Schweiz: Demos gegen Ausschaffungsinitiative
Die SchweizerInnen haben sich bei einem Referendum am Sonntag mit knapp 53 Prozent für die automatische Abschiebung straffällig gewordener AusländerInnen ausgesprochen. Als Reaktion auf das Abstimmungsresultat zu dieser Ausschaffungsinitiative kam es am Sonntagabend in verschiedenen Schweizer Städten zu Protesten. Wie schon im Vorfeld durch Resultate von Umfragen zu erwarten war, wurde die Vorlage mit 52,9% Ja-Stimmen angenommen, ein vom Parlament ausgearbeiteter Gegenvorschlag, der zumindest eine gewisse Willkür verhindern sollte, mit 54,2% abgelehnt.
Als um 18 Uhr die offiziellen Abstimmungsresultate bekannt gegeben wurden, gingen in Bern und Lausanne einige hundert Personen auf die Strasse. Die weitaus grösste Demonstration fand jedoch in Zürich statt. Hier fanden sich ungefähr 4.000 Personen zusammen, eine Zahl, die sonst nur von der 1. Mai-Kundgebung erreicht wird. Lautstark und sehr kämpferisch zog die Demonstration durch die Zürcher Innenstadt. Normalerweise versucht die Polizei, ein Eindringen von Demonstrationen in die historische Altstadt zu verhindern, was diesmal durch die grosse Anzahl an DemonstrantInnen und die sichtliche Überforderung der Polizei allerdings nicht gelang.
Während des Umzugs wurden in der gesamten Stadt immer wieder Schaufenster eingeschlagen und Parolen gesprayt, so beispielsweise bei der NZZ, einer rechtskonservativen Zeitung. Nachdem die Demonstration ungefähr zwei Stunden unbehelligt und lautstark lief, wurde sie von der Polizei an einem Weiterkommen gehindert. Dazu setzte die Polizei Tränengas, Gummischrot und Wasserwerfer ein, und trieb die Menschen auseinander. Nach einigen hektischen und unübersichtlichen Minuten sammelten sich die Teilnehmenden am Paradeplatz, dem Herzstück der Schweizer Bankenlandschaft, und zogen zurück zum Ausgangspunkt, wo die Kundgebung aufgelöst wurde.
Der Protest der DemonstrantInnen richtete sich gegen die bald gesetzlich verankerte Diskriminierung. Nach der am Sonntag verabschiedeten Vorlage reicht bereits eine Verurteilung wegen Sozialhilfebetrugs oder Drogenbesitzes aus, um ausgewiesen zu werden. Somit entstehe ein Gesetz, das die Gleichheit untergrabe und je nach Herkunft des Angeklagten unterschiedliche Maßstäbe anwende, monieren die GegnerInnen.
Proteste hatte es bereits im Vorfeld des Referendums gegeben: Die SVP warb mit Schäfchen-Plakaten für die verschärften Ausländergesetze. Darauf zu sehen ist ein weißes Schaf, das ein schwarzes mit einem schwungvollen Tritt ins Hinterteil von der Schweizer Flagge bugsiert. Die Ausschaffungsinitiative wurde von der SVP, einer Partei die sich vom konservativen Lager bis weit nach Rechtsaußen erstreckt, lanciert und mit riesigem finanziellen Aufwand propagiert.
Die Kampagne rund um die Abstimmung ist allerdings nur ein Puzzlestück in einer breiten und langfristig angelegten Kampagne der SVP, die die AusländerInnenpolitik zu ihrem Kernthema erhoben hat und beinahe 30% der Sitze im Schweizer Parlament hält. Interessant ist, dass in ländlichen Gebieten, also genau in jenen Regionen, die einen geringen AusländerInnenanteil aufweisen, die Initiative sehr deutlich angenommen wurde. Einzig in der französischsprachigen Schweiz wurden sowohl die Initiative wie auch der Gegenvorschlag verworfen. Diese klare Linie entlang der Sprachengrenze ist immer wieder zu beobachten, und hängt vor allem mit dem vergleichsweisen grossen Einfluss der Gewerkschaften und der parlamentarischen Linken in dieser Region zusammen.
Diese Tatsache zeigt, dass nur die ArbeiterInnenbewegung eine konsequente Antwort auf die rassistische Hetze der SVP geben kann. Der Aufstieg der SVP insgesamt war nur möglich auf der Grundlage der historischen Krise der Sozialdemokratie (sowohl der Partei wie auch der mit ihr verbundenen Gewerkschaften), die selbst in der wohlhabenden Schweiz immer weniger Spielräume für ihre reformistische Politik vorfinden. Nur der Aufbau einer revolutionären, internationalistischen Strömung in der ArbeiterInnenbewegung kann die Hetze der SVP wirklich aufhalten. Militante Demos gegen rassistische Politik sind wichtig – und wir unterstützen sie überall, wo wir können –, können jedoch wenig zur Veränderung der gesellschaftlichen Kräfteverhältnisse beitragen. Deswegen sehen wir es als die Aufgabe von allen AntirassistInnen und AntikapitalistInnen, am Aufbau einer revolutionären Organisation mit Verankerung in den Betrieben, Schulen und Unis mitzuwirken.
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