Rettet die SPD Merkel?
Das Scheitern der Regierungsbildung ist Merkels bisher größte politische Krise. Nachdem die SPD-Führung erst noch eine Neuauflage der GroKo ablehnte, mehren sich nun die Anzeichen, dass der "Wille zur Macht" in der Sozialdemokratie einmal mehr die Oberhand behält. Die SPD könnte so der CDU die Haut retten.
Von der Öffentlichkeit gescholten, aber vor allem von der Parteibasis viel gefeiert wurde Martin Schulz, als er nach der krachenden Niederlage bei den Bundestagswahlen ankündigte, dass die SPD in die Opposition gehen würde. Viele hofften, dass die mit Schulz verbundene „Erneuerung“ der Sozialdemokratie in der Opposition vielleicht doch noch stattfinden könnte.
Als dann Sonntagnacht das Scheitern der Sondierungsgespräche für eine Jamaika-Koalition bekannt wurde, beeilte sich die SPD-Führung am Montagmorgen, ihre Position nochmal zu bekräftigen: lieber Neuwahlen als nochmal GroKo unter Merkels Führung.
Doch wie immer scheint den Sozialdemokrat*innen die Nähe zur Macht wichtiger zu sein, als irgendwelche politischen Positionen: Mächtige Flügel der SPD wie der Seeheimer Kreis sowie einflussreiche Parteimitglieder aus der SPD-Bundestagsfraktion und verschiedenen Landesverbänden kritisierten in den vergangenen Tagen den Neuwahlkurs scharf. Die SPD solle, wenn schon nicht über eine Große Koalition, dann doch mindestens über die Tolerierung einer schwarz-grünen Minderheitsregierung nachdenken. Auf dieses politische Manöver wird sich die CDU jedoch nur schwerlich einlassen: Denn die SPD könnte nach Belieben „mitregieren“, die politische Verantwortung läge aber allein bei der Minderheitsregierung.
Das wissen auch die SPD-Führungsfiguren. Deshalb betonten sie in den vergangenen Tagen immer offener, dass die SPD einfach erneut in eine Große Koalition eintreten sollte.
So sagte etwa Johannes Kahrs, Sprecher des Seeheimer Kreises: „Nach dem Aus von Jamaika haben wir eine neue Situation. […] Wir können dem Bundespräsidenten nicht sagen: Rums, das war’s. Der Bundespräsident muss seinem Auftrag gerecht werden können, der darin besteht, auszuloten, welche Regierungsmöglichkeiten es gibt.“ Das sei aber unmöglich, wenn die SPD eine Große Koalition von vornherein ausschließe. Und auch das Wirtschaftsforum der SPD setzt auf die Stabilität einer Fortsetzung der Großen Koalition: „Ich bin für Gespräche mit der CDU/CSU aus Verantwortung für dieses Land, um in schwierigen Zeiten eine stabile Regierung bilden zu können“, sagte der Präsident des Wirtschaftsforums, Michael Frenzel. Zuletzt äußerte sich der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach, in der FAZ ähnlich: „Wir werden, wenn überhaupt nichts anderes geht, auch noch mal über eine große Koalition nachdenken müssen.“
Die GroKo garantiert weiter Stabilität
Die letzte GroKo ist immer noch geschäftsführend im Amt. Neuwahlen würden möglicherweise erst im April 2018 stattfinden. Doch angesichts der Debatten in der SPD wird immer wahrscheinlicher, dass die Große Koalition auch danach weiterhin im Amt bleiben wird.
Das alles liegt im Interesse des deutschen Großkapitals. Dieses bangt um die innenpolitische Stabilität. Das Scheitern der Jamaika-Verhandlungen stellt die bisher größte innenpolitische Krise von Angela Merkel dar. Es ist allein der fehlenden Nachfolge Merkels innerhalb der CDU geschuldet, dass die Bundeskanzlerin als alternativlose Kandidatin für mögliche Neuwahlen feststeht. Doch die SPD könnte mit einer GroKo ganz ohne Neuwahlen Merkels Haut retten. Doch nicht nur die Haut von Merkel könnte dadurch gerettet. Vielmehr könnte sich auch die SPD vor einer möglicherweise weiteren Wahlniederlage bewahren.
Der perfekte Agent dafür ist der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Sein „neutraler“ Amtsauftrag, als Bundespräsident die Regierungsfähigkeit sicherzustellen, verbunden mit seiner Position innerhalb der SPD, könnte die Sozialdemokrat*innen dazu bringen, einmal mehr die beste Stütze des deutschen Regimes zu sein. Nicht umsonst titelten bürgerliche Medien wie die Süddeutsche Zeitung, „Die Krise macht aus Steinmeier einen neuen Präsidenten“.
Zwar inszenierte sich Martin Schulz heute Vormittag medienwirksam als Kämpfer an der Seite der Siemens-Beschäftigten, die um ihre Arbeitsplätze kämpfen. Doch sollte die SPD nun – wie immer wahrscheinlicher wird – dem Ruf nach der Großen Koalition doch folgen, wird sich einmal mehr beweisen, auf wessen Seite sie steht: auf der Seite der Stabilität für das deutsche Großkapital.
Am heutigen Donnerstag werden sich Schulz und Steinmeier treffen, um über eine Fortsetzung der GroKo zu beraten. Paradoxerweise könnte ein Einlenken von Schulz – und somit seine endgültige Unterordnung unter die SPD-Rechte – seine politische Karriere als SPD-Chef retten. Der „Junge aus Würselen“ würde zum neuen Symbol des sozialdemokratischen Umfallers – zur Freude der deutschen Bourgeoisie.