Red Brain Nr. 4: Bildungsproteste in Chile

21.09.2011, Lesezeit 8 Min.
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Red Brain ist eine linke, antikapitalistische SchülerInnenzeitung, die von einer unabhängigen SchülerInnengruppe (in Zusammenarbeit mit RIO) am John-Lennon-Gymnasium in Berlin-Mitte her­aus­gegeben wird. Die Ausgabe gibt es als PDF, die einzelnen Artikel gibt es unten:

Streik in der Schule, Streik im Betrieb!

Liebe Genossen, liebe Genossinnen, liebe Mitschüler und Mitschülerinnen,

am 17. November ist es wieder soweit: Bildungsstreik! Wir, die SchülerInnen, Studierenden, Azubis und hoffentlich auch LehrerInnen, werden wieder auf die Straße gehen, um für bessere Bildung zu kämpfen. Am Wochenende vom 9.-11. September hat eine bundesweite Bildungsstreikkonferenz stattgefunden, an der sich Jugendliche aus ganz Deutschland beteiligten, um über die Probleme im Bildungssystem zu diskutieren. Dabei kam heraus, dass unser Kampf nicht nur ein Kampf von Jugendlichen sein sollte, sondern dass wir uns mit arbeitenden Menschen verbinden müssen. Denn wie jedeR weiß, werden auch wir uns später dem harten Arbeitsmarkt aussetzen müssen.

Am Krankenhaus „Charité“ in Berlin kämpfen zur Zeit Lohnabhängige für bessere Löhne. Denn im Gesundheitssystem wird, wie im Bildungssystem, permanent gespart. Die Beschäftigten leiden darunter, genauso wie die PatientInnen. Besonders das nicht-medizinische Personal bekommt Niedriglöhne und befristete Verträge. Die Bildungsstreikkonferenz hat sich mit den Streikenden an der Charité solidarisiert. Genauso wie wir uns mit dem Streik der LehrerInnen solidarisieren, der am 28. September (nächsten Mittwoch) stattfinden soll.

Denn auch wenn wir am 17. November vielleicht nicht den Generalstreik ausrufen können, niemals vergessen: „Hoch die internationale Solidarität!“

Eure Red Brain-Redaktion

Bildungsproteste in Chile

„Kämpfen, um zu lernen! Lernen, um zu kämpfen!“

Mit diesem Spruch kämpfen Hunderttausende SchülerInnen und Studierende in Chile für kostenlose Bildung. Denn im längsten Land der Welt ist Bildung ein teures gut: ein Studium kann locker über 400 Euro im Monat kosten (was sogar über dem durchschnittlichen Monatslohn liegt!). So müssen junge Menschen während ihres Studiums Schuldenberge von mehreren Zehntausend Euro anhäufen, die sie nicht zurückzahlen können werden, bis sie 40 oder 50 sind.

Dieses Bildungssystem hat Diktator Augusto Pinochet etabliert: marode öffentliche Schulen für die Armen, teuere Privatschulen für die Reichen. Pinochet putschte sich im Jahr 1973 an die Macht, mit tatkräftiger Unterstützung des Geheimdienstes CIA, und privatisierte so ziemlich alles im Land. Aber in den 20 Jahren seit seinem Rücktritt hat die Regierung der sozialistischen Partei (vergleichbar mit der SPD in Deutschland) sein Bildungssystem aufrechterhalten.

Neue Proteste

Doch die Forderung nach kostenloser Bildung ist immer lauter geworden in den Anden. Bereits im Jahr 2006 gab es monatelange Proteste von SchülerInnen (die „Pinguine“ genannt werden, weil sie schwarz-weiße Uniformen tragen müssen). Seit Mai dieses Jahres sind Hunderte Schulen und Dutzende Fakultäten besetzt. Die Jugendlichen bei diesen Besetzungen organisieren sich selbstständig, mit täglichen Versammlungen und Arbeitsgruppentreffen.

