#riseup4Rojava: Warum wir eine Antikriegsbewegung an den Hochschulen brauchen
Präsidium der HU-Berlin antwortet auf die Rojava-Besetzung am Institut für Sozialwissenschaften mit 16 Strafanzeigen. Türkische Armee marschiert in Nordsyrien mit Unterstützung der NATO weiter. Zeit für eine breite Antikriegsbewegung an Universitäten.
Am Donnerstag wurde das Institut für Sozialwissenschaften (ISW) der Humboldt-Universität zu Berlin von Studierenden besetzt, um gegen den Angriffskrieg der Türkei zu protestieren. Die Aktivist*innen haben von der Universitätsleitung Maßnahmen gegen die Zusammenarbeit mit türkischen Universitäten gefordert, um Druck auf die türkische Regierung auszuüben. Außerdem forderten sie die Einstellung der wirtschaftlichen Kooperation mit der Türkei und Abbruch diplomatischer Beziehungen.
Die Türkei führt seit drei Wochen eine Invasion in Rojava/Nordsyrien, um die kurdische Selbstverwaltung zu vernichten und weitere Gebiete Kurdistans unter ihre Kontrolle zu bringen. Dabei werden deutsche Panzer und Waffen eingesetzt, die in Händen von jihadistischen Söldnertruppen zur Ermordung von Zivilist*innen verwendet werden. Aufklärungsdaten der Bundeswehr werden zur Bombardierung kurdischer Siedlungen genutzt. Außerdem genießt die Türkei als NATO-Mitglied die politische und wirtschaftliche Unterstützung der EU-Staaten und der USA.
Seit Anfang der Militäroffensive haben sich breite Teile der Gesellschaft in Deutschland mit Rojava solidarisiert. Tausende Menschen gehen jede Woche in Solidarität mit Rojava auf die Straße, protestieren gegen Waffenlieferungen an die Türkei, führen Aktionen an Universitäten durch. Auch Ortsgruppen der Fridays for Future haben sich gegen den Angriffskrieg gestellt. Ebenfalls kam es zu Antikriegsresolutionen der Gewerkschafter*innen, wie an der FU Berlin.
Polizei raus aus der Uni!
Auch an Berliner Universitäten mobilisieren sich Studierende gegen den Krieg in Nordsyrien. Nach den ersten Solidaritätsaktionen, sammelten sich nach der Ankündigung der Besetzung in kurzer Zeit über 100 Menschen am ISW, um ihre Unterstützung zu zeigen.
Trotz einer vom RefRat (Asta) der HU angemeldeten Vollversammlung ging das Universitätspräsidium und Präsidentin Sabine Kunst (SPD) mit starker Repression gegen die Studierendenschaft vor und rief nur wenige Stunden nach Beginn der Besetzung die Polizei für die Räumung.
So zeigte das HU-Präsidium nicht nur noch einmal, dass sie die Universität mit undemokratischen Mitteln und polizeilicher Kriminalisierung der eigenen Studierenden wie im Fall von #holmbleibt regiert, sondern auch, auf welcher Seite es beim Angriffskrieg der Türkei steht, nämlich auf Seiten der Invasionsarmee.
Diese Haltung wird auch damit bestätigt, dass die Universitätsleitung im Instituts für Islamische Theologie auch mit Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIP) – eine Institution, die mit ihren Verbindungen zum türkischen Geheimdienst bekannt sind – kooperiert, dessen Vertreter im Institut offen mit sogenannten „Märtyrern“ des Angriffskriegs mittrauert, wie auch der Referent*innenrat der HU-Berlin in seiner Erklärung berichtete. Das HU-Präsidium verteidigt ebenfalls den faschistoiden Prof. Jörg Baberowski aus Institut des Geschichtswissenschaften an der HU, der offen den Nazi-Diktatur relativiert.
Nach unseren Informationen wurden nach der Räumung 16 Studierende vom Präsidium wegen der Besetzung angezeigt, während drei Studierende wegen der Holmbesetzung in 2017 am selben Tag vor Gericht standen. Als Hochschulgruppe organize:strike verurteilen wir die Polizeirepression aufs Schärfste und fordern die sofortige Rücknahme aller Strafanzeigen. Die Polizei hat an Universitäten nichts zu suchen. Darüber hinaus fordern wir den Rücktritt des gesamten Präsidiums der HU-Berlin.
