Rezension: „Medienkritik ist links. Warum wir eine medienkritische Linke brauchen“ von Lukas Meisner

17.11.2023, Lesezeit 15 Min.
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Linke Medienkritik muss als Systemkritik – als Kapitalismuskritik – stattfinden. Für die Notwendigkeit einer linken Medienkritik wie auch des Aufbaus einer ‚neuesten Linken' argumentiert Lukas Meisner in seinem 2023 erschienenen Buch „Medienkritik ist links“.

„Die herrschenden Gedanken sind weiter Nichts als der ideelle Ausdruck der herrschenden materiellen Verhältnisse, die als Gedanken gefaßten herrschenden materiellen Verhältnisse; also der Verhältnisse, die eben die eine Klasse zu herrschenden machen, also die Gedanken ihrer Herrschaft.“ Jenes Zitat aus Karl Marx‘ Werk Die deutsche Ideologie stellt Lukas Meisner seinem 2023 in der Eulenspiegel Verlagsgruppe Das Neue Berlin erschienenen Buch Medienkritik ist links. Warum wir eine medienkritische Linke brauchen voran. Grundlegend argumentiert er darin für die Rückeroberung einer Kernkompetenz, die vormals als klassisch links galt: die Medienkritik. Linke Medienkritik müsse als Systemkritik betrieben werden, woraus sich die Kritik am Kapitalismus und der in ihm herrschenden Verhältnisse ergibt, die sich Meisner zufolge unter anderem in einer Krise der Öffentlichkeit ausdrücken. Die Zielsetzung besteht weder in einer wirtschaftlichen Betrachtung der medialen Infrastruktur selbst noch im Verfassen eines wissenschaftlichen Werks; vielmehr handle es sich um ein „salopp formuliertes Kompendium polemischer Interventionen und stets essayistischer Plädoyers, die – ideologiekritisch informiert – möglichst weit ins Bestehende eingreifen wollen, um diesem zum eigenen Besseren zu verhelfen“1.

Um seine beiden zentralen Thesen – die Notwendigkeit einer neuesten Linken und die Notwendigkeit linker Medienkritik – zu kontextualisieren, gibt der Autor einen kurzen Abriss, in welcher Gegenwart diese erhoben werden. Meisner legt dar, dass dem immer stärker werdenden Rechtspopulismus eine Form des Linksliberalismus vermeintlich gegenübersteht, die zwar liberal, aber eben gerade nicht links ist. So sehr sich beide Strömungen gegenseitig auch angreifen mögen, letztlich ähneln sich „rechter und liberaler (Un-)Geist […] umso mehr“2. Eine Stärke von Meisners Text, die sich bis zum Ende durchzieht, zeigt sich bereits in der Einleitung, insofern er trotz der offenen, essayistischen bis polemischen Form solche Behauptungen argumentativ belegt; dadurch werden diese nicht zu inhaltslosen Phrasen degradiert, wie man sie im Feuilleton dieser Tage nur allzu oft zu lesen bekommt. Folglich wird auch der gemeinsame (Un-)Geist näher bestimmt, um dadurch implizit eine linke Position beziehungsweise Opposition zu Liberalismus und Rechtspopulismus herauszustellen: „Gemeinsam verschwiegen wird das zentrale Anliegen der Linken, nämlich die soziale Frage der politischen Ökonomie mitsamt ihrer Substantialisierung des Freiheits- und Gleichheitsideals. Dieses Anliegen wird von Rechten bloß anders verschoben und verdreht, versteckt und verdreckt als von Liberalen.“3 Daran anschließend verdeutlicht Meisner die Differenz von linker Medienkritik, die sich eben gerade nicht Pauschalurteilen wie ‚Lügenpresse‘ bedienen und auch keine ‚Verschwörung‘ konstruieren muss – vielmehr kann sie das Notwendige leisten: Systemkritik.

