Rechtsruck beim Münchner Pride: So kämpfen Queers gegen die AfD und für Palästina!

23.06.2024, Lesezeit 7 Min.
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Foto: Mo Jarrah

„Gemeinsam gegen Rechts“, hieß es beim CSD in München. Die offizielle Parade war aber weder „gemeinsam“, denn sie schloss palästinasolidarische Queers aus. Noch unternahm sie etwas gegen Rechts, sondern ignorierte eine AfD-Kundgebung, auf der es Polizeigewalt gab. Ein Plädoyer für den Kampf um eine internationalistische und antifaschistische Pride.

Der CSD in München sollte ohne linke und palästinasolidarische Queers stattfinden – so wollten es die Veranstalter:innen unter Führung der Stadtratsparteien SPD, Grüne, Rosa Liste und Volt. In einem ebenso diktatorischen wie intransparenten Manöver schlossen sie die Gruppen Queer Resistance, Revolution und Waffen der Kritik aus, ohne eine Begründung zu nennen (KGK spiegelte das Statement der betroffenen Gruppen). 

„Vereint in Vielfalt…“?

Das erscheint widersprüchlich, hieß das der diesjährigen PolitParade in München doch „Vereint in Vielfalt – gemeinsam gegen Rechts“. Vielfalt bedeutete hier die Teilnahme großer Internationaler Kapitalist:innen wie Allianz, BMW, LEGO, Microsoft, IBM, Disney, Infineon oder Adobe – darunter zahlreiche Konzerne, die an Kriegsrüstung verdienen, wie Airbus, Siemens, MTU, Lufthansa oder Texas Instruments.

Erwünscht waren Nationalfahnen und Wappen der Ukraine als Repräsentanten des NATO-geführten Stellvertreterkrieges, sowie Israel-Fahnen, geschwungen von SPD-Sympathisant:innen und Vertreter:innen einer deutschsprachigen Delegation für die von Israel seit 1948 besetzte Stadt Be’er Scheva (Biʾr as-Sabʿ), seit 2022 Partnerstadt Münchens. Diese Delegation erhielt sogar auf der Hauptbühne ein Grußwort, während die israelische Stadt für Palästinenser:innen für Apartheid und den laufenden Völkermord an Gaza steht, wegen dem der Internationale Gerichtshof ermittelt. Dies ist aber kein Grund für die Stadt München, sich zu distanzieren, ganz im Gegenteil. 

Linke Gruppen waren vertreten durch die völlig angepasste Partei DIE LINKE, welche in München die Kürzungspolitik von Rot-Grün im Stadtrat mitträgt und die deutsche Staatsräson gegenüber Israel zuverlässig vertritt. Außerdem die SDAJ, die wie Joe Biden eine Zwei-Staaten-Lösung für Israel und Palästina vertritt. Letztere durfte mit zwei Palästinafahnen teilnehmen. Gruppen, die aktiv gegen den Völkermord in Palästina und gleichzeitig gegen den allgegenwärtigen Rechtsruck in Deutschland kämpfen, waren allerdings nicht erwünscht.

Das bedeutete allerdings nicht, dass die Stimme des Palästina-Protests gegen den Völkermord nicht hörbar und sichtbar war auf der Münchner Pride. Linke und palästinasolidarische Aktivist:innen akzeptierten den völlig undemokratischen Ausschluss durch die Leitung der Demonstration nicht und ließen es sich nicht nehmen, vor den mindestens 25.000 überwiegend jungen Menschen ihre Positionen zu zeigen, die auf der Demonstration auch gegen Rechts und für Befreiung auf die Straße gehen wollten. Einige von ihnen trugen ebenfalls palästinasolidarische Schilder, entgegen der Position der Demoführung.

So waren entlang der PolitParade zahlreiche Schilder zu sehen, die sich gegen Pinkwashing, Rechtsruck und den Genozid in Gaza sowie für die linke und internationalistische Tradition der „Pride“ aussprachen, etwa: „There is no Pride in Genocide“ (Es gibt keine „Pride“/Stolz auf Völkermord), „Queere Befreiung statt Regenbogenkapitalismus“, „Bombs kill Queers too“ (Bomben töten auch Queers), „No Zionists at Pride, No Pink Genocide“ (Keine Zionist:innen auf der Pride, kein pinker Genozid), „We are not free until we all are“, „Pride is a Riot“, „No Corporations at Pride“ (Keine Konzerne auf der Pride), „Queers for Palestine“ (Queers für Palästina), „Nein zum Rechtsruck, Nein zum Pinkwashing“, „Kein Fußbreit der AfD, politischer Streik gegen Rechts“. Sie waren trotz Abschirmversuchen der Polizei im Livestream gut zu sehen. 

