Schnelltests kostenpflichtig: Ist die Pandemie denn schon vorbei?
Die vierte Welle kommt – und Jens Spahn will die kostenlosen Schnelltests abschaffen. Bald soll sich nur noch testen lassen können, wer es sich leisten kann. Ein Bärendienst für die Pandemiebekämpfung.
Das Gesundheitsministerium von Jens Spahn will, dass ab Mitte Oktober keine kostenlosen Coronaschnelltests mehr angeboten werden. Ab dann sollen ungeimpfte Bürger:innen die Tests aus eigener Tasche bezahlen. Ausnahmen würden nur für diejenigen Bevölkerungsgruppen gelten, für die keine Impfempfehlung besteht, etwa Kinder und Jugendliche, sowie Menschen, für die aus gesundheitlichen Gründen eine Impfung nicht in Frage kommt. Als Stichtag sind der 11. bzw. 18. Oktober im Gespräch. Da mittlerweile allen Bürgern ein unmittelbares Impfangebot gemacht werden könne, sei eine dauerhafte Kostenübernahme durch den Steuerzahler nicht angezeigt, heißt es in einem Ministeriumsbericht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
Das Thema soll am 10. August zwischen der Noch-Kanzlerin und den Ministerpräsident:innen der Länder besprochen werden. Die Spitzen von Union und SPD haben sich aber bereits zustimmend geäußert. Pro Person sollen die Kosten für einen Schnelltest dann voraussichtlich zwischen 10 und 30 Euro liegen. Ein negatives Testergebnis wird auch weiterhin jede:r vorweisen müssen, der:die nicht vollständig geimpft oder genesen ist und an Veranstaltungen teilnehmen oder ein Restaurant besuchen möchte.
Das kaum verhohlene Ziel der Maßnahme besteht darin, den Druck auf Menschen zu erhöhen, die sich bisher noch nicht für eine Impfung entschieden haben. Um weiter am gesellschaftlichen Alltag teilnehmen zu können, kämen beträchtliche Zusatzkosten auf sie zu. Der Beschluss wird auch damit begründet, dass die Steuerzahler:innen durch die Schnelltests finanziell belastet werden würden. Das ist dreist und in einer Zeit mit steigenden Infektionszahlen, auch bei bereits Geimpften, schlichtweg fahrlässig.
Die absehbare Folge der Kostenpflichtwäre ein schlagartiger Rückgang der durchgeführten Tests – im Hinblick auf die jetzt schon wieder steigenden Infektionszahlen und die rasante Ausbreitung der Delta-Variante eine fatale Aussicht. Der mühsam erreichte Überblick über das Infektionsgeschehen droht damit verloren zu gehen. Nicht auszuschließen ist zudem, dass der Markt für gefälschte Impfpässe und Testnachweise, die schon jetzt eine ernstzunehmende Problematik darstellen, weiter wachsen könnte.
Absehbar ist, dass wegen der geringeren Nachfrage und fehlenden staatlichen Subvention auch mehr und mehr Testzentren schließen könnten. Diese Zentren würden nicht nur denjenigen fehlen, die sich nicht impfen lassen können, sondern auch den Geimpften, unter denen sich die Delta-Variante ebenso ausbreitet. Wer für einen Test weite Wege auf sich nehmen muss, wird es sich zweimal überlegen.
Vergessen werden darf auch nicht, dass 30 Euro für einen Test längst nicht alle gleich belasten werden. Zwar beteuern Politiker:innen, dass das die Maßnahme keine Impfpflicht durch die Hintertür sei. Das stimmt allerdings nur für Besserverdiener:innen. Für alle Anderen stellen 30 Euro pro Test eine enorme finanzielle Belastung dar. Damit bleibt der großen Mehrheit die Wahl: Impfen lassen oder auf das öffentliche Leben weitgehend verzichten.
Tests müssen auch weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Pandemiebekämpfung sein, wenn eine weitere Infektionswelle durch Mutationen vermieden werden soll. Die Lösung dafür könnte simpel sein: Mit einer drastischen Besteuerung der Kapitalist:innen, die während der Krise auf Kosten der Mehrheit riesige Gewinne eingefahren haben, wären kostenlose Test weiterhin problemlos zu finanzieren. Damit wäre das fadenscheinige Problem der Finanzierung gelöst, ohne die Kosten und Folgen auf Arbeiter:innen abzuwälzen. Der Profit der zahlreichen Pandemie-Gewinnler:innen, die nicht täglich überfüllte Busse und Bahnen für den Weg zur Lohnarbeit angewiesen sind, muss endlich angegangen werden.
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Was es braucht, damit sich mehr Menschen impfen lassen, ist nicht weiterer Druck. Dringend notwendig wäre ein Gesundheitssystem, das nicht auf Profite, sondern auf das Wohl der Menschen ausgerichtet ist und eine Impfkampagne, auf die Arbeiter:innen vertrauen können. Es braucht umfassende Aufklärung über die Impfung in allen benötigten Sprachen – ein paar Minuten Gespräch mit der Impfärztin reichen nicht aus. Und die Impfung muss so einfach wie möglich in den Alltag zu integrieren sein: Besonders Schichtarbeiter:innen brauchen die Möglichkeit, sich im Betrieb impfen zu lassen. Wer eine stärkere Impfreaktion zeigt, muss die Möglichkeit haben zuhause zu bleiben, ohne die Angst haben zu müssen, die Kolleg:innen im Stich zu lassen.
Auch und besonders in der Impfkampagne gilt: Unsere Gesundheit ist mehr wert als ihre Profite.