Die neueste Linke

Bevor Meisner näher auf spezifisch linke Medienkritik und ihre Funktion als Systemkritik eingeht, widmet er sich zunächst der Frage, was Linkssein gegenwärtig bedeutet beziehungsweise was gerade nicht unter Linkssein verstanden werden sollte. Insbesondere problematisiert der Autor dabei einerseits das spezifisch deutsche Phänomen der sogenannten Antideutschen und andererseits die Auswüchse einer übersteigerten linksliberalen Identitätspolitik. Antideutsche seien heutzutage vor allem in ihrer „Schwundstufe“ anzutreffen: Jegliche Kritik an Israels Siedlungspolitik werde ebenso wie Kritik an der unilateralen Außenpolitik, dem Imperialismus oder am finanzialisierten Kapitalismus des „strukturellen Antisemitismus“ bezichtigt, während zugleich eine Anti-Einwanderungspolitik nicht nur hingenommen, sondern sogar gefordert werde.4 Wie stark antideutsche Positionen in der (radikalen) Linken vertreten sind, wurde spätestens nach dem 7. Oktober dieses Jahres deutlich. Gemeinsam mit der bürgerlichen Presse betreiben jene Organisationen und Personen – allen voran Jutta Ditfurth – eine regelrechte Hetze auf alles und jede:n, der:die berechtigte Kritik am Vorgehen Israels übt. Menschen verlieren ihren Job, erfahren massive Repressionen, politische Vereine werden verboten, Gruppen werden aus Bündnissen ausgeschlossen, wobei sich diese Liste noch um eine Vielzahl von Fällen ergänzen ließe. Das alles ist kongruent mit der in Deutschland vielfach beschworenen Staatsräson. In einer bemerkenswerten Allianz fordern bürgerlicher Staat, die Medienlandschaft bis hin zur taz, der rechte Studierendenverband RCDS wie auch universitäre ‚Linke‘ die gleichen oder ähnliche Maßnahmen, wenngleich mit unterschiedlicher Rhetorik. Während Antideutsche sich dennoch gerne weiterhin selbst als links bezeichnen, analysiert Meisner diesbezüglich Gegenteiliges: „So sehr solche Position ein Extrem sein mag, ist sie doch Symptom eines allgemeineren Rechtsrucks jenes Bildungsbürgertums, das einst links sozialisiert war.“5 Kongruent ist diese Position mit der in Deutschland vielfach beschworenen Staatsräson.

Eine übersteigerte linksliberale Identitätspolitik hingegen dürfte sich aktuell vor allem auch in universitären Diskursen auffinden lassen. Meisner kritisiert hier zurecht, dass dabei die Identität vor das Argument gestellt wird; entscheidend ist dann weniger was, sondern vielmehr von wem etwas gesagt wird: „Die universalistischen Grundprinzipien der Gleichheit und des Respekts werden […] diskursiv aufgehoben, und zwar indem die eigene Erfahrung und die eigene Stimme einiger […] nicht zählen sollen aufgrund angeboren-konstruierter Merkmale wie Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung, die zudem oft für phänotypisch ausgemacht gelten.“6 Was also als vermeintliche Strategie gegen Diskriminierung und Kategorisierung wirken soll, hält dies schließlich – oftmals in moralistischer Gestalt – weiterhin aufrecht; darüber hinaus entstehen hierdurch Spaltungen, die einen gemeinsamen Kampf erschweren oder gänzlich verhindern. Dass das kapitalistische System von jener Spaltung der Arbeiter:innenklasse, von Rassismus und Sexismus letztlich profitiert, hätte an dieser Stelle durchaus noch zugespitzter ausformuliert werden können, um gerade auch identitätspolitischen beziehungsweise postmodernen Strömungen eine materialistische Analyse entgegenzusetzen, die der Autor an anderen Stellen verfolgt und herausstellt.

