Rot-Rot-Grün räumt die Liebig: BVV-Mitglied tritt aus der Linkspartei aus

12.10.2020, Lesezeit 4 Min.
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Bild: Liebig 34, 1. Mai Demonstration in Berlin 2019, CC0 1.0, Kein Copyright

Thorsten Buhl ist Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg. Die Räumung der Liebig34 erlebte er als martialisch – nun ist er aus der Linkspartei ausgetreten.

Wie hast du die Räumung der Liebig34 letzten Freitag erlebt?

Ich war ja nicht nur am Freitag da, sondern schon die ganze Nacht und den Tag vorher. Was ich erlebt habe? Polizei, Polizei und nochmals Polizei. Zu Tausenden. Die Polizei wollte hier ein Machtexempel statuieren. Das erleben wir ja schon jahrelang hier im Kiez. Nicht erst seit der illegalen Besetzung der Rigaer 94 durch die Polizei im letzten Jahr. Ich wohne seit 12 Jahren hier im Kiez, so ein Aufgebot habe ich noch nie erlebt. Martialisch ist die Polizei vorgegangen. Nicht nur gegen Unterstützer:innen, sondern auch gegen die Presse. Sogar ich wurde von einem Cop aus NRW angeschnauzt, dass ich mich mit „meinem selbstgemachten Schülerausweis verpissen“ solle, als ich an der Zugangsstelle am Forckenbeckplatz in die „Rote Zone“ wollte, und mich mit meinem BVV-Ausweis ausgewiesen habe.

Du bist Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung Friedrichshain-Kreuzberg. Wie wurde die Räumung dort diskutiert?

Eher halbherzig. Nur die Grünen, Die Linke und DIE PARTEI unterstützten eine Solidaritätsbekundung vor ein paar Monaten. Auch in der Fraktion bekam ich sehr oft ein Augenrollen entgegengesetzt, wenn ich die bevorstehende Räumung thematisieren wollte.

Der rot-rot-grüne Senat von Berlin behauptete, dass er im Grunde nichts mit der Räumung zu tun habe — das sei eine Angelegenheit zwischen dem Gerichtsvollzieher und der Polizei. Was hätte die Regierung tun können?

Der Senat hätte sehr wohl auf den Innensenator einwirken können, dieses Ausmaß an Polizeipräsenz einzudämmen oder einfach nicht die Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Hier ist für mich die Verhältnismäßigkeit ausschlaggebend. Wo sind denn 4500 Polizist:innen, wenn seit Jahren Brandanschläge in Neukölln von Rechtsextremisten verübt werden, deren Namen sogar bekannt sind? Wie Andrej Holm in einem Interview mit der Berliner Zeitung sagte: „Es muss politischer Druck auf den Eigentümer ausgeübt werden“ und „Die Berliner Politik hat Vertragsbruch begangen. Die Vereinbarungen nach 1990 wurden aufgekündigt. Es gibt scheinbar niemanden, der jetzt aufseiten der Politik die Verantwortung dafür übernehmen will.“

Sowohl Grüne wie Linke haben die Räumung kritisiert, obwohl sie in den Regierungen des Landes und des Bezirks sitzen. Was ist von dieser Solidarität gegen die eigene Politik zu halten?

Was davon zu halten ist, müssen die genannten Parteien selbst beantworten.

Du hast verkündet, dass du aus der Linkspartei austrittst. Wieso nicht in der Partei weitermachen?

Ich bin bereits am Freitag aus der Partei und der Fraktion ausgetreten. Die Räumung der Liebig34 war nicht der Grund. Es war der Auslöser. Wie sagt man so schön: Der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Seit langem schon hatte ich Bauchschmerzen mit meiner Partei. Wie oft habe ich mich über die Äußerungen von Sahra Wagenknecht oder Oskar Lafontaine geärgert, wenn es um die Frage der Migration geht. Ich war 2015 auf dem LAGeSo, als im Sommer täglich über 1000 Menschen in sengender Hitze ohne jegliche Versorgung ausharren mussten. Männer, Frauen, Kinder, Alte, Verletzte. Ich habe dann in diversen Turnhallen mit und für flüchtende Menschen gearbeitet. Da kann man sich nicht mehr im Spiegel anschauen, wenn Sahra Wagenknecht behauptet, dass Ärzt:innen aus Syrien eingeflogen werden würden oder wie letztens Oskar Lafontaine unbegleitete, minderjährige Flüchtende gegen Rentner:innen ausspielt. Ich kann mit allem, was vorgefallen ist, nicht mehr moralisch leben. Ich bin jetzt erstmal bis zum Ende der Legislatur parteiloser Bezirksverordneter. Und das ist gut so!

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