Rente ab 68? Wir wollen nicht arbeiten, bis wir umfallen

08.06.2021, Lesezeit 6 Min.
1
Foto: Akimov Igor / shutterstock.com

Wieder mal droht uns eine Erhöhung des Renteneintrittsalters. Dieses Mal auf 68 Jahre. Dagegen müssen wir uns schon heute organisieren und für die Durchsetzung von Vermögenssteuern kämpfen.

Der Wissenschaftsbeirat des Wirtschaftsministeriums spricht von „schockartig steigende[n] Finanzierungsprobleme[n]“ der gesetzlichen Rente bis 2025. Um das abzuwenden, müsste das Renteneintrittsalter ihrer Meinung nach auf 68 Jahre erhöht werden. Bisher stehen wir bei einer schrittweisen Erhöhung von 65 auf 67 Jahre bis 2029. Vorher könnte man dann zwar auch in Rente gehen. Man müsste jedoch Abschläge von der Rente hinnehmen, also weniger Rente für jedes Jahr, das man früher in den Ruhestand geht. Der CDU-Wirtschaftsrat veröffentlichte vor einigen Monaten bereits einen ähnlichen Vorschlag für eine Sozialreform, die eine Anhebung des Renteneintrittsalters auf 70 forderte. Die Abschläge sollten ihrer Vorstellung nach dabei weiter erhöht werden. Beide Vorschläge haben im Grunde das gleiche Ziel: Die Kosten für die gesetzliche Rente drücken und die private Rentenversicherung stärken.

Jung gegen Alt?

Klaus M. Schmidt, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats, warnt davor, dass nur „stark steigende Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt“ das bisherige Niveau erhalten könnten. „Das ginge zulasten von Zukunftsinvestitionen zum Beispiel in Bildung, Infrastruktur und Klimaschutz und würde die Tragfähigkeit unseres Sozialsystems untergraben.“, fügte er außerdem hinzu. Im Klartext: Weitere Einsparungen bei der gesetzlichen Rente könnten nur verhindert werden, wenn die jungen Generationen gleichzeitig verzichten. So wird plump ein Konflikt jung gegen alt aufgemacht und so getan, als wäre das Geld nicht woanders zu holen.

Unabhängig davon, ob solche Pläne eins zu eins umgesetzt werden. Die nächste Regierung wird die gesetzliche Rente weiter angreifen und die Situation von allen Arbeiter:innen weiter verschärfen. Dabei ist schon heute jede:r Fünfte ab 65 von Altersarmut bedroht. Frauen sind dabei besonders betroffen, denn sie arbeiten nicht nur besonders häufig in schlecht bezahlten Berufen, sondern auch häufiger in Teilzeit oder haben Unterbrechungen im Arbeitsleben, um Reproduktionsarbeit zu leisten (also Kinder erziehen, Haushalt, Pflege,…). Diese Arbeit wird jedoch nicht entlohnt und bringt auch kein Geld in die Rentenkassen. So sind gerade sie es, die ihr Leben lang für die Gesellschaft gearbeitet haben, die am Ende ihres Lebens in der Armut landen. Unsichere Arbeitsverhältnisse und niedrige Löhne für viele junge Beschäftigte heute erhöhen das Risiko noch drastischer. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung waren 2020 rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche armutsgefährdet. Die Corona-Krise hat diese Situation verschärft. Mehr private Vorsorge, was besonders die Union und die FDP fordern, ist purer Hohn für alle Jugendlichen und Beschäftigten, deren Lohn sie gerade so über den Monat rettet und die garantiert nichts übrig haben, was sie zurücklegen könnten.

Komplett ausgeblendet wird in der Diskussion wie absurd die Situation ist, dass manche von uns bis zum Burn-Out Überstunden machen, während andere keine Arbeit finden. Wenn wir entscheiden könnten, wie wir arbeiten, könnten wir die existierende Arbeit auf alle aufteilen – bei fairen Löhnen. Somit würden wir unsere Gesundheit schützen und Armut bekämpfen können.

Noch alarmierender werden die neuen Rentenpläne, wenn man bedenkt, dass 2021 fast 20 Prozent aller Verstorbenen nicht einmal das 67. Lebensjahr erreicht haben. Viele sind also gesundheitlich gar nicht in der Lage, überhaupt so lange zu arbeiten. Eine Erhöhung des Renteneintrittsalters wird also weiter dazu beitragen, dass immer mehr Menschen arbeiten bis zum Umfallen. Im wahrsten Sinne des Wortes.

Gemeinsam gegen eine Erhöhung des Rentenalters

Dabei gäbe es eine sehr naheliegende Lösung, um die „schockartig steigende[n] Finanzierungsprobleme“ zu lösen: höhere Unternehmenssteuern und Vermögensabgaben. BMW und Daimler beispielsweise haben deutliche Gewinnsteigerungen im ersten Quartal vermelden können. Daimler hat die Dividenden im Frühling sogar noch erhöht. Bei vielen anderen Großkonzernen sieht es ähnlich aus. Die Zahl der Millionär:innen in Deutschland ist während der Corona-Krise sogar gestiegen. Völliger Irrsinn, wenn Politiker:innen, die nicht selten selbst unter den Millionär:innen zu finden sind, dann davon reden, dass kein Geld da sei.

Anja Piel, Mitglied im Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), kritisiert zwar richtigerweise die Rentenpläne. Auch die Co-Vorsitzende der Linken Susanne Hennig-Wellsow griff die Pläne als „asozialen Oberhammer“ an. Doch mit leeren Worten werden die Pläne zur Kürzung der Renten nicht gestoppt werden können. Vielmehr braucht es politische Kämpfe in Form von großen Mobilisierungen und Streiks, um weitere Angriffe auf die Rente zu stoppen. Dass das möglich ist, zeigt die Vergangenheit: 2007 haben rund 60.000 Beschäftigte der Metall- und Elektroindustrie gegen die Rente mit 67 gestreikt. Zwar letztlich ohne Erfolg. Dennoch sind solche Streiks richtig und notwendig, um den gewerkschaftlichen Kampf nicht nur auf betrieblicher Ebene zu führen, sondern auch gegen Angriffe der Regierung zu wenden, die sich direkt auf unsere Lebensbedingungen auswirken. Man stelle sich nur mal vor, nicht 60.000 Beschäftigte, sondern 600.000 Kolleg:innen oder mehr streiken gegen die Erhöhung des Rentenalters. Um dorthin zu gelangen, müssen wir schon heute die vorhandenen Kämpfe verbinden und dort über einen Kampfplan diskutieren, wie wir beispielsweise kommende Streiks in den Krankenhäusern, im öffentlichen Dienst, bei der Bahn oder im Einzelhandel mit einer Politik gegen die Erhöhung des Rentenalters verbinden.

Im Mittelpunkt muss dabei vor allem der Kampf für eine Vermögenssteuer und eine höhere Besteuerung für große Konzerne stehen. Damit könnte nicht nur die gesetzliche Rente deutlich verbessert und das Renteneintrittsalter wieder gesenkt, statt erhöht werden. Es könnten auch dringend notwendige Investitionen in die Pflege, die Schulen und Kitas, den Öffentlichen Nahverkehrs usw. vorgenommen werden.

Mehr zum Thema