Schnellere Abschiebung durch Transitzonen
// Noch schneller, noch menschenverachtender. Die neuerliche Verschärfung des Asylrechts hat es in sich. Aber selbst das reicht den reaktionären Kräften im deutschen Regime nicht. Abschiebungen von Geflüchteten sollen in Zukunft durch die Einrichtung von „Transitzonen“ in Grenznähe beschleunigt werden. //
Im Eilverfahren wurde das neue und verschärfte Asylgesetz Mitte Oktober durch das Gesetzgebungsverfahren gepeitscht. Es trat am Samstag in Kraft – sogar eine Woche früher, als ursprünglich geplant. Insgesamt ist es die vierte (!) Verschärfung innerhalb der letzten 13 Monate. Wie schon im letzten Jahr wurde die „Drittstaatenregelung“ ausgeweitet, der Aufenthalt in Erstaufnahmeeinrichtungen verlängert, Sachleistungen an Stelle von Geldleistungen gesetzt und Abschiebungen weiter beschleunigt. Gerade der letzte Punkt birgt jedoch noch weitere Diskussionen innerhalb der Großen Koalition. Bei den Herrschenden dreht sich alles um die Frage, wie sie die Geflüchteten noch schneller abschieben könnten.
Einführung von Transitzonen?
Zur schnelleren Abwicklung von Asylverfahren über das verabschiedete Gesetz hinaus wird vorgeschlagen, sogenannte „Transitzonen“ für Geflüchtete einzurichten. Das bedeutet die Schaffung von Einrichtungen in Grenznähe, in denen die Menschen bis zur endgültigen Bearbeitung ihres Asylrechtsgesuchs festgehalten werden können. De facto bedeutet das Massenverhaftungen an der Grenze und die Schaffung von Internierungslagern. CSU-Chef Seehofer macht dabei keinen Hehl aus dem Zweck und dem Ziel dieser Zonen: „Wer aus dem Balkan kommt, aus sicheren Herkunftsstaaten, kommt in die Transitzone – in ein, zwei Tagen wird das geprüft – und dann zurück.“ Bisher dauert die Prüfung von Asylanträgen mehrere Monate. Eine Verkürzung der Bearbeitungszeit auf wenige Tage höhlt das ohnehin schon wahnsinnig repressive Asylrecht für Geflüchtete aus den Balkan-Staaten weiter aus.
Vorbildhaft für diesen Vorschlag steht das „Flughafenverfahren“, welches an den größten Flughäfen Deutschland praktiziert wird. Ist ein Antrag offensichtlich „unbegründet“, dürfen die Menschen bereits heute sofort wieder zurückgeschickt werden – bis dahin werden sie in eigens eingerichteten Abschiebegefängnissen festgehalten.
Streit mit der SPD
Die SPD lehnte diesen Vorschlag zunächst ab. Solche „Transitzonen“ würden bedeuten, die Geflüchteten formal in Haft zu nehmen, bis ihre Anträge geprüft worden sind. Solche „Massenhaftanstalten“ gäbe es mit der SPD nicht. Vielmehr brauche es Regierungsstellen, die offensichtliche unbegründete Anträge schnell bearbeiten, um die Menschen wieder zurückzuschicken. Inzwischen gibt es eine Einigung auf diese „Transitzonen“, nur streitet man noch um den Namen. Der SPD-Innenminister von Nordrhein-Westfalen, Ralf Jäger, bezeichnete dieses Stellen zynischerweise als „Reisezentren“. Trotz der unterschiedlichen Bezeichnung ist man sich also im Grundsatz einig. Abschiebungen müssen schneller möglich sein. Was die SPD damit bezwecken will, ist klar: Abschiebungen mit „humanistischem Antlitz“. In diesem wie im jenem Fall sind die Konsequenzen jedoch die gleichen: In den meisten Fällen Elend, Folter und Mord für die Abgeschobenen.
