Schulbesetzungen in Brasilien: Die Jugend zeigt, wie die Kürzungen verhindert werden können

24.10.2016, Lesezeit 6 Min.
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Die Schüler*innen und Studierenden des südlichen Bundesstaates Paraná in Brasilien besetzen hunderte Schulen und einige Universitäten. Sie kämpfen gegen eine Verfassungsänderung, die Haushaltsausgaben für soziale Ressorts für 20 Jahre einfrieren möchte und gegen eine Bildungsreform der neuen Putschregierung von Michel Temer.

Tatiane Lima

Die Schüler*innen und Studierenden aus Paraná im südlichen Brasilien haben in den letzten Wochen hunderte Schulen besetzt. Damit leisten sie Widerstand gegen eine Verfassungsänderung (PEC 241), die das Budget für soziale Bereiche im Haushalt für 20 Jahre einfrieren will, und ein Dekret zur Reform der Oberstufenbildung. Ihr Kampf breitet sich auf andere Bundesstaaten in ganz Brasilien aus, in denen die Schüler*innen ihre Schulen und Studierende ihre Universitäten besetzen. Mit diesem erneuten Auftreten einer Jugendbewegung treffen die wichtigsten Vorhaben der Rechtsregierung von Michel Temer und seiner Verbündeten auf ein großes Hindernis.

Temer möchte die Verfassungsänderung PEC 241 beschließen, um die Jugendlichen und Arbeiter*innen die Kosten der staatlichen Wirtschaftskrise bezahlen zu lassen. In Brasilien war die Bildung und die Zukunft der Jugendlichen nie eine Priorität für die herrschende Klasse. Doch mit der Verfestigung des institutionellen Putsches will die neoliberale Rechte ihr Privatisierungs- und Prekarisierungsprojekt bis zu Ende treiben.

Ein erster Schritt dahin ist die komplette Schließung oder drastische Kürzung der Bildungsprogramme. Es kommt der Regierung darauf an, besonders umfassende Angriffe durchzuführen und so eine neue soziale Struktur durchzusetzen. Letztlich soll durch die Entrechtung die Möglichkeit noch stärkerer Ausbeutung geschaffen werden. Die Abgeordneten, die für den Putsch stimmten, die konservativen Senator*innen und die großen rechten Medien wollen die Bevölkerung mit einer breiten Kampagne davon überzeugen, dass in „Krisenzeiten“ die öffentlichen Dienste eingeschränkt werden müssen. Die Arbeiter*innen sollen Einschnitte in ihre Lebensbedingungen einfach so hinnehmen.

Doch diese Regeln der Krisenzeiten gelten natürlich nicht für die Privilegien von Politiker*innen und eigenmächtigen und gutbezahlten Richter*innen. Gegenüber der Jugend wird die Reform der Oberschulenbildung mit einem Diskurs verteidigt, der seinen liberalen Grundgedanken der Produktivität und Effizienz zu verstecken versucht. Sie behaupten sogar, die Autonomie der Studierenden zu verteidigen. Denn sie wollen die Jugend nicht aufrütteln. Diese Jugend kam in den letzte drei Jahren nämlich immer wieder durch Kämpfe zum Vorschein. Die Jugendlichen waren der Hauptakteur der Massenmobilisierungen im Juni 2013. Sie führten zahlreiche Kämpfe gegen Angriffe auf das Bildungssystem, die von der PT-Regierung („Arbeiterpartei“) durchgeführt wurden und sie besiegten die Pläne der autoritären Regierung vom Bundesstaat São Paulo durch Schulbesetzungen. Der jetzige Versuch, die Reformen und Kürzungen schnell durchzuführen, treffen auch jetzt auf einen Mobiliserungsprozess, der sogar noch größer ist und sich trotz der Demagogie der illegitimen Regierung ausbreitet.

Die PT-Regierung und ihre Unterstützer*innen wie die Kommunistische Partei Brasiliens (PCdoB) verbündeten sich erst kürzliche bei den Kommunalwahlen mit Teilen der putschistischen Rechten – nur wenige Wochen nach dem institutionellen Putsch. Das macht deutlich, dass die vorherige Regierung durch ihre Kürzungspolitik und Korruption der Rechten den Weg bereitet hat. Als sie von der Rechten aus der Macht geputscht wurde, leistete sie noch nicht einmal Widerstand., Denn auch nach den Wahlen 2018 wollen sie wieder für die ausbeutenden und unterdrückenden Kapitalist*innen regieren. Das einzige Ziel der mit der PT verbundenen Jugendgruppen – wie dem Nationalen Studierendenverband (UNE) – in der jetzigen Situation ist es, die Kämpfe der Jugendlichen dafür zu nutzen, die PT zu stärken und eine Wahlalternative für die kommenden Präsidentschaftswahlen 2018 aufzubauen. Dabei sollte die UNE alle ihre Ressourcen und Möglichkeiten in den Dienst der Stärkung und Ausweitung der Kämpfe der Studierenden stellen. Doch sie steckt so tief in der bürokratischen und institutionellen Logik, dass sie die Hoffnungen derjenigen, die gegen diese verrottete Ordnung rebellieren, nicht ausdrücken kann.

Die Selbstorganisierung der Studierenden, die Mobilisierungen und die kreativen Formen der Debatte und der Aktionen können diesen Widerstand verfestigen und ausweiten. Gleichzeitig sind sie eine Waffe gegen die harte Repression der verschiedenen Regierungen. Diese Idee muss von all den Jugendlichen aufgenommen werden, die angesichts des Putsches nicht schwiegen und die sich gegen die Ideologien stellen, die uns zu apolitischen Schüler*innen erziehen wollen, wie zum Beispiel das Projekt „Schule ohne Partei“, das Politik von den Schulen verbannen will.

Die Studierenden von Paraná zeigen den Weg auf. Sie beweisen, dass die Jugend eine entscheidende Rolle im Kräfteverhältnis gegen die putschistische Rechte spielen kann. Sie kann sich mit den Arbeiter*innen verbinden, um zu verhindern, dass wir die Krise der Kapitalist*innen bezahlen müssen. Deswegen unterstützt die Jugendorganisation Faísca (Funke) mit aller Kraft die Schulbesetzungen und kämpft dafür, dass überall, wo sie vertreten ist, dem Beispiel von Paraná gefolgt wird. Esquerda Diário, eine linke Tageszeitung mit monatlich mehr als 800.000 Besucher*innen und Teil des internationalen Netzwerks La Izquierda Diario, befindet sich mit Korrespondent*innen in den besetzten Schulen in Curitiba und berichtet von den Ereignissen, damit die Stimme dieser Kämpfer*innen im ganzen Land zu hören ist.

Faísca ist eine Jugendorganisation, die von der Revolutionären Arbeiter*innenbewegung (MRT) angestoßen wird. Sie kämpft gegen die putschistische Rechte und alle Sparmaßnahmen gegen die Jugendlichen und Arbeiter*innen, ohne dabei der „Arbeiterpartei“ (PT) zu vertrauen, die während ihrer Amtszeit ebenfalls die Arbeiter*innen und Jugendlichen angriff. Das Motto von Faísca lautet: „Wir wollen ein Funke gegen den Kapitalismus sein, gegen alle Formen der Unterdrückung von einem revolutionären Standpunkt aus kämpfen und uns mit den Arbeiter*innen verbinden, weil wir es für möglich halten, eine neue Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung aufzubauen.“

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