Bis zu 80% der Bevölkerung unterstützen die Forderung nach kostenloser Bildung, es gab Demonstrationen von Hunderttausenden. Vor einem Monat fand auch ein zweitägiger Generalstreik statt mit vielen Straßenblockaden. Doch die Regierung zeigt sich stur – der Präsident Piñera ist Multimilliardär und verdient selbst kräftig an privaten Bildungsunternehmen! Er „verhandelt“ mittels Tränengas, Wasserwerfern und Verhaftungen. Die chilenische Polizei sieht der Berliner Polizei übrigens ähnlich, sie bekommen ihre Uniformen aus Deutschland!

Perspektive?

Diese Proteste zeigen, dass das Recht auf Bildung nur gewonnen und verteidigt werden kann, wenn die Betroffenen selbst dafür kämpfen. Außerdem ist es möglich, die ArbeiterInnenbewegung in diesen Kampf hineinzuziehen – mit Generalstreiks kann viel mehr Druck geschaffen werden als mit Bildungsstreiks alleine.

Interview mit einer Studentin aus Chile

Wahlen – und jetzt?

Am Sonntag wurden in Berlin das Abgeordnetenhaus und die Bezirksparlamente neu gewählt. Eines ist deutlich zu sehen: Die sogenannte rot-rote Ära ist vorbei. Ihre Niederlage ist Ergebnis ihrer Politik: in 10 Jahren haben die beiden „roten“ Parteien 150.000 Wohnungen privatisiert und die Bildungsmisere fortbestehen lassen.

Die SPD kann sich als Wahlsieger jetzt zwischen der CDU und den Grünen entscheiden. Aber was gab es noch so? Die FDP kann man endgültig unter die „sonstigen“ Parteien zählen: Sie erreichte nur 1,8% und blieb sogar noch hinter der NPD!

Die größte Überraschung sind aber die Piraten. Sie ziehen mit 8,9% ins Abgeordnetenhaus ein. Das zeigt, dass viele – vor allem junge – WählerInnen keine Perspektive bei den alten, abgedroschenen Parteien sehen. Wir werden sehen, was die Piraten im Parlament tun. Positiv ist, dass sie sich für direktere Demokratie einsetzen.

Doch direkte Demokratie ist im Rahmen der kapitalistischen Marktwirtschaft schwer umsetzbar, da eine kleine Minderheit alle Reichtümer besitzt. Die Grünen – vor 30 Jahren auch mal eine Protestpartei – ließen sich ins System integrieren. Und die Piraten?

Nazis am Alex

Am Sonntag, dem 11. September, organisierte die rechtsextreme Partei NPD zum Abschluss ihres Wahlkampfes eine Kundgebung am Alexanderplatz. Diese Kundgebung konnte nur mit einem riesigen Polizeiaufgebot (über 1000!) über die Bühne gebracht werden – und vor allem mittels einer Geheimhaltungstaktik der Polizei. Der Öffentlichkeit wurde bekannt gegeben, dass die Kundgebung in Schöneweide stattfinden würde, obwohl der eigentliche Kundgebungsort schon Wochen vorher zwischen Polizei und Nazis abgemacht war. Am Abend vorher sickerte die Info durch, und deshalb fanden sich dann am Sonntag dennoch etwa 500 GegendemonstrantInnen am Alex ein, um die 150 Nazis zu stören. Doch mit dem weiträumigen Schutz und vor allem mit ihrer Geheimhaltetaktik sorgt die Berliner Polizei dafür, dass Nazis ungestört ihre rassistische Hetze verbreiten können!

Bundeswehr raus!

Das Robert-Blum-Gymnasium hat es vorgemacht: LehrerInnen, SchülerInnen und Eltern entschieden, JugendoffizierInnen und anderen Propagandist­Innen der Bundeswehr den Zugang zu ihrer Schule zu verweigern. Ein tapferer Entschluss, der ihnen natürlich prompt Beschimpfungen genauso wie die Ehrung „vaterlandslose Gesellen“ einbrachte.