Die Aktivist:innen vertraten damit eine Perspektive, weiterhin Richtung der Massen zu intervenieren und sie nicht den reformistischen und bürgerlichen Parteien sowie Konzernen zu überlassen. Denn auf der Münchner Pride waren auch viele Tausend Jugendliche, Studierende, Auszubildende und Schüler:innen, die sich gegen den Rechtsruck zur Wehr setzen wollten. 

„…gemeinsam gegen Rechts“?

Am Stachus, zu Fuß 15 Minuten vom Livestreamspot der CSD-Parade im Glockenbachviertel entfernt, fand unterdessen eine Kundgebung der AfD statt. Dagegen demonstrierten linke Antifaschist:innen, während der Mainstream des CSD unter Führung von Rot-Grün die Rechten nicht bemerkt haben dürfte. Teilnehmer:innen des zionistischen Be’er-Scheva-Blocks vom CSD provozierten sogar den antifaschistischen Protest gegen die AfD durch Äußerungen wie „Ihr solltet auf deren Seite stehen!“, mit dem Finger Richtung AfD. 

An Diskussionen hatten sie kein Interesse, demonstrierten auch selbst nicht gegen die Queerfeinde von Rechts: „Wir brauchen keine Hilfe“, sagte einer von ihnen auf die Frage eines palästinensischen Aktivisten hin, ob sich Unterdrückte nicht helfen sollten. Tatsächlich vertritt die AfD eine zionistische und islamfeindliche Politik und ist bei jeder Gelegenheit „solidarisch mit Israel“. Der – gescheiterte – Spaltungsversuch der pro-israelischen Aktivist:innen zeigt einmal mehr, dass der Kampf gegen Rechts sich nicht neutral zu Palästina verhalten kann, wenn er erfolgreich sein soll. 

Eine verlässliche Hilfe sowohl des Zionismus als auch der extremen Rechten in Deutschland ist die Polizei. So ging das Unterstützungskommando (USK, ähnlich der BFE in anderen Bundesländern) am Stachus mit großer Brutalität gegen antifaschistische Aktivist:innen vor. Man konnte sich dem Eindruck nicht erwehren, dass sie selbst die Basis der AfD-Kundgebung waren, die gegen Queers und Migrant:innen hetzte. 

Der eigentliche Skandal am Münchner Stachus war aber gar nicht die AfD, die den erwartbaren Rassismus und die erwartbare Queerfeindlichkeit von sich gab. Sondern die Tatsache, dass viele der AfD-Parolen von der Kundgebung inzwischen Teil des Regierungsprogramms der Ampel sind. So wurde mit dem europäischen Abschiebegesetz GEAS eine zentrale AfD-Forderung von den Grünen und Co. erfüllt und verteidigt. So steht Scholz längst für „im großen Stil abschieben“. So stimmen die Bundestagsparteien unisono in den Ruf nach mehr „Sicherheit“ für die Polizei und „gegen Extremismus“ nach „Mannheim“ auf; so wird der extrem Rechte Hetzer Michael Stürzenberger inzwischen weitläufig als „Islamkritiker“ verharmlost. Und so bedient die extrem repressive Politik gegen jegliche palästinensische Solidarität an den Unis und auf den Straßen die Forderungen der AfD. 

So ist es auch wenig verwunderlich, wenn auch befremdlich anzusehen, dass die AfD ihre Kundgebung am Stachus durchführen konnte, während Tausende Tanzende unter dem Motto „Gemeinsam gegen Rechts“ auf der Sonnenstraße nur zwanzig Meter entfernt daran vorbeizogen ohne stehen zu bleiben, während junge Gegendemonstrant:innen im gleichen Moment von der Polizei geschlagen und verhaftet wurden. So sieht der Antifaschismus von Rot-Grün aus, angeführt von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) und Dominik Krause (Grüne): rein symbolisch gegen Rechts zusammen mit Konzernen, Polizei und Israelfahnen, die Nazis am Stachus ignorierend. 

Erfahrungen wie auf der CSD-PolitParade zeigen, wie wichtig es ist, eine Fraktion für eine internationalistische und antifaschistische Pride aufzubauen. Darüber hinaus: Die Bewegung gegen Rechts und die Palästinasolidarische Bewegung müssen miteinander verbunden werden, um effektiv zu sein. Ein nächster Anlass dafür ist die Mobilisierung gegen den AfD-Parteitag in Essen am 29. Juni. 

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