtreibung vornehmen zu lassen. Ihr einziger Ausweg wären illegale Abtreibungen gewesen – ein Weg, der jährlich weltweit 70.000 Frauen tötet. So waren beispielsweise streikende Frauen der Donutfabrik Panrico an vorderster Front dabei und haben sich gegen diesen Angriff gewehrt.
Das Verbot und die Einschränkung von Abtreibung ist ein Angriff auf die körperliche Selbstbestimmung von Frauen. Es ist kein Zufall, dass er gerade im von der Krise besonders betroffenen Spanischen Staat durchgeführt wurde. Die Rolle von weiblicher Arbeitskraft im Kapitalismus ist voller Widersprüche. Einerseits haben KapitalistInnen ein Interesse daran, dass Frauen in die Arbeitswelt eintreten und ihre Arbeit so für die Mehrwertproduktion zur Verfügung steht – meist geringer entlohnt als die der Männer. Andererseits sollen Frauen unbezahlt die Reproduktionsarbeit in der Familie übernehmen. Diese beiden Ziele können miteinander in Konflikt geraten und erlangen je nach den jeweiligen Erfordernissen der Kapitalverwertung eine andere relative Bedeutung.
In Krisenzeiten
Wenn in der Krise Kürzungen im Gesundheits- und Pflegebereich durchgeführt werden und Massenarbeitslosigkeit herrscht, wird die Rolle der Frauen als diejenigen, die in der Familie Reproduktionsarbeit leisten müssen, immer wichtiger. Sie müssen die Aufgaben, die vorher der Staat erfüllt hat, erneut übernehmen und werden so stärker zurück in die Familien verbannt. Es ist auch kein Zufall, dass zur selben Zeit konservative und religiöse Ideologien stärker werden. Das Verbot von Abtreibung ist somit Teil eines gesellschaftlichen Rollbacks, der Frauen in ihre traditionellen Rollen zu drängen versucht. Diesem Versuch, sie auf die Rolle der Hausfrau und Mutter festzulegen, haben die Frauen im Spanischen Staat eine wichtige Niederlage erteilt.
Aber es gibt immer noch viel zu erkämpfen. Denn auch wenn Verschärfungen verhindert werden konnten, gelten immer noch Einschränkungen, z.B. die Frist von 14 Wochen, Zwangsberatungen durch einen Arzt und eine aufgezwungene „Bedenkzeit“ von drei Tagen. Außerdem will die Regierung unter Mariano Rajoy einige Verschärfungen weiter verfolgen, wie zum Beispiel die Regelung, dass Minderjährige nur noch mit Zustimmung ihrer Eltern abtreiben dürfen. Illegalisierte Frauen haben überhaupt keine Möglichkeit abzutreiben. Und mit den voranschreitenden Kürzungen im Gesundheits- und Sozialbereich sind auch immer wieder Zugang und Finanzierung bedroht. Nicht überall im Spanischen Staat ist es einfach, eine/n Ärzt/in zu finden, der/die bereit ist, den Eingriff durchzuführen, weswegen Frauen in andere Regionen reisen müssen. Gerade für Frauen, die unter prekären Bedingungen arbeiten, ist das eine massive Einschränkung. Die Frauenbewegung im Spanischen Staat hat deshalb angekündigt, dass sie weiter kämpfen wird.