Um seine These der Notwendigkeit einer ’neuesten Linken‘ einzuleiten, geht Meisner einen Schritt zurück und skizziert, wie sich mit der ab den 1980er Jahren einsetzenden Postmoderne eine schleichende „Privatisierung des Politischen“7 vollzieht, wobei sich diese Privatisierung als eine Art „hegemoniale Offensive gegen das rationale, universalistische, emanzipatorische Prinzip selbst“8 ausdrücke. Dagegen bestehe die Aufgabe der noch aufzubauenden neuesten Linken in der Erinnerung daran, „dass es Feminismus, Antirassismus und Ökologie nur als antikapitalistische und universalistische Emanzipationsbestrebungen geben kann.“9 Weiterhin müsse sich diese in der Tradition des kritischen Marxismus sowie des demokratischen Sozialismus verstehen. Daher sei die neueste Linke „universalistisch, weil sie die emanzipatorische Vernunft verkörpert und die 99 % vertritt – als Stimme der unterdrückten Bedürfnisse will sie diese erfüllt sehen in rationaler Gesellschaft.“10 Unter den 99 Prozent versteht Meisner die Arbeiter:innenklasse, die dem einen Prozent, den Kapitalist:innen, gegenübersteht. Ihre Interessenvertretung zu bilden, das sei Aufgabe der neuesten Linken; als ihre Praxis nennt Meisner den Klassenkampf.

Auch auf DIE LINKE geht der Autor ein, wenn er sie als Beispiel dafür anführt, dass Medienkritik schon allein deshalb links sein müsse, da der vermeintlich linke Mediensektor, den er zuvor als liberal, aber eben nicht links entlarvte, dafür sorge, dass wirklich linke Kräfte nicht mehrheitsfähig werden können, insofern beispielsweise eher die Angst vor dem „linken Gespenst“ präsent gehalten werde.11 Dadurch, so Meisner weiter, sei in den letzten Jahren von Medien und Parteien gleichermaßen eine Koalition mit der LINKEN verhindert worden, das heißt auch eine ernsthaft linke Regierung jenseits des Neoliberalismus.12 Dass die LINKE in der Krise steckt, ist angesichts schlechter Ergebnisse bei Landtagswahlen wie auch der letzten Bundestagswahl offensichtlich. Immer wenn es aber auf Landesebene eine Koalition und damit eine Regierungsbeteiligung der LINKEN gab, zeigte sich schnell, wie integriert die Partei in das bestehende System ist. In Berlin beispielsweise wurden unter linker Regierungsbeteiligung so viele Menschen abgeschoben wie in kaum einem anderen Bundesland. Die innerparteilichen Streitigkeiten tun ihr Übriges.

Eine echte linke Alternative ist von dieser Seite nicht zu erwarten – hier hat Meisner zu große Illusionen in einen Parteiapparat, der sich immer und immer wieder selbst diskreditiert und von der Möglichkeit eines grundlegenden Wandels der Gesellschaft distanziert hat. Vielmehr braucht es die von Meisner thematisierte Arbeiter:innenklasse, die qua ihrer Position das revolutionäre Subjekt bildet. Mittels Streiks etwa vermag sie es, das wirtschaftliche System lahmzulegen. Sie ist letztlich diejenige Kraft, die den Kapitalismus überwinden kann. Dazu jedoch ist es notwendig, dass sich Arbeiter:innen in Gewerkschaften selbst organisieren und von revolutionären Ideen überzeugt werden. Dies entspricht keiner Interessenvertretung im Sinne einer Repräsentations- oder Stellvertreter:innenlogik. Vielmehr muss eine revolutionäre Kraft jenseits des Reformismus aufgebaut werden, die eine echte linke Alternative bietet. Das allerdings kann nicht mit oder in der Linkspartei geschehen, die sich nach erscheinen des Buches tatsächlich gespalten hat und ihre Fraktion im Bundestag zum 6. Dezember auflösen wird. An dieser Stelle hat Meisner also nicht Unrecht mit seiner Analyse. Im Sinne einer linken Medienkritik aber, die zugleich systemkritisch agiert, lässt sich formulieren, dass dies auch für linke Parteien und Organisationen gilt. Dies schmälert die Feststellung, dass in der bürgerlichen Presse nach wie vor gegen links gehetzt wird, keineswegs. Mit Armin Nassehi fällt dann auch ein Name, der sich dazu regelmäßig selbst exponiert.

