„Refugees Welcome“ an der Freien Universität?

22.10.2015, Lesezeit 5 Min.
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// Über 400 Studierende auf einer Vollversammlung fordern den Hochschulzugang für Flüchtlinge. Im Anschluss Protest gegen Steinmeier //

„Viele Geflüchtete wollen studieren“, erklärte eine Referentin vom AStA der FU zu Beginn einer studentischen Vollversammlung am Mittwoch. Doch ein Studium ist für Geflüchtete nicht einfach. Bei der Vollversammlung berichteten mehrere Vorträge von den endlosen bürokratischen Hürden für Asylsuchende, die auf eine deutsche Uni wollen. „Arbeit, Studium, Ausbildung – das ist alles verboten“, fasste Mohammed, ursprünglich Asylsuchender aus dem Libanon, jetzt Medizinstudent an der Berliner Charité, seine vielen Jahre mit dem Status der „Duldung“ zusammen.

Um diese Situation zu ändern, versammelten sich über 400 Studierende unter dem Motto „Refugees Welcome“ im größten Hörsaal der Freien Universität Berlin. Das war die größte Vollversammlung seit vielen Jahren an dieser Hochschule.

Die FU „erleichtert Flüchtlingen den Zugang zum Studium“, verkündet die Universität in einer aktuellen Pressemitteilung. Doch an den Berliner Universitäten werden aktuell nur Gasthörer*innenprogramme geschaffen. So können Flüchtlinge zwar an bestimmten Lehrveranstaltungen teilnehmen, aber keine Leistungsnachweise erbringen. Nur sehr eingeschränkt können sie entscheiden, was sie studieren wollen. „Wir fordern reguläre und vollwertige Immatrikulationen“, so die AStA-Referentin.

Das Programm an der FU „Welcome@FUBerlin“ wird am heutigen Donnerstag vom Präsidium der Universität vorgestellt. Von einem „umfangreichen akademischen Programm“ spricht die Hochschulleitung, obwohl es in diesem Semester auf 90 Personen beschränkt ist. „Die Freie Universität verhält sich zurückhaltend“, was die Zugangsmöglichkeiten von Geflüchteten angehe, so die Kritik der Studierenden in einem Aufruf zur VV. Asylsuchende beklagen außerdem, dass ihre Abschlüsse nicht anerkannt werden – von ihnen werden zum Beispiel originale Nachweise ihrer bisherigen Studienleistungen verlangt, obwohl diese oft im Bürger*innenkriegsgebiet verblieben sind.

Deswegen forderte die Vollversammlung in einer Resolution den uneingeschränkten Zugang für alle Geflüchteten sowie die formlose Anerkennung ihrer bisherigen Studienleistungen. Genauso wurde für die Teilnahme an einem Berliner Schulstreik am 19. November geworben, der sich „gegen den rassistischen Normalzustand“ richtet. Diese Streikenden werden sich am Potsdamer Platz versammeln und zum „Verteidigungs- und Kriegsministerium“ ziehen, „was eigentlich das gleiche ist“, so ein Redner vom Schulstreikbündnis.

„Wir müssen auf die koloniale Vergangenheit von Europa schauen“, so Marlit von der linken Unigruppe la:iz, „und auch heute setzt Deutschland auf die wirtschaftliche Ausbeutung der Dritten Welt“. Die Studentin kritisierte die „imperialistische Interessenpolitik“ der Bundesregierung. Yunus von der marxistischen Hochschulgruppierung „Waffen der Kritik“ forderte das Recht für geflüchtete Menschen, in die Gewerkschaften einzutreten, da sie auch Lohnabhängige sind.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hielt eine Rede direkt nach der Vollversammlung in einem anderen Hörsaal der FU anlässlich des 70. Jahrestages der UN-Charta. „TTIP, Frontex, Waffen – das ist deutsche Außenpolitik“, stand auf einem Protesttransparent, das von rund 30 Studierenden getragen wurde. Allerdings wurden linke Studierenden von der Unileitung am Betreten des Saals gehindert – die Polizei schirmte das Hauptgebäude komplett ab. So fand der Protest gegen Steinmeier hauptsächlich vor dem Eingang statt. Zu Beginn seiner Rede wurde heftig an den Fenstern geklopft und laut gerufen: „Refugees are welcome here!“ Auch während der Veranstaltung wurde ein Banner mit diesem Motto hochgehalten.

Fazit des Tages? Die Solidarität unter den Studierenden ist überwältigend – keine Rassist*innen trauten sich, auch nur ein Wort zu sagen. Doch der Ablauf der Vollversammlung machte es schwierig, diese Solidarität in konkrete Aktionen zu übersetzen: So war die Vorbereitung der VV für viele Interessierte intransparent. Die Inputs waren gut aber deutlich zu lang, denn als inhaltliche Entscheidungen zu treffen waren, waren die zwei Stunden fast vorbei. Vor allem drängte die Vorbereitungsgruppe darauf, Diskussionen in Kleingruppen zu verlegen, aber diese Kleingruppen kamen sowieso nicht zustande. So wurde eine große Gelegenheit verpasst, ein deutliches Zeichen gegen die Politik der Bundesregierung zu setzen und geschlossen gegen Steinmeiers Auftritt zu demonstrieren.

Solidarische Studierende an der FU Berlin müssen sich nun überlegen: Wie können wir Strukturen schaffen, die alle Aktivist*innen und linke Gruppen einbinden und schlagkräftige Aktionen organisieren? Wie können wir politischen Druck aufbauen, damit die Universitäten tatsächlich für alle Geflüchtete geöffnet werden? Dafür wird es notwendig sein, noch viel mehr Studierende in die Planung der Aktionen einzubeziehen. Dazu wollen wir als „Waffen der Kritik“ einen Beitrag leisten.

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