Rest in Power, Brianna Ghey
Letzten Samstag wurde in England eine 16-jährige trans Frau erstochen. Trans Menschen werden immer wieder Opfer von Gewalt – ein festes Element des patriarchalen Kapitalismus.
Am 11. Februar 2023 wurde in Culcheth, Warrington, einer Kleinstadt im Nordwesten Englands, eine junge trans Frau getötet. Die 16-jährige Brianna Ghey durchquerte einen Park in ihrer Heimatstadt, wo sie mit einem Messer attackiert wurde. Die Täter:innen ließen sie zurück, kurz nachdem sie gefunden wurde, starb sie an ihren Verletzungen.
Brianna Ghey war unter dem Namen @gingerpuppyx auf TikTok aktiv und postete regelmäßig Videos. Nachdem ihr Tod bekannt wurde, schwappte eine Welle der Solidarität und Anteilnahme durch die Plattform. Tausende Nutzer:innen kommentierten ihre Videos oder erstellten eigene Beiträge, in Gedenken an Brianna. Ihr TikTok-Account wurde inzwischen gesperrt.
Ihre Familie schreibt in einem öffentlichen Statement:
“Sie war eine herausragende Persönlichkeit, die einen bleibenden Eindruck hinterließ bei allen, die sie trafen. Brianna war schön, witzig und ausgelassen. Brianna war stark, unerschrocken und einzigartig. Der Verlust ihres jungen Lebens hinterlässt ein gewaltiges Loch in unserer Familie, und wir wissen, dass ihre Lehrer:innen und Freund:innen, die an ihrem Leben beteiligt waren, das Gleiche fühlen.”
Jeder Mord an trans Personen ist politisch
Die Ermittlungen der Polizei laufen, zwei Verdächtige – 15-jährige Jugendliche – wurden festgenommen. Die Polizei spricht von fehlenden Hinweisen auf ein Hassverbrechen.
Auf Twitter berichtet der Vater einer Klassenkameradin von Mobbing und Gewalttätigkeiten gegen seine Tochter und auch gegen Brianna. Er postete dazu auch ein Video eines Angriffs auf seine Tochter.
Immer wieder werden trans Menschen Opfer von Gewalt, bis hin zum Mord. Trans Murder Monitoring (TMM) zählte 2022 327 gesicherte Morde an trans Personen, 95% der Opfer sind trans Frauen. Und nach wie vor werden die meisten Taten nicht erfasst. Trans Frauen sind also besonders gefährdet, Opfer von Gewaltverbrechen zu werden. Zugespitzt wird diese Situation durch transfeindliche Stimmungsmache.
Die Situation in Großbritannien in Bezug auf Transrechte ist seit Jahren angespannt.
Erst Januar diesen Jahres blockierte die Regierung ein Gesetz Schottlands, das trans Menschen mehr geschlechtliche Selbstbestimmung erlaubt hätte. Selbsternannte Feminist:innen stellen sich gegen Transrechte unter dem Vorwand, Frauen schützen zu wollen. Die gerade wieder im Fokus der Öffentlichkeit stehende Autorin J.K. Rowling ist hierbei nur eine Vertreterin dieser trans-exkludierenden Feminist:innen.
Was wir anlässlich des Mordes an der kanadischen trans Aktivistin Julie Berman schrieben bleibt aktuell: Jeder Mord an trans Personen ist politisch. Über die Hintergründe der Tat ist noch nicht viel bekannt, doch es ist klar, dass sie nicht in einem Vakuum stattfand. In einer Welt, in der Menschen aufgrund ihrer sexuellen und geschlechtlichen Identität unterdrückt werden, in der auch tödliche Gewalt zum Alltag von trans Personen gehört, muss klar sein, dass dieser schreckliche Tod kein Einzelfall ist.
Die Polizei wird uns nicht helfen
Natürlich ist zu hoffen, dass die Verantwortlichen für Brianna Gheys Tod gefasst werden. Doch die Polizei ist keine Verbündete der Unterdrückten. Sie schlug den Stonewall-Aufstand nieder, tötet auch außerhalb der USA Menschen, vor allem nicht-weiße, migrantische und psychisch kranke Menschen und geht gegen Streiks und soziale Bewegungen vor. Die Polizei dient der Aufrechterhaltung des Status Quo der bürgerlichen Herrschaft, samt ihrer rassistischen, sowie frauen- und transfeindlichen Elemente. Es ist deshalb ein Irrtum, dass die Polizei uns gegen Gewalt schützen könnte. Im Gegenteil geht gerade von der Polizei immer wieder auch besondere Gewalt gegen trans Personen aus.
Im Kapitalismus können wir nicht frei sein
In den letzten Jahrzehnten hat sich viel getan. Doch der patriarchale Kapitalismus profitiert von der Unterdrückung und Disziplinierung entlang von Geschlecht und Geschlechtsidentität. Tatiana Cozzarelli schreibt in “Queere Unterdrückung ist in das Herz des Kapitalismus gebrannt”:
“Der Kapitalismus – ein System, das auf der Ausbeutung von Arbeitskraft aufbaut – hat vielfältige Möglichkeiten zur Befreiung der Menschen geschaffen. (…) Trotzdem kann dieses System die Versprechen von Freiheit und Gerechtigkeit für eine große Mehrheit der Bevölkerung nicht einlösen. Für queere Menschen ist die Unterdrückung von LGBTQIA+ Personen eine Folge der kapitalistischen Produktion und der Reproduktion, insbesondere (…) der durch die Kernfamilie erforderlichen starren Geschlechterrollen. Daher sind LGBTQIA+-Befreiung und sexuelle Befreiung im weiteren Sinne im kapitalistischen System unmöglich; unsere Unterdrückung ist unveränderlich in das System eingebrannt.”
Unser Kampf gegen patriarchale Gewalt ist also auch ein Kampf gegen das kapitalistische System. Der Kampf für die Rechte von trans Personen ist eine elementare Aufgabe des Feminismus. Und zwar nicht nur (aber auch) für Rechte auf dem Papier, sondern für eine Welt, in der wir alle sicher und frei leben können.
Unsere Gedanken sind bei Briannas Familie und Freund:innen. Rest in Power, Brianna Ghey.