Linke Medienkritik

Anhand von Autoren wie Kurt Tucholsky, Antonio Gramsci, Jürgen Habermas, Hans-Magnus Enzensberger und Noam Chomsky zeigt Meisner beispielhaft auf, dass Medienkritik in der Vergangenheit wichtiger Bestandteil linker Ideologiekritik war. Heutzutage aber, so die Erkenntnis des Autors, stehe Medienkritik unter dem Generalverdacht, rechts und autoritär zu sein. Werde dieser Verdacht insbesondere von rechts- bis linksliberalen Leitmedien geäußert, so falle dabei auf, dass sich jener „leitmediale Mainstream […] selbst und insbesondere die bürgerliche Presse aus dem Fadenkreuz der Kritik [nimmt], indem er – zirkulär wie sonst nur die Bibel – Medienkritik als per se illegitim zurückweist“13. Darüber hinaus müsse der Unterschied zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung berücksichtigt werden, wobei die öffentliche Meinung unter dem Gestaltungswillen der veröffentlichten und leitmedial ausgedrückten Meinung stehe.14 Unter anderem hieraus leitet Meisner dann auch die Notwendigkeit linker Medien-als-Ideologiekritik ab: „Wenn die Linke nicht ihrerseits Analysen ausgestaltet zur Erklärung der Welt, bleiben den Menschen zum Begreifen ihrer Lage nur rechte Fantasien übrig.“15 Nur durch eine linke Medienkritik der bürgerlichen Presse ließe sich weiterhin die Gefahr, die von Verschwörungstheorien ausgeht, bannen.16 Als Grundproblem eben jener linken Medienkritik benennt der Autor die Krise der Öffentlichkeit, die jedoch lediglich als Teilaspekt einer umfassenderen Krise – als „abgeleitetes Überbauphänomen“17 – zu verstehen sei.18

Hinsichtlich der Leitmedien, das heißt Zeitungen, Fernsehen und Radio, konstatiert Meisner weiterhin, dass hier eine massive Vorauswahl hinsichtlich der Berichterstattung getroffen werde, sodass es zu einer systematischen Verzerrung des Wahrnehmungsapparats komme.19 In Anlehnung an George Orwell und dessen Text The Freedom of the Press spricht der Autor hier auch von einer sogenannten Grammophonmentalität: Es brauche keine Zensur mehr, insofern „dieselbe Platte in freiwilliger Knechtschaft und vorauseilendem Gehorsam – aufgrund intellektueller Feigheit – bereits ununterbrochen sich selbst aufgelegt bzw. auferlegt wird.“20 Aus dem Versagen der bürgerlichen Presse hinsichtlich ihrer Stellvertreterrolle beziehungsweise ihrer Selbstverwechslung als demokratische Öffentlichkeit erkläre sich darüber hinaus das erstarkte Formieren von Parallelöffentlichkeiten.21

Neben den klassischen Massenmedien verweist Meisner weiterhin auf soziale Netzwerke, die weniger unter einer Grammophonmentalität litten als vielmehr unter einer Neo-Öffentlichkeit, die jedoch dem Interesse des Gemeinwohls oftmals diametral entgegengesetzt sei, was in Zusammenhang mit einem Unterwandern kritischer Öffentlichkeit stehe.22 Um die Kritik des Status Quo nicht den Rechten zu überlassen, die mit dem Vorwurf von Fake News und Lügenpresse keineswegs eine ausreichende Analyse bieten, müsse die neueste Linke in ihrer publizierenden Tätigkeit die Hintergründe von Leid, Wut und Hass transparent machen, somit also den Kapitalismus als Grund und Hintergrund benennen: Linke Medienkritik müsse „aufzeigen, dass, solange das Kapital in letzter Instanz regiert, demokratische Öffentlichkeit Gefahr läuft, zur Staffage zu werden, worin selbst die sogenannten Mächtigen zur Ohnmacht verurteilt bleiben.“23

