Reifeprüfung bestreikt
// Berlins LehrerInnen treten heute in ganztägigen Ausstand. Senat wollte diesen unterbinden lassen und scheiterte //
Annähernd zwölf Jahre und bald vorbei. In diesen Tagen soll Max, der die 12. Klasse an einem Gymnasium in Berlin-Mitte besucht, seine Abiturprüfungen ablegen.
Doch die angestellten LehrerInnen spielen nicht mit: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ruft für den heutigen Dienstag zu einem ganztägigen Warnstreik auf, um der Forderung „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ Nachdruck zu verleihen. Damit werden die Prüfungen fürs Abitur und auch für den Mittleren Schulabschluss (MSA) nach der 10. Klasse gestört.
Für Max ist der Streik „ein gutes Druckmittel“, um bessere Arbeitsbedingungen an den Schulen einzufordern. In den letzten Jahren hat er selbst an mehreren Schulstreiks teilgenommen, um gegen überfüllte Klassen und ständigen Unterrichtsausfall zu protestieren. „Für den Streik würde ich auch in Kauf nehmen, meine Prüfung später zu schreiben“, sagt er. Dabei steht seine mündliche Prüfung in Politik und Geschichte erst nächste Woche an. Max und andere SchülerInnen werden sich in der ersten großen Hofpause mit den streikenden LehrerInnen von ihrer Schule treffen und gemeinsam zur Demonstration gehen.
Florian Bublys, ein junger Lehrer von der Initiative „Bildet Berlin!“, sieht das ganz ähnlich: Die LehrerInnen wollen ihre SchülerInnen nicht in Mitleidenschaft ziehen, doch ausfallende Prüfungen können nachgeholt werden. Die SchülerInnen „haben noch eine Woche länger Zeit sich vorzubereiten“, so Bublys. Seine Initiative hatte innerhalb der GEW besonders für die Streiks während der Prüfungszeit Druck gemacht, da andere Arbeitsniederlegungen ignoriert werden.
Eine Sichtweise, die seitens der offiziellen Schüler- und ElternvertreterInnen nicht nachvollzogen werden kann. Landesschülersprecherin Alea Mostler erklärte im Interview mit dem Tagesspiegel: „Bei den Streiks sind die Schüler die Leidtragenden.“ Allerdings blieb sie eine Erklärung dafür schuldig, wie LehrerInnen ihre Forderungen ohne Streiks durchsetzen können.
Vergeblich hatte der Senat versucht, eine einstweilige Verfügung gegen die ihrer Meinung nach „unverhältnismäßige“ Arbeitskampfmaßnahme vor Gericht durchzusetzen. Doch das Landesarbeitsgericht beschied den Senatsantrag am Montag abschlägig.
Parallel zum Versuch, den Streik verbieten zu lassen, hatten Bildungssenatorin Sandra Scheeres und Finanzsenator Ulrich Nußbaum am Montag morgen eine Pressekonferenz über die „Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs“ anberaumt. Ihre Pläne waren bescheiden. Demnach sollen LehrerInnen ab August 2014 und ab einem Alter von 58 Jahren eine Stunde Unterricht pro Woche weniger halten müssen, ab 61 Jahren zwei. Doch damit entfiele die Bezahlung für zwei zusätzliche Unterrichtsstunden, die Berliner LehrerInnen seit zehn Jahren arbeiten müssen. Zudem soll die Präsenzzeit vor Beginn eines jeden Schuljahres von einem auf drei Tage verlängert werden – eine Arbeitszeitverlängerung um ganze zwei Tage.
Für den Zeitraum vom 13. bis zum 17. Mai ruft die GEW erneut zu Streiks auf. Ganz im Stile der Occupy-Bewegung soll es ein Protestcamp vor dem Roten Rathaus geben. In jener Woche würden die Vergleichsprüfungen der 3. Klassen sowie weitere mündliche Abiturprüfungen gestört werden.
Von Berlins 28.000 LehrerInnen sind etwa 8.000 angestellt. Verbeamtet wird seit 2004 keiner mehr. Im Februar und März hatten jeweils über 5.000 Berliner LehrerInnen an Warnstreiks im Rahmen der Tarifrunde für den Öffentlichen Dienst der Länder teilgenommen. Doch ihre Forderungen nach Gleichstellung mit ihren verbeamteten KollegInnen wurden nicht im Verhandlungsergebnis mit der Tarifgemeinschaft der Länder aufgenommen. Nun wird nachgeholt.