„Safe Abortion Day“ in München: „Eine feministische Gesellschaft nach unseren Vorstellungen“
Am 28. September fand in München anlässlich des „Safe Abortion Day“ eine Demonstration statt. Rund 100 Demonstrant:innen forderten die ersatzlose Streichung von Paragraph 218. Für kostenlose, legale und sichere Schwangerschaftsabbrüche!
Am 28. September fand in München anlässlich des „Safe Abortion Day“ eine Demonstration statt, die von Offenen Frauentreffen München organisiert wurde. Rund 100 Demonstrant:innen haben sich auf dem St.-Anna-Platz versammelt, um gegen Paragraph 218 zu demonstrieren. Die Demonstration mit anschließender Abschlusskundgebung und organisierter Aktion dauerte etwa eine Stunde.
Die Kundgebung begann mit einer geschichtlichen Einordnung des Paragraph 218. Ein Schwangerschaftsabbruch ist in Deutschland gemäß Paragraph 218 Strafgesetzbuch (StGB) grundsätzlich für alle Beteiligten strafbar. Die Ausnahmen sind medizinische oder kriminologische Gründe oder das Befolgen von Vorgaben einer sogenannten Beratungsregelung. Medizinische Gründe liegen laut StGB vor, wenn für eine schwangere Person Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des körperlichen oder seelischen Gesundheitszustandes besteht. Seit 152 Jahren besteht dieses Gesetz und kriminalisiert und erschwert Schwangerschaftsabbrüche. Auch die Streichung des Paragraph 219a StGB, der die Möglichkeit über Schwangerschaftsabbrüche aufzuklären, untersagte, hat nichts an der Tatsache geändert, dass Frauen noch immer nicht selbst über ihr Leben und ihren Körper entscheiden dürfen.
Doch auch unsere erkämpften Rechte werden angegriffen. Angefangen mit einem Blick in die USA, wo vor etwa einem Jahr der Supreme Court das verfassungsrechtlich garantierte Recht auf Abtreibung aufgehoben hat, ging es hin zu einer Einordnung von Aussagen der CDU/CSU und der AfD in Bezug auf Schwangerschaftsabbrüche. Durch den Aufstieg der Rechten und dem Rechtsruck in der Gesellschaft entsteht eine zunehmend rassistische Stimmung, die mit einem konservativen Frauenbild einhergeht. Die Ideologie der liebenden, fürsorglichen Mutter am Herd, wird verbreitet. Was es braucht, ist der Zugang zu legalen, sicheren und kostenlosen Schwangerschaftsabbrüchen. Doch klar positioniert wird: Im Kapitalismus werden wir über Kinder(-wunsch) nie frei entscheiden können, da eine systematische Unterdrückung von Frauen stattfindet. Mutterschaft soll weiter gedacht werden als nur im Kosmos von Care- und Reproduktionsarbeit.
Weiter fordert das Offene Frauentreffen in ihrem Flugblatt, dass Schwangerschaftsabbrüche zur medizinischen Grundversorgung werden müssen und damit kostenlos verfügbar sind. Die Forderungen sollen aber noch über die ersatzlose Streichung von Paragraph 218 hinausgehen: Die Selbstbestimmung und Kontrolle über den eigenen Körper. Der Kampf müsse darauf abzielen, die Bedingungen zu überwinden, unter denen Sexualität und Mutterschaft im Interesse von Profit und Kapital funktionalisiert werden. Es gehe um Organisierung von Protest und Widerstand, der aus der Fremdbestimmung befreien und selbstbestimmtes Leben ermöglichen soll. Dazu sollen Frauen sich international solidarisieren mit allen anderen feministischen Kämpfen gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen.
Am Ende des Demozuges haben sich alle für die Abschlusskundgebung auf der Hauptstraße vor der Bayerischen Staatskanzlei versammelt. Grund für diesen Standort ist die Kritik der Gruppe an der CSU. Symbolisch wurden dann Kartons, die mit CSU und AfD beschriftet waren, zertreten. Während der Kundgebung wurde erneut Kritik an deren konservativem Bild von Hausfrauen und Care-Arbeit geübt. Auch letztere wurden im Anschluss in Form von Kartons zerschlagen. Der Gruppe ginge es innerhalb ihrer feministischen Kämpfe nicht um Forderungen, wie die Frauenquote, sondern um das Ende und die Abschaffung von Patriarchat und Kapitalismus. Auch diese wurden als Karton symbolisch zusammen mit dem zentralen Thema, Paragraph 218, zerstört, um im Anschluss daran „eine feministische Gesellschaft nach unseren Vorstellungen“ aufzubauen. Diese bestand aus den Forderungen, die ebenfalls auf Kartons verschriftlicht wurden und von den Demonstant:innen über die Demo getragen wurden: Kostenlose Verhütungsmittel, die zentrale Forderung nach kostenlosen und legalen Schwangerschaftsabbrüchen, körperliche Selbstbestimmung, Umverteilung und Vergesellschaftung der Care-Arbeit, eine Wirtschaft ohne Profitinteressen und alles umfassend, eine feministische Revolution. Diese Forderungen wurden mit viel Jubel und Konfettikanonen beantwortet, die zerschlagenen Kartons symbolisch mit der neu erschaffenen feministischen Gesellschaft ersetzt.