Die Militäroffensive der Türkei und die heuchlerische Politik des deutschen Staates dauern an. Viele Studierende politisieren sich aktuell anhand der Frage des Krieges in Rojava, wie schon 1968 während des Vietnamkrieges. Die Tradition der Studierendenbewegung in Deutschland kennt große antimilitaristische und antiimperialistische Mobilisierungen. Es ist Zeit, diese Tradition aufzugreifen.
Für eine Studierendenbewegung gegen den Krieg internationalistisch, antimilitaristisch, antiimperialistisch.
Bei der Besetzung des Instituts für Sozialwissenschaften der HU am Donnerstag konnte man feststellen, dass wir eine viel größere Basis und Mobilisierung brauchen, um der Repression durch Staat und Präsidiums bei einer solchen Besetzung tagelang widerstehen zu können und tatsächlich Einfluss auf den Angriffskrieg der Türkei und die heuchlerische Rolle des deutschen Imperialismus nehmen zu können. Es braucht zehntausende Studierende und Beschäftigte mit konkreten politischen Forderungen, Besetzungen und Streiks auf der Straße, um auf die Bundesregierung materiell Druck auszuüben.
Um eine tatsächliche Bewegung mit Massenbasis aufzubauen, können wir uns mit spontanen Aktionen in kleinen Gruppen nicht begnügen. Es ist notwendig, die aktionistischen Elemente an der Universität mit großen basisdemokratischen Versammlungen zu verbinden, auf denen über die politische Situation diskutiert, Forderungen abgestimmt, über Vorschlage für Aktionen und weitere Schritte der Mobilisierungen demokratisch entscheiden wird.
Durch Vollversammlungen können breite Teile der Studierendenschaft erreicht werden, sodass die politischen Forderungen und Aktionen der Bewegung demokratisch bestimmt, somit von einer größeren Basis getragen werden.
Studierende und Beschäftigte der Berliner Universitäten haben an der Verwaltung der Universität de facto keine Macht. Im Akademischen Senat besitzen die Professor*innen eine große Mehrheit als die kleinste Statusgruppe, während die 30.000 Studierende im besten Fall mit 2 bis 4 Vertreter*innen repräsentiert werden. Eine ähnliche Situation sieht es mit den Beschäftigten der Universität aus. Nur durch eine solche undemokratische Organisierung der Universität ist es überhaupt möglich, dass die Landesregierung und der Staat durch ein reaktionäres Präsidium so viel Einfluss auf die Mobilisierungen an der Universität einnimmt.
Diese Selbstorganisierung ist einerseits für eine kontinuierliche Mobilisierung wichtig, aber auch dafür, dass die Massen an der Universität dadurch Erfahrungen mit Massendemokratie machen, die wir gegen die diktatorische Verwaltung der Universität oder den repräsentativen Parlamentarismus in der Gesellschaft insgesamt vorschlagen. Die Bewegung, die wir aufbauen müssen, sollte für eine Universität kämpfen, die durch Massenversammlungen im Prinzip eine Person eine Stimme verwaltet wird, und alle gewählten Vertreter*innen einen politischen Mandat tragen und jeder Zeit abgewählt werden können.
Vom 25. November bis 29. November findet an Berliner Universitäten eine Klimastreikwoche statt, die von örtlichen FFF-Gruppen und Hochschulgruppen organisiert wird. Diese Woche bietet die Möglichkeit, die zwei Politisierungspunkte der Jugend, nämlich die Klimafrage und den Krieg in Rojava zu verbinden und somit tausende Menschen zu mobilisieren. Neben einer Solidarisierung mit #riseup4Rojava-Aktionen an Universitäten seitens der FFF-Gruppen sollten wir in der Klimastreikwoche massenhafte Aktionen, Vollversammlungen und Besetzungen organisieren und antikapitalistische und antiimperialistische Forderungen gegen den Krieg in Rojava und gegen die Klimakrise aufstellen.
Solidarität mit Rojava heißt, die Bundesregierung zu bekämpfen! Für den Rauswurf aller imperialistischen und regionalen Mächte aus Rojava!
Deutschland ist an dem Krieg in Syrien beteiligt. Die verbale Opposition der Bundesregierung gegen die Türkei ist nur dafür da, um die Geschäfte und Interessen des deutschen Imperialismus zu decken. Die Türkei ist nicht nur der größte Abnehmer deutscher Waffen, sondern auch Bündnispartner der EU und Deutschland im Pakt gegen Geflüchtete. So gibt die EU 6 Milliarden Euro an das türkische Regime, damit die Fluchtwege auf dem Land geschlossen bleiben. Tausende Menschen ertrinken jedes Jahr durch Folgen dieses kriminellen Abkommens.
