Rot-Rot-Grün – besser als nichts?

01.05.2017, Lesezeit 4 Min.
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Seit knapp 100 Tagen regieren SPD, Linkspartei und Grüne Berlin. Insbesondere Funktionär*innen aus der Linkspartei erhoffen sich auch auf Bundesebene nach den Wahlen im Herbst diese Konstellation. Mit Martin Schulz haben Gysi, Bartsch und Co. auch gleich ihren vermeintlichen „Erneuerer“ in der SPD gefunden. Doch bringen uns „linke“ Regierungen überhaupt etwas? Aus dem Flugblatt der Revolutionär-Kommunistischen Jugend zum 1. Mai.

„Sei prekär, sei unterbezahlt, sei Berlin!“ stand im letzten Jahr auf einem Schild, dass Beschäftigte von Vivantes auf der Bühne des DGB zum 1. Mai hinter Michael Müller hochhielten. Ein Jahr später ist die Große Koalition in Berlin zwar vorerst Geschichte. Doch die Aussage trifft immer noch zu. Die vollmundigen Wahlversprechen der Rot-Rot-Grünen Regierung in Berlin waren bisher nichts als leere Worte. Besonders aktuell ist das Versprechen, weiteres Outsourcing in landeseigenen Betrieben in Zukunft zu unterbinden. Am Botanischen Garten sollen weiter Bereiche ausgelagert werden, bei Vivantes gibt es mittlerweile 15 Tochterunternehmen und auch an der Charité existiert weiterhin die Charité Facility Management (CFM).

Es war die Rot-Rote Regierung vor rund zehn Jahren, die dem beispiellosen Outsourcing und der damit verbundenen Tarifflucht Tür und Tor geöffnet hat. Die Auswirkungen sind gravierend: Personalmangel, massive Lohnunterschiede und Zerstückelung gewerkschaftlicher Strukturen. Dagegen gibt es glücklicherweise immer wieder deutlichen Widerstand von der Basis der Beschäftigten – auch durchaus erfolgreich, wie letztes Jahr am Botanischen Garten. Fakt ist dennoch erstmal: Der Glaube, die Linkspartei könne in der Regierung eine fortschrittliche Politik machen, hat sich insbesondere in Berlin als falsch herausgestellt. Ein Blick nach Thüringen, wo die von der Linkspartei geführte Regierung sich zum gewerkschaftsfeindlichen Tarifeinheitsgesetz und zuletzt auch zur ausländerfeindlichen PKW-Maut enthalten hat und weiter fleißig Menschen abschiebt, zeigt ein ähnliches Bild. Warum sollte das auf Bundesebene anders aussehen?

Martin Schulz als linke Hoffnung?

Martin Schulz konnte die SPD mit seiner Kandidatur in den Umfragen auf 30 Prozent anheben und hat viele Illusionen in einen Politikwechsel in Teilen der Bevölkerung geweckt. Auch für Teile der Linken ist eine Koalition mit der SPD unter der Führung von Martin Schulz längst eine reale Option. Doch die Hoffnung, mit Martin Schulz könne ein Politikwechsel anstehen, ist reichlich irrational. Als ehemaliger Chef des EU-Parlaments war es Schulz, der die harten Sparmaßnahmen auf dem Rücken der griechischen Jugend und der Arbeiter*innen mit durchgedrückt hat und hauptverantwortlich bei den Verhandlungen zu TTIP war. Außerdem verteidigt er bis heute die Agenda 2010 von SPD und Grünen, die den Beschäftigten letztlich eine massive Ausbreitung von Lohndumping, Befristungen, Minijobs oder Leiharbeit eingebracht hat. Die Versprechungen von Schulz für mehr soziale Gerechtigkeit sind dabei nicht mehr als das übliche Wahlkampfgetöse.

„Linke“ Regierung geben im Kapitalismus letztlich eher den Interessen von Großkonzernen oder Immobilienhaien nach, als die Forderungen der Arbeiter*innen zu unterstützen. Was bringt uns eine linke Partei in der Regierung, wenn sie keine linke Politik macht? Gewerkschaftsführungen und Sozialdemokratie hatten dem Sozialabbau, den massiven Auslagerungen und Befristungen, dem Lohndumping und den gewerkschaftsfeindlichen Gesetzen in den letzten Jahren nichts entgegenzusetzen. Sie waren sogar selbst daran beteiligt, all diese Angriffe auf die lohnabhängige Bevölkerung durchzusetzen.

Keine Alternative für Beschäftigte und Jugendliche

Dagegen müssen wir uns als Beschäftigte und Jugendliche unabhängig von Kapitalist*innen und den bürokratischen Gewerkschaftsführungen organisieren. Besonders die großen DGB-Gewerkschaften mit ihren mehreren Millionen Mitgliedern sind mächtige Werkzeuge für den Kampf gegen Sozialabbau und Rassismus. Zahlreiche Beispiele kämpferischer Streiks der letzten Jahre, wie am Botanischen Garten, den Berliner Flughäfen oder den Krankenhäusern in Berlin machen die Kampfkraft der Arbeiter*innenklasse deutlich. Doch diese Werkzeuge müssen wir uns erst wieder zurückerkämpfen, um mit den Millionen Mitgliedern zu kämpfenden Arbeiter*innen zu werden. Dabei sind es besonders Jugendliche, die bei unzähligen antirassistischen Protesten gegen die AfD, PEGIDA und in Solidarität mit Geflüchteten immer wieder ihre Kampfbereitschaft unter Beweis stellen.

Gleichzeitig sind es auch Jugendliche, die immer öfter befristet angestellt werden oder in Praktika unterhalb des Mindestlohns oder unbezahlt arbeiten müssen. Jeder Kampf gegen diese Verhältnisse heute ist auch ein Kampf für eine Zukunft ohne Ausbeutung und Unterdrückung. Dafür müssen wir klassenkämpferische und antibürokratische Basisstrukturen in Gewerkschaften, in Betrieben, aber auch in Schulen und Unis aufbauen, um eine relevante Gegenmacht gegen Staat und Kapital aufzubauen.

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