Abschluss der Demonstrationen waren Solidaritätsbekundungen und ein Soli-Gruppenfoto mit einem eigenen Transpi für einen linker Aktivisten, der am 28. September verhaftet wurde, weil ihm die Beteiligung an der Stuttgarter Krawallnacht nachgesagt wurde.
In der Vorbereitung dieser Demo haben wir als Klasse Gegen Klasse ebenfalls einen Redebeitrag anmelden wollen. Allerdings sollte es neben den eigens gehaltenen Redebeiträgen des Offenen Frauentreffens keine Beiträge geben. Daher wollen wir diesen Bericht zum Anlass nehmen, um unseren politischen Beitrag zum Thema Schwangerschaftsabbrüche zu ergänzen. Das Thema Schwangerschaftsabbrüche darf nämlich nicht getrennt betrachtet werden, wenn es um das Thema Geburtshilfe geht. Der Kampf für unsere reproduktiven Rechte darf nicht getrennt werden von den Orten, wo die Care Arbeit geleistet wird.
Der Gesundheitssektor leidet derzeit unter massiven Kürzungen, durch die Krankenhausreform, werden die bestehenden prekären Arbeitsbedingungen und die Zentralisierung von Krankenhäusern durch die Profitinteressen der Regierung vertieft. Genau das ist es, was beispielsweise die Hebammen des Kreißsaal in Neuperlach zu spüren bekommen im Kampf gegen die Schließung des Kreißsaals. Bei dem Kampf um Selbstbestimmung und einer vollständigen Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen, sowie der kostenlosen und frei zugänglichen Bereitstellung, braucht es auch den Kampf um eine bedürfnisorientierte Geburtshilfe und für ein besseres Gesundheitssystem. Das ist nicht im Kapitalismus möglich. Allerdings können wir im kapitalistischen System einen Anfang setzen. Durch die Zusammenführung von feministischen Kämpfen mit Arbeiter:innenkämpfen können wir schon jetzt für ein besseres Gesundheitssystem einstehen.
Feministische Bewegungen sollten deshalb mit ihren Forderungen in die Tarifrunde der Länder (TVL), die viele feminisierte Sektoren umfasst, eingreifen. Denn durch eine gewerkschaftliche Organisierung können wir in feministischen Kämpfen eine andere Schlagkraft gegen den Kapitalismus entwickeln. Die Trennung, die die Gewerkschaftsbürokratie zwischen politischen und ökonomischen Forderungen herstellt, muss in Frage gestellt werden. Arbeiter:innen müssen durch die ihre Selbstorganisierung mit der Herrschaft der Bürokratie brechen und durch Streiks im Gesundheitssektor für legale und kostenlose Schwangerschaftsabbrüche, sowie eine patient:innennahe Geburtshilfe können wir mit Hilfe von ihnen auch im bestehenden System eine bessere medizinische Grundversorgung schaffen.
Anstelle von NGOs, die ihre feministischen Kämpfe der Regierung unterordnen und einer Regierung, die sich als pseudofeministisch trotz angekündigter „Fortschrittsregierung“ entpuppt hat, braucht es echte feministische Kämpfe. Was bei dieser Demonstration ebenfalls wenig Beachtung fand, waren die Repressionen der Regierung auf Trans-Menschen. Wenn wir für körperliche Selbstbestimmung von Frauen auf die Straße gehen, müssen wir dabei auch Kritik am Selbstbestimmungsgesetz üben. Denn der Kampf um körperliche Selbstbestimmung geht da weiter, wo Trans-Personen, nicht-binäre Menschen und Intersexuelle vor dem Gesetz weiterhin kriminalisiert werden und ihre Personenbezogenen Daten mit Änderung ihres Geschlechtseintrags an staatliche Sicherheitsbehörden weitergegeben werden.
Langfristig gesehen stimmen wir den Forderungen des Offenen Frauentreffens zu: Kapitalismus und Patriarchat sind zu zerschlagen. Doch das muss über die Symbolkraft von zerschlagenen Pappkartons auf einer Demonstration hinausgehen. Dazu müssen wir aufhören unsere Kämpfe zu trennen. Für solidarische Kämpfe mit unseren Genoss:innen im Gesundheitssektor! Für bessere gesundheitliche Versorgung, entkriminalisierte und kostenlose Schwangerschaftsabbrüche und für echte körperliche Selbstbestimmung von allen Menschen!