Auch wenn es die dahinter stehenden SpinnerInnen ungern sehen, ist die Bundeswehr natürlich kein Instrument zur Wahrung der Demokratie, sondern der Profitinteressen der Konzerne. In der nächsten Zeit wird der deutsche Staat massiv versuchen, das Image seiner Armee aufzupolieren, nicht nur um die unpopulären Kriegseinsätze in Afghanistan und anderen Ländern bis zum Ende führen zu können ohne größeren politischen Schaden zu nehmen, sondern auch, um die Bevölkerung auf zukünftige Besatzungen einzustimmen. Dass eine Berufsarmee nur die Menschen in der BRD gegen äußere Angriffe (von wo?) schützen soll, brauchen wir nicht zu glauben.

Wenn also in Zukunft die deutsche Armee im Zuge ihrer Umstrukturierung massiv wirbt, gilt es auch am JLG, dem entschlossen entgegenzutreten. Denn nur durch den konsequenten Kampf gegen kapitalistische Kriege und den Bundeswehr-Militarismus können Frieden und Demokratie gesichert werden.

Gegen Lookism!

9:30. Schulhof. Die einzelnen Gruppen stehen zusammen, lachen und essen. Neben mir sitzen drei Mädchen. Sie reden über eine Mitschülerin. „Der Beitrag von ___ gestern war echt geil. Dass die soviel über Politik weiß!“ Eine von ihnen lacht plötzlich: „Mein Gott, so hässlich wie die ist, muss sie ja etwas zum Ausgleich haben. Sonst hätte sie gar keine Freunde.“ Die zwei anderen prusten los.

„Attraktivität“ ist zum Marktwert innerhalb der ewig konkurrierenden kapitalistischen Gesellschaft geworden und deren positive Wertschätzung führt gleichzeitig zur Diskriminierung von anderen, die nicht der Norm entsprechen. Diese Form der Diskriminierung, die sich überall finden lässt und trotzdem kaum beachtet wird, wird Lookism genannt.

Eine gewisse Neigung zur Schönheit ist evolutionsbiologisch veranlagt, doch der größte Teil des Schönheitsideals ist wandelbar und wird antrainiert Dieser „Schönheits“begriff lässt sich nicht ohne „Hässlichkeit“ denken. Damit ist weitaus mehr gemeint als die Cool-Clique, wie sie in High-School-Filmen betitelt wird, die auf alle herunterblickt, die ihnen unästhetisch erscheinen.

Das einteilen von Menschen in Kisten wie gutaussehend (charmant, reizvoll, interessant) und hässlich (abstoßend,minderwertig, langweilig) ist nicht einfach abzuschalten. Und dabei nicht in ein „sie/er sieht zwar schlecht aus, aber…“ zu verfallen, noch schwerer. Doch es lohnt sich. Denn wer seine Mitmenschen aufgrund bestimmter Körperformen/-Merkmale auf- oder abwertet, muss auch sich selbst in ein Kastensystem der Äußerlichkeiten einteilen, dass ohne jede Gnade urteilt.

Zitat des Monats…

Wenn Wahlen etwas ändern würden, wären sie verboten.

unbekannt (möglicherweise Kurt Tucholsky)

Termine von Red Brain

* HEUTE! Demo gegen Papstbesuch
22. September, 16 Uhr, Brandenburger Tor

* Streik der Berliner LehrerInnen
28. September, 12 Uhr, Potsdamer Platz

* bundesweiter Bildungsstreik
17. November an allen Schulen und Unis

* Treffen des Streikkomitees am JLG
jeden Montag, 16 Uhr, vor der Schule

* offenes Treffen von Red Brain
jeden Freitag, 16 Uhr, BAIZ

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