Nach dem Angriff der Türkei schlug die Verteidigungsministerin Annegret-Kramp-Karrenbauer (CDU), dass Deutschland gemeinsam mit NATO und UN an der Grenze von Syrien und der Türkei eine sogenannte internationale Sicherheitszone errichten sollte. Diese Sicherheitszone solle in Kooperation mit der Türkei und Russland passieren und den Einsatz von deutschen Soldaten vor Ort einschließen. Die Verteidigungsministerin machte in ihrem Vorschlag auch klar, dass es keine autonomen Gebiete in Syrien geben solle. Der Vorschlag wird mit Sicherheitsinteressen und einer Verantwortung gegenüber Kurd*innen begründet – so verlogen kann man sein! Es geht nicht um einen „humanitären“ Einsatz, sondern um die Interessen des deutschen Imperialismus, bei der Neuaufteilung Syriens mitzureden.
Die United Nations (UN) dienen seit ihrer Gründung als ein „humanitärer“ Schirm für imperialistische Staaten und ihre blutige Kolonialpolitik, wie im Beispiel Jugoslawiens, wo die UN-Truppen die Ermordung von 8.000 Bosniak*innen zugeschaut haben oder als sie der Teilungsplan von Palästina in 1947 zugestimmt haben. Sie ist keine neutrale Organisation, sondern handelt im Auftrag der imperialistischen Staaten und regionale Mächte.
Erdoğan fordert so eine internationale „Sicherheitszone“ seit 2 Jahren, um die kurdischen Kräften aus Grenzgebieten von Rojava zu vertreiben und die Region ethnisch zu säubern.. Bei der Realisierung einer solchen Sicherheitszone die in Kooperation mit der Türkei, Russland und Syrien stattfindet, sehen wir nur eine Bestätigung der Kolonisierung Kurdistans und die Bestätigung der Politik des türkischen Regimes.
Weder die Bundesregierung noch andere imperialistische oder regionale Mächte sind Verbündete der kurdischen Nation in ihrem Kampf um Selbstbestimmung. Wenn wir mit Rojava Solidarität ausüben und die Invasion stoppen wollen, können wir uns keine Illusionen in imperialistischen Mächten leisten, die in erster Linie diese Offensive und die Türkei finanzieren und politisch unterstützen.
Während der Besetzung im ISW wurde von ein Teil der Aktivist*innen ein Flyer verteilt, auf der die Forderung stand, dass die Bundesregierung sich für die Entsendung von Sicherheitstruppen nach Nordsyrien einsetzen soll. Diese Forderung ist unserer Meinung nach ein großer strategischer Fehler.
Während die Verteidigungsministerin von Deutschland eine imperialistische Offensive ankündigt, die in Kooperation mit der Türkei und Russland stattfinden, und die Vertreibung der Kurd*innen aus der Region durch das Abkommen USA-TR-Russland bestätigen soll, kann es nicht sein, dass Aktionen in Solidarität mit Rojava genau eine solche imperialistische Militärintervention fordert. Eine erneute Militärintervention ist alles außer im Interesse der Selbstverwaltung in Rojava.
Wir brauchen keine Rückendeckung der Bundesregierung bei ihren imperialistischen Ambitionen, sondern eine antiimperialistische Studierendenbewegung, die tatkräftig die Interessen der Bundesregierung bekämpft. Das bedeutet, dass wir:
- den vollständigen und permanenten Stopp aller Waffenexporte in die Region seitens der deutschen Regierung,
- die Aufhebung des Verbots und Ende der Repression aller kurdischen Organisationen, einschließlich PKK, YPG und YPJ Und die Streichung der PKK aus der Terrorliste,
- den Stopp der Kriminalisierung der Kurdistan-Solidarität und die Einstellung aller Verfahren,
- die Streichung des verbrecherischen Migrationsdeals zwischen der EU und der Türkei, mit dem der Angriffskrieg finanziert wird, fordern müssen.
Nur wenn alle kolonialen, regionalen und imperialistischen Mächte raugeworfen werden, kann Rojava sich befreien.
Als Hochschulgruppe organize:strike schlagen wir eine Vollversammlung zu Rojava, auf der die Studierende und Beschäftigte der Universitäten über den Krieg in Rojava und unsere Aufgaben hier diskutieren, politische Forderungen und ein Aktionsprogramm demokratisch abgestimmt wird.
Für die Niederlage der türkischen Armee und ihre Verbündeten!
Für den Rauswurf aller kolonialen, regionalen und imperialistischen Mächte aus Rojava!
Für eine antiimperialistische Antikriegsbewegung an Universitäten!
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