Angewandte Medienkritik ist Meisner zufolge gegenhegemonial. Hier bezieht er sich auf das Konzept der Hegemonie, wie Gramsci es in den Gefängnisheften entwickelte. Hegemonie bedeutet, „dass die herrschende Gruppe sich auf konkrete Weise mit den allgemeinen Interessen der untergeordneten Gruppen abstimmen wird und das Staatsleben als ein andauerndes Formieren und Überwinden von instabilen Gleichgewichten zu fassen ist […], von Gleichgewichten, in denen die Interessen der herrschenden Gruppen überwiegen, aber nur bis zu einem gewissen Punkt, d. h. nicht bis zu einem engen ökonomisch-korporativen Interesse.“24 Hegemonie als eine spezifische Form der Herrschaft beruht bei Gramsci sowohl auf Konsens als auch auf Zwang. Hierbei legt er einen erweiterten Staatsbegriff beziehungsweise das Konzept des integralen Staates zu Grunde: Der Staat besteht in diesem Verständnis nicht nur aus Institutionen der Legislative, Exekutive und Judikative, sondern beinhaltet auch Initiativen der Zivilgesellschaft, worunter etwa Gewerkschaften, Verbände, Medien, politische Vereine, kulturelle Einrichtungen oder NGOs fallen würden. Zivilgesellschaft ist bei Gramsci derjenige Raum, in dem um gesellschaftlichen Konsens, um Hegemonie, gerungen wird, wobei sich nicht alle Klassen, Gruppen, Initiativen gleichberechtigt bewegen können. Zivilgesellschaft ist folglich ein Kampfplatz beziehungsweise ein umkämpftes Kräfteverhältnis. Das aufzubauende gegenhegemoniale linke Projekt müsse sich, so argumentiert Meisner, gegen den verbreiteten Antikommunismus richten.25 Diese Analyse ist prinzipiell richtig; offen bleibt dagegen, wie linke Medienkritik angewendet werden kann oder soll, um gegenhegemonial wirken zu können.

Medien-als-Systemkritik

Zahlreiche Beispiele für die Krisen der Gegenwart untermalen in Meisners Text die Notwendigkeit, eine Linke aufzubauen, die sich des kritischen Marxismus bedient. Die konkrete Ausgestaltung bleibt aber ebenso wie die anwendungsorientierte Form linker Medienkritik offen. So benennt der Autor explizit den Kapitalismus als das System, welches auf Ausbeutung und Unterdrückung basiert und letztlich immanent krisenhaft ist; dies allein aber ist noch keine Strategie, um zu dem von Meisner geforderten demokratischen Sozialismus zu gelangen. Sicherlich, diesen Anspruch formuliert der Text auch nicht, jedoch ist seit Marx bekannt, dass das Sein das Bewusstsein bestimmt. Das resümiert der Autor auch selbst, wenn er schreibt, dass linke Medienkritik „eine Fakultät der Ideologiekritik [ist], weil sie die Frage nach dem falschen Bewusstsein nur zusammen mit der nach dem falschen Sein stellt.“26 Wer Medien wirklich kritisieren wolle, müsse dies als Kapitalismuskritik tun.27 Eine solche Kritik am Kapitalismus, die letztlich zu dessen Überwindung führen soll, muss notwendigerweise ihre Verankerung in der Arbeiter:innenklasse und im Klassenkampf haben. Dass der Autor ein solches Verständnis hat, lässt der Text immer wieder durchscheinen; beispielsweise auch beim Kampf gegen Rechts: „Schließlich ist der einzige Weg, die Rechte zu besiegen, die Klassenfrage, das Klassenbewusstsein, den Klassenkampf auch bei uns wiederzubeleben für eine klassenlose Gesellschaft.“28 Dazu passend charakterisiert Meisner das Proletariat des 21. Jahrhunderts, das heute zwar diverser ist als je zuvor, dennoch aber eben diejenige Klasse bildet, die enteignet und beraubt wird.29