Druck durch die CSU
Besonders die CSU hat in den letzten Wochen gegen den Regierungskurs von Kanzlerin Merkel mobil gemacht. So warnten mehrere CSU-Politiker*innen vor dem „Zerfall der Union“. Tatsächlich schwächelt die Union in neuesten Umfragewerten deutlich. Diese schwächeren Umfragewerte sind ein Ausdruck der starken Polarisierung der letzten Wochen. Demnach bemerkte CSU-Mann Markus Söder ganz im Geiste von Franz-Josef Strauß: „Wenn wir an der Stelle versagen, werden sich AfD und andere auf Dauer etablieren. Das kann keiner wollen. Deshalb müssen CDU und CSU wieder zusammenkommen.“ Diese Aussage offenbart den Druck, der wiederum auf der CSU durch die Stärkung der AfD lastet. Unmut erreicht die Union dabei vor allem von den eigenen Wähler*innen, die mit dem Regierungskurs unzufrieden sind. Folglich versucht die CSU mittlerweile mit offen nationalistischer Hetze bei den eigenen Wähler*innen zu punkten. Die offizielle Einladung des ungarischen Präsidenten Viktor Orban seitens Seehofers vor wenigen Wochen ist nur ein Ausdruck dessen.
Zick-Zack-Kurs in der Geflüchtetenfrage
Der Kurs der Bundesregierung in den letzten Monaten war dabei nicht einheitlich. Nachdem sie im Sommer noch eine „Willkommenskultur“ propagierte und unter massivem Druck der Geflüchtetenzahlen und der öffentlichen Meinung sogar das Dublin-Verfahren für syrische Geflüchtete aussetzte, wird diese Politik heute von der CSU und auch weiten Teilen der CDU sowie der SPD in Frage gestellt. Man sei an die Grenzen der Belastbarkeit gestoßen, heißt es beispielsweise von Sigmar Gabriel. Man müsse die Zahl der Bürger*innenkriegsflüchtlinge begrenzen, heißt es von Seehofer.
Noch im Sommer rieben sich deutsche Konzerne in Anbetracht hunderttausender billiger Arbeitskräfte aus dem Ausland die Hände und forderten gleichzeitig das Außer-Kraft-Setzen des Mindestlohns für Geflüchtete. Die heutige Polarisierung der Gesellschaft und die Schwächung der etablierten Parteien können wiederum nicht in Gänze mit den Interessen des Kapitals zu vereinbaren sein.
Einheit von Geflüchteten und Arbeiter*innen
Die neue Verschärfung des Asylrechts spaltet die Geflüchteten weiter in „Wirtschafts-“ und „Kriegsflüchtlinge“. Während also Menschen aus Kriegsgebieten möglichst schnell in den deutschen Arbeitsmarkt und das Bildungssystem integriert werden sollen, werden Menschen aus den Balkan-Staaten letztlich durch die geplanten Transitzonen weiter entrechtet und noch schneller abgeschoben. Auch die EU-Kommission mit Jean-Claude Juncker an der Spitze stimmte dieser Prämisse zu, denn „eine Politik des Durchwinkens ist nicht akzeptabel.“ Damit soll nichts anderes ausgedrückt werden als die schonungslose Repression der Geflüchteten.
Es ist die Aufgabe einer breiten demokratischen Bewegung in Verbindung mit der Arbeiter*innenbewegung, diese Entwicklung zu bekämpfen. Dazu müssen Gewerkschaften die Geflüchteten aufnehmen und ihnen die Möglichkeiten geben, gemeinsam mit ihren Kolleg*innen die Angriffe auf ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zurückzuschlagen. Nur so kann die rassistische Spaltung innerhalb der lohnabhängigen Klasse überwunden werden. Eine solche Arbeit muss mit der Forderung der Öffnung aller Grenzen verbunden werden.
Nur so kann verhindert werden, dass Geflüchtete als Lohndrücker*innen missbraucht werden und selbst unter miserabelsten Bedingungen leben und arbeiten müssen. Denn so lange das Damoklesschwert der Abschiebung über Geflüchteten schwebt, sind sie der Willkür des deutschen Staates und der Kapitalist*innen jederzeit ausgeliefert.