Gerade in einer Zeit, in der der Aufstieg der Rechten voranschreitet, ist der Aufbau einer revolutionären linken Alternative unumgänglich, insofern man gegen eine echte Rechte nur mit einer echten Linken gewinnen kann. Die beständige Analyse der materiellen Verhältnisse ist Aufgabe jeder marxistisch orientierten Gegenwartskritik. Am Ende bleibt also die Frage: Was sind die Taktiken? Was ist die Strategie? Und wie kann darin linke Medienkritik als Systemkritik stattfinden? Denn dass sie stattfinden muss, das macht der Text in überzeugender Weise deutlich. Gerade auch die mediale Berichterstattung zu den Kriegen und Krisen der letzten Jahre wie auch der Gegenwart macht deutlich: Es wird aufgerüstet – verbal-medial und militärisch. Das Spektrum dessen, was sagbar und in Folge dessen machbar ist, hat sich so weit nach rechts verschoben, dass die als „Fortschrittskoalition“ angetretene Ampel-Regierung mittlerweile AfD-Positionen umsetzt. Die deutsche Staatsräson ist das alles beherrschende Narrativ, das keine Widerrede erlaubt; jedenfalls nicht ohne Diskreditierung und gegebenenfalls auch Repression. Dass auch sogenannte westliche Medien in Staaten mit Presse- und Meinungsfreiheit Propaganda betreiben, haben Noam Chomsky und Edward S. Herman bereits in den 1980er Jahren mit Manufacturing Consent eindrucksvoll dargelegt. Dies als Hintergrund behaltend, ist eine Aktualisierung, ein Zurückholen in das linke Bewusstsein von großer Relevanz. Somit kommt Medienkritik ist links gerade zur rechten Zeit, um gegenwärtige Diskurse und Entwicklungen aufzugreifen. Eine Diskussion über das Vorhaben, Medien-als-Systemkritik in konkrete Politik der Arbeiter:innenklasse umzusetzen, wäre mit Sicherheit ein Nachfolgewerk wert!

Fußnoten

1. Lukas Meisner: Medienkritik ist links. Warum wir eine medienkritische Linke brauchen, Eulenspiegel Verlagsgruppe Das Neue Berlin, Berlin 2023, 22.
2. Meisner: Medienkritik ist links, S. 11.
3. Meisner: Medienkritik ist links, S. 12.
4. Vgl. Meisner: Medienkritik ist links, S. 28-31.
5. Meisner: Medienkritik ist links, S. 31.
6. Meisner: Medienkritik ist links, S. 34.
7. Meisner: Medienkritik ist links, S. 41.
8. Meisner: Medienkritik ist links, S. 41.
9. Meisner: Medienkritik ist links, S. 52.
10. Meisner: Medienkritik ist links, S. 75.
11. Vgl. Meisner: Medienkritik ist links, S. 48.
12. Vgl. Meisner: Medienkritik ist links, S. 49.
13. Meisner: Medienkritik ist links, S. 16.
14. Vgl. Meisner: Medienkritik ist links, S. 19.
15. Meisner: Medienkritik ist links, S. 152.
16. Vgl. Meisner: Medienkritik ist links, S. 145.
17. Meisner: Medienkritik ist links, S. 80.
18. Vgl. Meisner: Medienkritik ist links, S. 76.
19. Vgl. Meisner: Medienkritik ist links, S. 81-82.
20. Meisner: Medienkritik ist links, S. 84.
21. Vgl. Meisner: Medienkritik ist links, S. 84.
22. Vgl. Meisner: Medienkritik ist links, S. 119.
23. Meisner: Medienkritik ist links, S. 97.
24. Antonio Gramsci: Gefängnishefte, Band 7, Argument Verlag, Hamburg 1991-2002, S. 1584.
25. Vgl. Meisner: Medienkritik ist links, S. 150.
26. Meisner: Medienkritik ist links, S. 142.
27. Vgl. Meisner: Medienkritik ist links, S. 142.
28. Meisner: Medienkritik ist links, S. 54.
29. Vgl. Meisner: Medienkritik ist links, S. 55.

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